Der Mensch in der Digitalisierung
Mehr Raum für kreatives Gestalten
- Die Digitalisierung ist keine technische, sondern eine soziale Revolution.
- Die digitale Technik der neuen Welt fördert den Menschen als Gestalter.
- Alles Digitale beginnt analog - und endet auch dort.
Ihr Buch heißt "Radikal digital". Was meinen Sie damit?
Reinhard Sprenger: Ich spiele mit dem lateinischen Wort "radix", das "Wurzel" bedeutet. Das Radikale des Buchs besteht darin, dass es an die Wurzel der DigitalisierungDigitalisierung geht - den Menschen. Es geht um Kunden, Zusammenarbeit und Kreativität. Wir haben es also mit einer sozialen Revolution zu tun, keiner technischen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Müssen wir uns jetzt damit abfinden, von Algorithmen beherrscht zu werden?
Reinhard Sprenger: Es kommt darauf an, ob wir uns abdankungslüstern unterwerfen. Auch der Algorithmus ist von Menschen entwickelt und wird von ihnen angewandt. Dabei gelten NetzwerkeNetzwerke von einer Million Knoten schon als groß. Der Mensch verfügt in seinem Gehirn aber über 86 Milliarden Nervenzellen, zudem über ein chemisches System, das zusätzliche Verknüpfungen erlaubt. Er kann auf Fähigkeiten zurückgreifen, die über Jahrmillionen erworben wurden. So ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar, wie man einer Maschine beibringen könnte, mit Ungenauigkeit zurechtzukommen. Also kein Grund, die Knie zu beugen. Alles zu Netzwerke auf CIO.de
Wieso soll ausgerechnet die Digitalisierung den Menschen wieder in den Vordergrund rücken? Wir sehen doch eher, dass das Gegenteil der Fall ist.
Reinhard Sprenger: Das Besondere und Effektive am Menschen tritt in den Vordergrund. In den Hintergrund treten das Allgemeine und Effiziente, Standardabläufe und Routine-Tätigkeiten. Ein Bankberater wird bald, wenn er morgens sein Büro betritt und den Computer anwirft, 80 Prozent seines früheren Jobs erledigt haben. Deshalb hat er Zeit für das Wesentliche: für Einzelfälle, für die es Urteilskraft braucht, Fingerspitzengefühl. Die digitale Technik der neuen Welt fördert paradoxerweise das, was die industrielle Technik unterdrückte: den Menschen als Gestalter, nicht nur als Ausführenden. Er kann sich auf das konzentrieren, was nur Menschen können, was kein Blechkasten kann.
Alle sprechen davon, dass der digitale Wandel unsere Arbeitswelt verändert. Was heißt das für den Mitarbeiter im Unternehmen? Und was für die Führungskräfte?
Reinhard Sprenger: Der Einzelne kann zwischen drei Verhaltensstrategien wählen: Step up - hierarchisch weiterstreben nach oben; step aside - in Jobbereiche gehen, die nicht digitalisierbar sind; step in - mit intelligenten Maschinen zusammenarbeiten. Vor allem muss sich jeder weiterbilden. Jeder braucht ein Basiswissen zu Technologie.
Und Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen. Sie müssen das Unternehmen entwickeln: vom Ich zum Wir, von der Vorgabe zur Selbstorganisation, von der Fehlervermeidung zum Ausprobieren und von der Binnen- zur Außenorientierung. Das erfordert vor allem organisatorische Änderungen - orientiert an der Frage: Sind wir so aufgestellt, dass wir schnell neue Geschäftsmodelle aufbauen können, die mit der digitalen Welt kompatibel sind?
Ihr Buch verspricht 111 Führungsrezepte. Was sind das für Rezepte?
Reinhard Sprenger: Digital kann jeder! Wie bei einem Kochbuch bietet das Buch alle Zutaten für die Wiedereinführung des Menschen in die Unternehmen. Denn alles Digitale beginnt analog - und endet auch dort.