End User Computing
Management agiert schizophren bei IT-Fragen
Es ist an der Zeit für ein Loblied, das man selten vernimmt: eine Eloge auf die Bremse. In den Ohren der CIOs müsste das wohltuend klingen, werden sie und ihre Abteilungen doch derzeit oft als solche beschrieben. Und mal ehrlich: Gas geben macht mehr Spaß; aber jeder Autofahrer wird sich an Momente erinnern, in denen er heilfroh war, doch noch kurz auf die Bremse getreten zu sein. Fahren ohne Bremse - das geht schlichtweg nicht. Grund genug, das Pedal links unten zu würdigen, wenn nicht gar zu bejubeln.
Gänge Reflexe bringen nichts
Trivialer und selbstverständlicher Blödsinn? Im Lichte neuer Studien von Freeform Dynamics im Auftrag von VMware über "End User Computing Management" nicht unbedingt. Denn es ist ja momentan so, dass die Metapher der Bremse zur Klage über die IT-Abteilungen in den Unternehmen benutzt wird: Die Mitarbeiter preschen visionär nach vorne, indem sie eigene Geräte zum Arbeiten nutzen wollen und die brandheißesten und - natürlich - produktivitätssteigenden Apps herunterladen möchten.
Die IT reagiert darauf wie die spaßbefreiten Betonköpfe, die seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ansonsten ausgestorben scheinen: ewig gestrige Neinsager, die mit Verweis auf Sicherheit und Kontrolle alle innovativen Ideen abwürgen.
Der gängige Reflex auf derlei Anwürfe ist menschlich nachvollziehbar und ein Stück weit unvermeidlich: Die IT antwortet, dass sie überhaupt nicht so sei wie dargestellt, sondern so offen wie möglich und selbst - klar - schon auch höchst interessiert am größtmöglichen Fortschritt.
IT muss sich nicht unbedingt rechtfertigen
Im Lichte der Analysen von Freeform Dynamics stellen sich indes starke Zweifel ein, ob derartige Rechtfertigungen überhaupt angebracht sind. Der strukturelle Konflikt, den die Beteiligten in Unternehmen aushalten müssen, ist so gesehen in Wahrheit eine an sich sinnvolle Angelegenheit. Es ist unabdingbar, dass die End User im Unternehmen zeitgemäße und produktive Lösungen einfordern - zumindest in dem Maße, in dem es um geschäftlich begründete Forderungen geht. Und es ist ebenso gut, wenn die IT sich demgegenüber als harte Prüfinstanz verhält und an die Homogenität und Steuerbarkeit der verwendeten Technologie erinnert.
Im obigen Bild: Um vorwärts zu kommen, braucht ein Auto Gas- und Bremspedal, was in den Firmen von heute gerne die End User und die IT sein mögen. Gefahren und gelenkt werden muss ein Auto aber auch - und das können schwerlich seine Einzelteile übernehmen. Freeform Dynamics nimmt die Geschäftsführung respektive das Top-Management in die Pflicht, unfallfrei für die richtigen Entscheidungen zu sorgen.
CIOs und IT-Mitarbeiter von Verantwortung entlasten
Aus IT-Sicht hat das deshalb seinen Charme, weil CIOs und ihre Mitarbeiter von Verantwortung entlastet werden, die sie schwerlich alleine tragen können. Es ist nicht die Schuld eines umsichtigen und seine Aufgaben erfüllenden IT-Chefs, wenn sein Unternehmen sich übermütig in nicht mehr beherrschbare Innovationsabenteuer stürzt oder in einer verkrusteten Legacy-Struktur verharrend seine Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. Zumindest dann nicht, wenn die strategischen Entscheider Eigen- und Partikularinteressen über das Wohl des Gesamtunternehmens stellen, bei nötigen Investitionen knausern oder andere Böcke schießen. Und davon entdecken die Analysten einige.
Erfolgskritisch ist laut Studie, dass ein "empfindlicher Balance-Akt" gelingt. Widerstreitende Interessen in einem Dreieck aus User-Präferenzen und -Wünschen, aus den Anforderungen an IT-Delivery und -Betrieb sowie aus den Kerninteressen der Business-Seite seien auszutarieren.
"Business- und User-Interessen nicht immer sind"
"Ein häufig übersehenes Prinzip besteht darin, dass Business- und User-Interessen nicht immer gleich sind", heißt es in der Studie. Deshalb müssten sie vom Entscheidungsprozess abgekoppelt werden. "Wichtig ist außerdem die Erkenntnis, dass von den Usern oft als zu restriktiv kritisierte IT-Richtlinien üblicherweise direkt in geschäftlichen Anforderungen wurzeln, die mit Kosten und Risiken zu tun haben", so die Autoren weiter.
In der Pflicht zur Herstellung eines funktionsfähigen und deshalb nicht Frust auslösenden Zustandes steht alles in allem die Business-Seite als Ganzes. Um Missverständnissen vorzubeugen: Freeform Dynamics streitet nicht ab, dass Probleme auch aus dem Übereifer von Usern oder von einer restriktiven IT-Abteilung resultieren können. Gleichwohl sei die Abwälzung der Verantwortung auf die IT ein Fehler. "Ein Ergebnis im Sinne des Business kann nur erreicht werden, wenn Top-Manager die Verantwortlichkeit für End User Computing als geschäftliche Frage übernehmen", schreiben die Analysten.
Egoistische Manager verschlimmern die Lage
"Aber allzu oft verschlimmern die Spitzenmanager die Situation", führt Freeform Dynamics weiter aus. In Teilen offenbare sich sogar "schizophrenes" Verhalten: Die IT-Abteilungen werden einerseits zu einem besseren Management von Kosten und Risiken verdonnert, was andererseits sogleich wieder ausgehebelt wird. Und zwar, indem Führungskräfte für sich Ausnahmen von den allgemeinen IT-Regeln einfordern, um ihre technologischen Vorlieben ausleben zu können. "Wenn die Mitarbeiter den Chef mit einem ans Firmennetzwerk angeschlossenen iPadiPad hantieren sehen, reagieren sie natürlich sauer, wenn ihnen selbst das verboten ist", kommentieren die Studienautoren. Alles zu iPad auf CIO.de
Zum noch größeren Problem wird derlei laut Freeform Dynamics, wenn Manager auf Druck von Mitarbeitern oder Fachabteilungen Schleichwege an den IT-Richtlinien und -Prozessen vorbei freischaufeln. Ein paradoxes Ergebnis der Befragung: Ein Drittel der Manager verortet die Security-Verantwortlichkeit selbst dann noch bei der IT, wenn dieser die Kontrolle der benutzten Endgeräte effektiv längst entzogen wurde. "Viele andere empfinden eine gefährliche Form von Ungewissheit über die Verantwortung für Sicherheit, ComplianceCompliance und Support, wenn die IT keine Kontrolle mehr ausübt", heißt es weiter in der Studie. Alles zu Compliance auf CIO.de
Freeform Dynamics betont außerdem, dass einer notorischen Neinsager-Mentalität der IT zwar Einhalt geboten werden müsse. Der Widerstand der Technologie-Experten resultiere in der Praxis aber häufig aus Bedenken, eine noch größere Diversität nicht handhaben zu können. Und dieses Gefühl wiederum könne ein Indikator dafür sein, dass die vorhandenen Systeme und Tools zu limitiert für die aktuellen Anforderungen geworden sind. Für ausreichend in diesem Sinne halten ihre derzeitigen Ressourcen nicht einmal ein Drittel der Befragten.
IT braucht Durchsetzungsstärke
Der Adressat all dieser Botschaften ist offensichtlich das Business, nicht die IT. Nur von ganz oben lassen sich die angesprochenen Schieflagen korrigieren. Gleichwohl hat Freeform Dynamics selbstverständlich auch Ratschläge an die CIOs parat. Man kann sich leicht vorstellen, worum diese kreisen: Die IT hat vor dem skizzierten Hintergrund wenig andere Optionen, als sich um Bewusstseinsbildung im gesamten Unternehmen zu bemühen.
Es sei gewiss nicht schön, in einer überlasteten und unterfinanzierten Abteilung tätig zu sein, so die Analysten. Gewiss herrsche am Markt kein Mangel an Technologien, die die Probleme lösen können; aber möglicherweise fehle es an Zeit, Geld und Anstrengungen, um die richtigen Lösungen zu implementieren. Widerborstigkeit bis die Situation eskaliere, sei da nicht der richtige Ausweg, so Freeform Dynamics.
Kein IT-Problem, sondern ein Business-Problem
"Die Diskussion muss dahingehend umgepolt werden, dass kein IT-Problem, sondern ein Business-Problem im Mittelpunkt steht", schreiben die Autoren. Das setze unter anderem voraus, dass Top-Manager darüber unterrichtet werden, dass es bei allem nicht um die Aufklärung einer bornierten IT geht, sondern dass Investitionen zu tätigen seien. "User, Manager und Experten malen fortlaufend das Bild von IT-Profis als Miesmacher, die der Freiheit und dem Fortschritt im Wege stehen", so Freeform Dynamics. "Es wäre besser, das nicht zuzulassen, sondern politischer und durchsetzungsstärker zu werden."