Mentale Gesundheit
3 Tipps für mentale Stärke im Homeoffice
Anne Henchen ist Diplom-Psychologin und als Psychotherapeutin Expertin für mentale Gesundheit in Tübingen.
Nicht erst seit Corona verändert das digitale Arbeiten unseren Berufsalltag. Wir sind "always on", müssen mit deutlich mehr Arbeitsbelastung umgehen. Bei zusätzlicher Betreuung von Kindern, Homeschooling oder sonstigen Einschränkungen durch mal mehr oder weniger Lockdown erfordert unsere (Berufs-)Alltagsgestaltung ein ganz anderes Maß an Flexibilität und Organisation von uns. Einige Unternehmen wie SAPSAP und LinkedinLinkedin haben diese Sonderbelastung erkannt und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unlängst einen "Mental Health Day" geschenkt - also einen zusätzlichen freien bezahlten Urlaubstag. Alles zu LinkedIn auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de
Psychische Erkrankungen wie etwa "BurnoutBurnout" haben sich zu einem globalen Problem entwickelt. In einer internationalen Befragung des Harvard Business Review zum Einfluss der Pandemie auf den Arbeitsalltag gaben 89 Prozent der Befragten an, dass sich ihr Arbeitsleben verschlechtert habe. Insgesamt 85 Prozent beschreiben eine Abnahme ihres Wohlbefindens. Alles zu Burnout auf CIO.de
Schreckgespenst Berufsunfähigkeit
Auch in Deutschland sehen wir eine stetige Zunahme. Das zeigt sich vor allem in den jährlichen Erhebungen des statistischen Bundesamtes oder der Versicherungen zum Thema Berufsunfähigkeit. Mittlerweile wird jede dritte Person berufsunfähig aufgrund von Depressionen, Burnout oder anderen psychischen Ursachen.
Mit rund 30 Prozent sind psychische Erkrankungen damit mittlerweile fast seit zehn Jahren auf Platz eins der häufigsten Gründe für Berufsunfähigkeit - vor den Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates (rund 21 Prozent), Krebs oder anderer bösartiger Geschwüre (17 Prozent), Unfälle im Arbeitsleben (knapp acht Prozent) sowie Herz- und Gefäßerkrankungen (sieben Prozent).
- Kein Privatleben
Wer kein Leben außerhalb des Büros hat, misst dem Job eine übertriebene Bedeutung zu. - Immer erreichbar
Auch im Urlaub Mails lesen? Wer sich erholen will, räumt den Job mal für zwei Wochen ganz raus aus dem Kopf. Der Chef will Sie erreichen können? Geben Sie ihm ("Für den äußersten Notfall") die Handynummer ihrer Frau. Er wird nicht anrufen ... - Nicht schlafen
Gesunder Schlaf ist der Schlüssel zu Wohlbefinden, Ausgeglichenheit und guter Arbeit. Wer mehr als eine Woche am Stück keine Ruhe findet, sollte sich helfen lassen. - Tschaka, Tschaka!
Seit dem letzten Motivationsseminar sind Sie mehr denn je davon überzeugt, dass Sie IMMER ALLES schaffen können. Sie sind auf dem richtigen Weg. Zum Burnout. - Nie gestresst wirken wollen
Sicher, ausrasten ist nicht gut. Aber sicher gesünder, als ständig entspannt wirken zu wollen, obwohl Sie keine Nacht mehr ruhig schlafen können. - Zu wenig Bewegung
Nehmen Sie sich nicht vor, dreimal pro Woche joggen zu gehen. Nehmen Sie sich gar nichts vor, und tun Sie es stattdessen einfach ab und zu. - Die Probleme lange ignorieren
Alle wollen wir leistungsfähig sein. Schaffen wir das nicht mehr, bezeichnen wir das meist als temporäres Problem, das von selbst wieder verschwindet. Das wird es nicht. - Immer ja sagen
"Müller, Sie schaffen das doch bestimmt bis Freitag, die Präsentation für den Kunden xy noch dazwischenzuschieben?" Versuchen Sie es bei solchen Ansagen einfach mal mit einem schlichten Nein. Spätestens beim dritten Mal wundern Sie sich, wie leicht das geht.
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Betroffene laut einer aktuellen Umfrage des Verbands für psychologische Psychotherapeuten durchschnittlich sechs Monate auf einen Therapieplatz warten müssen. Damit sind langwierige Arbeitsausfälle programmiert.
Was können Unternehmen tun?
Dass Unternehmen die Notwendigkeit von Mental Health erkennen, ist ein erster wichtiger Schritt. Es braucht aber viel mehr - nämlich nachhaltige Konzepte. Mentale Gesundheit muss eine etablierte Säule im Unternehmenskontext werden. Ein Tag allein reicht nicht aus, um Vorurteile und Stigmatisierung von Be- und Überlastung am Arbeitsplatz oder im (Berufs-)Alltag abzubauen. Die Prävention psychischer Erkrankungen und Belastungsfaktoren im (Arbeits-)Alltag muss zum Standard der Unternehmenskultur werden.
Unternehmen müssen zudem die Eigenverantwortung jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters fördern und unterstützen. Wie können Mitarbeiter selbst herausfinden, wie es um sie steht? Eine einfache Übung kann dabei helfen, eine erste Bestandsaufnahme durchzuführen:
Woran merkst du, dass du am Limit bist?
Stell dir folgende Fragen:
Bist du häufig erschöpft und denkst: "Bald kann ich wirklich nicht mehr?"
Versuchst du, es allen Recht zu machen und kommst dabei selber viel zu kurz?
Sendet dir dein Körper Stresssignale, aber deine Erholungsphasen reichen nicht mehr aus?
Wenn du alle Fragen mit "ja" beantworten kannst, solltest du dich mit deiner psychischen Gesundheit beschäftigen. Erlaube dir den Blick auf deine individuellen Belastungsfaktoren. Wo und wann kommst du an deine Grenzen? Wie kannst du deine mentale Gesundheit wieder fördern und dir etwas Gutes tun?
Es müssen nicht immer "große" Dinge sein. Es reicht völlig aus, die Kleinigkeiten im (Berufs-)Alltag wieder für sich selbst zu nutzen.
- 1. Fünf Minuten lang einfach NICHTS machen
Machen Sie doch für fünf Minuten einfach mal NICHTS. Sollte Ihnen dieses nicht gelingen, weil die Gedanken oder das Telefon nicht zur Ruhe kommen, können Sie es mit ... (siehe folgendes Bild) - 2. Wertschätzende Gedanken
... fünf wertschätzenden Gedanken an sich oder Ihre Mitarbeiter versuchen. Notieren Sie ganz spontan, was Ihnen heute gut getan hat, worauf Sie mit Zufriedenheit blicken oder was Ihnen an einem Mitarbeiter Freude bereitet. - 3. Fünf Atemzüge in den Bauch
Oder atmen Sie ruhig und gelassen für fünf Atemzüge tief in den Bauch und entspannen mit jedem Atemzug noch mehr Ihre Gedanken, Muskelgruppen und Ihre Sichtweise auf die Dinge. - 4. Achtsamkeit hoch fünf
Die Achtsamkeitsfünf: Welche 5 schönen und erfüllten Momente fallen mir für heute ein? 5 Takte einatmen, 5 Takte Pause, 5 Takte ausatmen, 5 Takte Pause. Welche Bedürfnisse waren heute erfüllt? Welche nicht? - 5. Mußestunden müssen sein
Ein Blick in den Terminkalender zeigt: Haben Sie pro Woche mindestens fünf Stunden der Muße? Heilige Zeit, in der Sie machen können, was Ihnen wichtig ist und was Sie erfüllt?
3 Tipps für mentale Stärke im Homeoffice
Mache bewusst Pausen. Auch wenn gemeinsame Social Events am Bildschirm die Zugehörigkeit am Arbeitsplatz und das Teamgefühl stärken. Gönne dir ab und zu eine Tasse Kaffee oder Tee abseits vom Homeoffice-Arbeitsplatz. Verlasse den Bildschirm für nur fünf bis zehn Minuten. Nimm deine Tasse Kaffee und genieß sie bei offenem Fenster, auf dem Balkon oder vielleicht sogar dem Garten.
Bewege dich! Steh auf! Stelle deine Wasserflasche vielleicht nicht direkt neben dir am Arbeitsplatz hin, sondern nutze eine entfernte Lagerung als Möglichkeit, in Bewegung zu gehen, die Position zu wechseln und dich bewusst auf den Weg "vom Computer weg" zu machen.
Priorisiere deine Aufgaben. Nicht alles ist gleich wichtig. Nimm dir jeden Morgen - oder auch gern am Ende eines Arbeitstages als Vorbereitung für den nächsten Tag - Zeit, deine anstehenden Aufgaben zu notieren, sie zu priorisieren und dir zu überlegen, wieviel Zeit du dafür benötigen wirst. Plane Zeitpuffer ein, denn es kann immer mal etwas Unerwartetes dazwischen kommen. Wenn möglich, gib unnötige Aufgaben ab. Delegiere!