Bis in die 1960er-Jahre prägte das französische Marcoussis vor allem der Gemüseanbau. Von der Kleinstadt aus belieferten Bauern die Hallen im 32 Kilometer entfernten Paris mit Tomaten und Erdbeeren. Die Nähe zur Hauptstadt schätzt auch das Telekommunikationsunternehmen Alcatel-Lucent, das in Marcoussis im vergangenen Jahr ein gigantisches Rechenzentrum in Betrieb nahm: Acht Gebäude auf 1.700 Quadratmetern beherbergen die zentrale Rechentechnik des Konzerns. Das Grünzeug von vor 50 Jahren gibt es heute in Marcoussis kaum noch. Das Grün-Sein hat nun Alcatel-Lucent übernommen.
Marcoussis: State of the Art
Das Rechenzentrumsprojekt ist ein Musterbeispiel grüner Konsolidierung. Eines, an dem sie alle Gefallen finden: die Umweltbewussten wegen der Schonung von Ressourcen, die Techies wegen des Einsatzes moderner Technologien und die Sparfüchse wegen der enormen Einsparungen. Rund eine Million Dollar will das Telekommunikationsunternehmen in den kommenden fünf Jahren dank Marcoussis sparen. Im selben Zeitraum soll der Stromverbrauch für den IT-Betrieb um 10 422 Megawattstunden schrumpfen.
Die Notwendigkeit für ein neues Rechenzentrum bestand nicht nur, weil den einzelnen Außenstellen der Zugriff auf zentrale Applikationen ermöglicht werden sollte. Erforderlich war die Konsolidierung vor allem wegen der Fusion des französischen Konzerns Alcatel und des US-amerikanischen Konzerns Lucent Technologies.
Prozesse einfach und zentral
Durch sie trafen Ende 2006 zwei völlig unterschiedliche IT-Infrastrukturen aufeinander. "Für die Konsolidierung haben wir unsere Prozesse und Strukturen vereinfacht und zentralisiert", erklärt Jacques Durand, der Leiter des Rechenzentrums in Marcoussis. Im Mai 2006 begannen die Planungen für das neue Rechenzentrum. Durand legte großen Wert auf eine internationale Zusammenarbeit: "Aus allen Ländern waren von Anfang an die IT-Leiter und Verantwortlichen für IT-Core-Applikationen aus den nationalen Teams mit eingebunden."
Bereits vier Monate später, im September 2006, begannen die Bauarbeiten in Marcoussis. Im März 2007 wurde die Anlage fertiggestellt. Ein Blick auf die Zahlen vermittelt ein Gefühl für die Dimenin denen sich dieser Umzug bewegte. In Marcoussis stehen 800 Server. Die Geräte verfügen über 170 Terabyte Speicherplatz und 11 000 Ethernet-Anschlüsse. 176 Geschäftsanwendungen von Alcatel-Lucent nach Marcoussis umzusiedeln war ein gewaltiger logistischer Aufwand. "Eine besondere Herausforderung lag darin, dass unsere 60 000 Kunden nichts von dem Rechenzentrums-Umzug merken durften", so Durand. Das Unternehmen sortierte die Applikationen in einer Rangliste nach ihrer Wichtigkeit und arbeitete sich von den unkritischeren zu den entscheidenden Anwendungen, etwa dem Logistik-Tool Blue Planet.
Die Taktik ging auf: Der Konzern berichtet von wenigen Störungen. Schon ein Ausfall einer Message-Applikation für einige Stunden wäre äußerst kritisch gewesen. "Ich nutze Outlook fast minütlich und habe
nichts von der Umstellung gemerkt“, sagt etwa Michael Linne, Sales Director bei Alcatel-Lucent. Auch heute propagiert Marcoussis eine sehr geringe Ausfallquote des Rechenzentrums - es habe eine Verfügbarkeit
von 99,995 Prozent, heißt es.
Diese hohe Disponibilität ergibt sich aus einem Zusammenspiel zahlreicher moderner Technologien und Vorrichtungen. Bei seinen Vorkehrungen gleicht Marcoussis einem Hochsicherheitstrakt: Ein Doppelzaun,
Videokameras, Feuerschutzsysteme und 24/7-Sicherheitsleute sollen für Sicherheit sorgen. Jedes einzelne der acht Gebäude speist eine zweifache Stromversorgung durch zwei 20 Kilovolt-Antennen. Kommt es zu Unterbrechungen in der Stromversorgung, ist jedes Gebäude 72 Stunden lang in der Lage, sich selbst zu
versorgen. Die Klimasysteme können exakt gesteuert werden und tragen so ihren Teil zu einer höheren Verfügbarkeit der Alcatel-Lucent-Anwendungen bei.
Mit LAN-Switchen sparen
Dass die Ausfallquote in Marcoussis so gering ist, liegt auch an den LAN-Switchen, der Perle unter den Konsolidierungsmaßnahmen des Telekommunikationsunternehmens. "Im Bereich LAN-Switche war das meiste Geld vergraben", weiß Rechenzentrums-Leiter Durand. Heute kostet der Betrieb der LAN-Switche den Konzern 30 Prozent weniger als früher. Billiger sind die Netzwerkkomponenten aus den folgenden Gründen: Sie benötigen ein Drittel weniger Strom, weniger Klimaanlagen und weniger Raum. Besonders der Platz ist eine bedeutende Komponente, denn er ist "das Kostspieligste an einem Rechenzentrum", so Durand.
Dass die umfassende Konsolidierung des Rechenzentrums lohnend ist, bestätigen nicht nur die Erhebungen von Alcatel-Lucent. Analysten von Forrester haben unlängst die Kosten-Nutzen-Rechnung für eine Reihe von Green-IT-Aktivitäten aufgemacht. Das Ergebnis dieses Vergleichs: Seine Rechenzentren zu konsolidieren gilt als der Königsweg unter den grünen Maßnahmen.