BAHN AG

1 Milliarde IT-Budget

03.12.2005 von Horst Ellermann
Davon träumt jeder CIO: Robert Simmeth, Geschäftsführer der DB Telematik und der DB Systems, verfügt über ein IT-Budget von einer Milliarde Euro. Allerdings muss er damit auch das hauseigene Telefon- und Funknetz betreiben – sonst bleiben die Züge stehen.

Der Hüter eines1-Milliarde-Euro-Budgets legt seine Visitenkarte auf den Tisch: „Dienstleistungen – die Bahn“ prangt in schwarz-roten Lettern über „Robert Simmeth, Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Telematik in Eschborn“. „Oh Entschuldigung, wir sind ja in Frankfurt“, sagt er und dreht das Kärtchen schnell um: „Robert Simmeth, Vorsitzender der Geschäftsführung der DB Systems in Frankfurt“ steht auf der Rückseite. Darüber wieder: „Dienstleistungen – die Bahn“. Außer Firmenbezeichnung und Anschrift hat sich nichts geändert. Kein oberflächlicher Betrachter bemerkt das Detail – soll er auch nicht.

Simmeth sieht seine doppelte Geschäftsführerrolle als unternehmerische Herausforderung: „IT und TK sind zwei Seiten derselben Medaille – oder derselben Visitenkarte.“ Inhaltlich arbeiten die Betreiber der Bahn-IT (DB Systems) eng mit den Betreibern der Telefonnetze (DB Telematik) zusammen, was sich auch in der gemeinsamen Geschäftsführung ausdrückt.

Leidvolle Erfahrung ohne TK-Kompetenz

Die Bahn-Holding hat seit ihrem kleinen Ausflug mit der Telematik in den freien Telefonmarkt keinen Zweifel mehr aufkommen lassen, dass IT und Telekommunikation zum Kerngeschäft gehören. „Wir haben da sehr leidvolle Erfahrungen gemacht“, sagt Simmeth, der auf das Outsourcing der TK-Kompetenz von 1997 bis 2002 an Arcor anspielt. Am 1. Juli 2002 hat Bahnvorstand Hartmut Mehdorn das fünfjährige Joint Venture schließlich beendet. 185000 Kilometer Kupferkabel, 7000 Kilometer Glasfaser, 70000 Fernsprecher, 120000 Lautsprecher auf Bahnsteigen und fast 1500 Videoanlagen an Bahnübergängen sind somit wieder da gelandet, wo sie laut Mehdorn und Simmeth auch hingehören: mitten im Konzern. „Wir sind heilfroh, dass wir diesen Weg gegangen sind“, sagt Simmeth.

„Netz heißt für uns Produktion“, erklärt der IT-Manager. „Wir reden nicht nur darüber, wir steuern darüber.“ 33000 Züge rollen täglich durch Deutschland. Sie werden von Bahn über ein eigenes Funknetz gelenkt. „Schon aus Sicherheitsgründen werden wir das nicht mehr rausgeben“, sagt Simmeth, der in diesem Punkt einen Sinneswandel durchlebt hat. Als er im Juni 2004 von Bertelsmann zur Bahn kam, hat er Netze jeder Art für Commodity gehalten: „Das waren für mich die ersten Kandidaten, die ich herausgegeben hätte.“

Berliner Hauptbahnhof im August 2005: Die Bahn investiert in Stahl und Eisen. Hinter den Kulissen spielt Kupfer jedoch eine ebenso wichtige Rolle.
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Mittlerweile setzt er konsequent auf die Stärken der eigenen Telematik-Tochter. Neben dem analogen und dem digitalen Zugfunk betreibt sie ein eigenes Billing-System für die Telefone im Konzern. Außerdem verdienen die 3400 Mitarbeiter rund 40 Millionen Euro jährlich mit Drittkunden, das sind rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes. „In der Systems sind wir nicht so stark im Drittgeschäft“, sagt Simmeth. „Da machen wir nur vier Prozent Umsatz mit Externen.“

Die DB Systems, das ist die andere Seite der Visitenkarte. Durch sie fließen mehr als die Hälfte der gigantischen ITK-Ausgaben. Die Rechenzentren der Systems haben weitaus mehr als kritische Masse. Im Radius von 500 Kilometern rund um Frankfurt könne kein IT-Dienstleister ähnliche „Economies of Scale“ vorweisen, sagt Simmeth. „Ich wüsste jedenfalls nicht, wer mir das billiger machen könnte.” 55000 Arbeitsplätze versorgt die Systems mit IT. SAP und Peoplesoft zusammen mit Microsoft und Notes sind die großen Standardanwendungen. Für Fahrplankonstruktion oder Infosysteme für Reisende gibt es jedoch keine Standards. „Bei aller Bescheidenheit: Da sind wir selbst der Standard“, sagt Simmeth.

„Der spannendste IT-Job Deutschlands”

Im Unternehmen Bahn reden viele IT-Häuptlinge über diesen Standard mit. Zwar trägt außer Simmeth niemand den Titel eines doppelten Geschäftsführers, und niemand sonst ist Boss von insgesamt 5500 IT-Mitarbeitern, aber in jedem Geschäftsfeld gibt es CIOs, die auch noch strategische Funktionen ausüben: Peter Schumann, um einen der einflussreichsten CIOs zu nennen, verantwortet zum Beispiel die IT des milliardenschweren Tochterunternehmens DB Logistics (ehemals Schenker und Stinnes). Oder Hermann Kruse, der als Konzern-CIO aus der Systems kam und nun mit einer eigenen Stabsstelle die IT-Geschicke für den gesamten Konzern koordiniert. „Wir haben aus der Historie heraus noch mehr CIOs als die in den drei großen Ressorts“, sagt Simmeth. Ein Problem sei dies aber noch nie gewesen.

Alle zwei Monate trifft sich das CIO-Board. „Da hat jeder genau eine Stimme – ebenso wie ich“, erzählt Simmeth. Die Kompetenzverteilung sei im Groben wie folgt: „Wir repräsentieren die Plattformstrategie, und die Kunden geben die Applikationen vor.“ Ganz sauber trennen lässt sich das freilich nicht, aber: „Bis heute haben wir hier noch keine nennenswerten Konflikte gehabt“, sagt Simmeth, der seine starken Kunden intensiv in seine Strategie mit einbeziehen muss. Persönlich zieht er sogar einen Lustgewinn aus dieser schwierigen Vermittlerrolle: „Da ich mich so nah am Kerngeschäft bewege, habe ich einen der spannendsten IT- und TK-Job Deutschlands.”

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