Im März dieses Jahres gab sich 1&1-Vorstand Jan Oetjen noch zuversichtlich. Damals sagte er zu den Interviewern des Magazins CHIP: „Wir sind aber guter Dinge, dass wir mit der De-Mail in der zweiten Jahreshälfte in den Massenmarkt starten können." Als möglichen Starttermin für das Endkunden-Geschäft mit der De-Mail nannte er die IFA in Berlin. Doch inzwischen ist die IFA vorbei, und noch immer ist es nicht losgegangen. CIO.de fragte bei 1&1-Vorstand Jan Oetjen nach.
CIO.de: Warum wurde De-Mail bei 1&1 noch nicht akkreditiert, wann wird das erfolgen?
1&1-Vorstand Jan Oetjen: Wir befinden uns noch im Akkreditierungsprozess. Wir können heute nicht zeitlich genau auf den Tag sagen wann es losgeht. Wir gehen aber davon aus, dass wir in den nächsten Monaten unsere Urkunde erhalten.
CIO.de: Wann rechnen Sie intern damit?
Oetjen: Der Prozess dauert zwischen drei und vier Monaten. Wenn das so ist, dann sind wir im vierten Quartal damit durch und können spätestens Ende des Jahres starten.
Aufwändige Akkreditierung
CIO.de: Woran hakt es derzeit?
Oetjen: Es hakt nicht an der technischen Fertigstellung. Damit sind wir fertig. Wir durchlaufen gerade die Stufen der recht aufwändigen Akkreditierung, und dieser Prozess dauert halt einige Monate.
CIO.de: Ist dieser Prozess zu aufwändig gestaltet?
Oetjen: Lassen Sie es mich so sagen: Man hat es nicht zu einfach gemacht, das ist sicher. Aber es ist natürlich wichtig, dass hohe Sicherheitsstandards erfüllt werden. Traditionell möchte man ja gerade in Deutschland besonders genau sein und auch die letzten Risiken ausschließen. Das ist nicht verkehrt. Es geht ja darum, ein System zu schaffen, dass das Vertrauen auch rechtfertigt.
Kosten für die De-Mail
CIO.de: Wie ist der weitere Terminplan?
Oetjen: Die Registrierung ist inzwischen gestartet. Sie können sich also ihre De-Mail-Adresse verbindlich sichern. Wenn sie einen Nachnamen haben, der häufiger vorkommt, würde ich Ihnen raten, sich schnell zu registrieren, da die beliebten Kombinationen schnell weg sind. Wer schon registriert ist, kann seine Daten nun auf Vollregistrierung umstellen und ab sofort werden Termine zur Identifizierung gemacht. Sie können dann einen Termin vereinbaren. Der Identifizierungsservice kommt kostenlos zu Ihnen, fragt nach ihrem Ausweis und schaut, ob sie auch der sind, der sie angeben haben zu sein.
CIO.de: Was kostet die De-Mail bei Ihnen?
Oetjen: Wir stellen eine kostenlose Grundversorgung mit De-Mail sicher. Bei uns hat jeder Nutzer fünf De-Mails im Monat kostenlos. Das sollte mehr als ausreichend sein. Der normale Briefversand, die geschrieben werden, liegt bei maximal zehn Briefen pro Jahr. So haben wir damit den Jahresbedarf um das sechsfache abgedeckt. Ansonsten liegen wir bei 39 Cent pro De-Mail. Bis zum 31. März haben die ersten Kunden auch noch ein Einschreiben im Monat frei, damit sie diese Funktion testen können.
CIO.de: Also der gleiche Preis wie bei der Telekom, aber zwei kostenlose De-Mail mehr im Monat?
Oetjen: Ja. Der Preis pro De-Mail ist ansonsten der gleiche, wobei Web.de und GMX die kundenfreundliche Möglichkeit der Identifizierung zuhause oder am Arbeitsplatz bieten.
Identifizierung von zuhause oder am Arbeitsplatz
CIO.de: Sie nutzen die Telekom-Plattform mit?
Oetjen: Ja, den Backbone nutzen wir gemeinsam. Er ist gesetzlich reglementiert und vorgeschrieben. Wir haben da unsere Client-Lösungen drauf gesetzt. Was bei uns besonders ist: Wir haben mit ID 8 einen Identifizierungsservice für zuhause oder am Arbeitsplatz. Das subventionieren wir, für Nutzer von Web.de und GMX ist der Service an der Haustür oder am Arbeitsplatz kostenlos. Wir haben vierstellige Tests gefahren und sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
CIO.de: Kann man das auch elektronisch machen?
Oetjen: Mit dem neuen Personalausweis geht es sowieso. Wir sind aber auch dabei, ein weiteres elektronisches Verfahren zur Identifizierung aufzusetzen. Hier warten wir noch auf die finale Freigabe, dazu müssen zur Zertifizierung alle Unterlagen vorliegen.
Die Kunden der De-Mail
CIO.de: An wen wendet sich Ihr Angebot?
Oetjen: Die Hauptzielgruppen von Web.de und GMX richten sich natürlich an den Endverbraucher. Wir haben mit 1&1 ein Angebot für kleine und mittelständische Unternehmen. Wir werden mit zunehmender Nutzerzahl aber auch Gateways für Großkunden anbieten.
Die Branchen, denen die größten Kosteneinsparungen winken sind unter anderem die Banken und Versicherungen, die Targobank geht hier voran. Bei den Versicherungen sind es etwa die HUK24 und die Allianz. Hier rechnet sich ein Case sehr schnell. Wenn man für Druck, Konvertierung und Porto von 75 Cent pro Sendung ausgeht, dann hat man selbst bei 39 Cent schon fast die Hälfte an Einsparungen. Dazu kommen noch Einsparungen an Prozesskosten, das kann nochmal ein Zehnfaches davon sein.
"Kritische Masse wird schon schnell erreicht werden"
CIO.de: Was ist, wenn die Verbraucher nicht mitmachen?
Oetjen: Das ist ein wichtiger Treiber in dem Modell, damit es sich für alle Beteiligten rechnet. Das ist klar. Wie schnell es geht, hängt davon ab, wie lange es dauert, bis die kritische Masse zusammen ist. Viele Unternehmen arbeiten an Konzepten, wie sie Kunden incentivieren können, damit die Kunden zu De-Mail wechseln. Bei einer Bank, die jeden Monat einen Brief schicken muss, sind sie mit 75 Cent pro Sendung schnell bei über acht Euro pro Konto, dazu kommen noch Kreditkartenabrechnungen und so weiter. Das sind pro Kunde schnell zwischen 20 und 30 Euro an Kosten pro Kunde. Da kann man sich ausrechnen, was es einer Bank wert sein kann, wenn der Kunde zu De-Mail wechselt.
Wir allein haben schon über eine Million Vorregistrierungen eingesammelt, das lag deutlich über unseren Erwartungen. Die müssen wir erst Mal abarbeiten, aber so wird die kritische Masse wohl schon schnell erreicht werden.
E-Postbrief erfüllt nicht den Rechtsanspruch der De-Mail
CIO.de. Die Deutsche Post hat mit ihrem Produkt derzeit keinen großen Erfolg.
Oetjen: Ja, wenn man sich die Traffic-Statistiken anschaut, dann kommen sie vermutlich auf rund 200.000 Besucher auf ihrer Site, inklusive Registrierung-Traffic. Das findet derzeit mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Was nicht weiter wundert, denn der E-Postbrief erfüllt nicht den Rechtsanspruch der De-Mail und ist nicht so weit verbreitet und nicht kostenlos wie E-Mail. Ein Produkt zwischen E-Mail und De-Mail zu platzieren, hat da wenige Erfolgsaussichten, es ist klar, warum so ein Produkt scheitern muss. Selbst ein Standalone-De-Mail-Produkt wird es schwer haben.
Wir haben einen Demo-Client. Da kann man sich anschauen, wie wir die De-Mail mit der E-Mail bei uns direkt verknüpfen. Sie sehen sofort den Unterordner „De-Mail" und eine Anzeige, ob und wie viele neue Mails im Eingang liegen. Mit einem Klick auf diesen Ordner lassen sich neue De-Mails sofort abrufen. Zuvor ist zur Sicherheit noch eine PIN einzugeben.
Plugin für Outlook kommt 2013
CIO.de: Kann man De-Mail bei Ihnen auch über Outlook abrufen?
Oetjen: Ja, es wird dafür im nächsten Jahr Outlook-Plugins geben.
CIO.de: Planen Sie weitere Dienste wie etwa Bezahlen per De-Mail?
Oetjen: Die Fantasie, was man um diese Produkte herum bauen kann, ist recht groß. Allein das Potenzial, das man hier zum ersten Mal, im ansonsten anonymen Medium, identifizierte Nutzer hat, vereinfacht viele Geschäftsmodelle und Transaktionen. Gerade im E-Commerce-Bereich haben wir es ja vielfach mit Identitätsvortäuschung zu tun. Hier wird es Produkte geben, die sich darum herum ranken. An Zahlungen kann man auch denken, aber es gibt im Internet ja schon zahlreiche digitale Wege dafür.
CIO.de: Was werden Sie an Werbung für De-Mail machen?
Oetjen: Wir setzen dabei sehr stark auf unsere eigenen Portale. Wir haben im deutschen Raum eine Reichweite von über 30 Millionen Nutzern im Monat. Die Nutzer kann man auf dem Weg sehr gut erreichen. Alles Weitere werden wir nach den ersten Launch-Monaten entscheiden.
CIO.de: Sie sehen großes Potenzial im De-Mail-Markt?
Oetjen: Ja, absolut. Denn das Potenzial ist ja nicht nur eine rechtssichere De-Mail zu schaffen, sondern die De-Mail bietet die Möglichkeit, den größten Teil des Briefverkehrs zu digitalisieren. Das scheiterte bisher an den rechtlichen Grundlagen, weil es mit dem Brief keine rechtliche Gleichstellung gab. Es gibt jetzt aber mit dem De-Mail-Gesetz keinen Grund mehr, warum die Information in irgendeiner Weise papiergebunden sein muss.
Das Targeting von Kunden wird besser funktionieren
Die Mehrzahl der über 18 Milliarden Briefe pro Jahr, die heute noch händisch durch Deutschland gekarrt werden, verlässt das Haus ja schon digital. Das macht gesamtwirtschaftlich und ökologisch keinen Sinn. Jetzt liegt es an den Unternehmen, die Digitalisierung des Briefmarktes voran zu treiben.
Und noch etwas: Das Targeting von Kunden wird auf digitalem Weg natürlich viel besser funktionieren als heute. Heute haben sie bei Postwurfsendungen Streuverluste von bis zu 70 Prozent, sie bekommen nie eine Rückmeldung, außer, dass jemand einen „Keine Werbung"-Aufkleber an seinem Briefkasten befestigt.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.