SAP-Potenzial unterschätzt

10 IT-Trends für 2012

31.10.2011 von Werner Kurzlechner
Best-of-Breed sei ziemlich out, meint Nucleus Research. Dafür haben die Analysten SAP wieder in ihrer Prognose auf der Rechnung – anders als noch im Vorjahr.
Leo Apotheker ist seit einiger Zeit nicht mehr SAP-Chef. Deshalb darf man die Walldorfer jetzt wieder als innovativen Faktor ernst nehmen, unken die Analysten von Nucleus.
Foto: SAP AG

Knappe Budgets, die europäische Schuldenkrise und eine schier endlose Haushaltsdebatte in den USA machen Prognosen über IT-Entwicklungen schwierig, aber wichtiger denn je. Das meinen die Analysten von Nucleus Research, die jetzt die ihrer Ansicht nach bestimmenden IT-Trends für 2012 zusammengestellt haben. Cloud on Development, Big Data und Smarter Software zählen dazu.

1. Das produktive Unternehmen: Unter „productive enterprise“ versteht Nucleus die nächste Stufe des „social enterprise“. Als Nachhut von Facebook haben Social Media-Anbieter inzwischen vielerlei Angebote auf den Markt gebracht, die eine gesteigerte Produktivität durch Web 2.0 ermöglichen. Chatter von Salesforce.com etwa verspreche ein durchschnittliches Produktivitätswachstum dank seiner Integrationsmöglichkeiten, so Nucleus. Insofern sei das „social enterprise“ mittlerweile auf einen guten Weg gebracht. Allerdings scheitere die Realisierung der erhofften Effekte daran, dass die Nutzer entweder überhaupt nicht mit den Web 2.0-Applikation arbeiteten oder aber sie für andere Zwecke abseits des Business verwendeten.

Insofern seien die Sorgen vieler Firmen berechtigt. Deshalb werden laut Nucleus 2012 jene Unternehmen besonders erfolgreich sein, denen es tatsächlich gelingt, Social Media auf welche Weise auch immer als Treiber für Collaboration, Work Sharing und produktivere Arbeit einzusetzen. Jene Firmen also, die den Schritt zum produktiveren Unternehmen zu gehen verstehen.

2. Die Cloud verändert das Entwicklerwesen: Anwendungsentwicklung wird dank Cloud Computing schneller und häufiger, so Nucleus. Mit Force.com beispielsweise verliefen Entwicklungen fünfmal so schnell wie nach traditionellem Muster. Anwender können diesen Trend komfortabel nutzen, indem sie via Cloud Computing bei veränderter Geschäftslage die zur neuen Situation besser passenden Lösungen maßschneidern lassen. Dank Crowdsourcing und Social Media spielt es kaum noch eine Rolle, wo die Anwendungsentwickler arbeiten. Nach Einschätzung der Analysten ist das eine echte Herausforderung für klassische Systemintegratoren, die sich nicht länger hinter undurchschaubar abgerechneten Arbeitsstunden und zweifelhaften Großprojekten verstecken könnten.

3. Die Wiederauferstehung von SAP: Nucleus räumt ein, das SAP-Potenzial im vergangenen Jahr unterschätzt zu haben. Aber der Software-Riese aus Walldorf habe es in kürzester Zeit geschafft, reichlich Innovationspotenzial in sein Umfeld zu schaufeln – beispielsweise bei den Zugängen für mobile Endgeräte. Auch das SAP-Angebot BusinessByDesign passe offenbar hervorragend zum Kundenwunsch, Wachstumserwartungen ohne zu hohes Risiko zu realisieren. Finanzielle Kontrollen sollen in den Unternehmen lieber zu früh als zu spät erfolgen, und dem komme BusinessByDesign entgegen. Das Fazit über die derzeitige Doppelspitze formuliert Nucleus in einer Spitze gegen Ex-Chef Leo Apotheker: „Unser Ansicht nach ist Leos Abgang das Beste, was SAP passieren konnte (im Nachhinein stimmt HP dem vermutlich auch zu).“

Innovationsfeld Analytics

4. Big vor Best-of-Breed: Auch eine Folge der fortlaufenden Expansion von IBM und Oracle. Anwender aller Größenordnung kaufen laut Nucleus aktuell lieber zu 80 Prozent integrierte Lösungen von Großanbietern ein, anstatt sich das individuelle Ideal-Software-Gebäude aus dem Best-of-Breed-Baukasten zusammen zu zimmern. Das Wettrennen um die besten Feature-Funktionen sei für die meisten Software-Kategorien zu Ende, urteilen die Analysten. Damit sind aus Anwendersicht Benutzerfreundlichkeit, Integration und niedrige Total Cost of Ownership (TCO) wichtigere Faktoren geworden als der einst gesuchte Funktionsvorteil einer Single-Lösung. Da die großen Anbieter ihr Cloud Computing-Angebot immer mehr ausweiten, werden ihre Angebot nun auch für kleine und mittlere Firmen interessant und erschwinglich.

5. Viele Wege zum Management von „Big Data“:Big Data“, also Analyse-Tools zum Management großer Datenmengen, war nach Einschätzung von Nucleus als Thema „overhyped“. Dennoch strebten viele Anwender danach, mit Hilfe von Analytics klügere Entscheidungen zu treffen. Dabei seien oft schon Visualisierungs-Tools wie Tibco Spotfire eine nützliche Hilfe. Nucleus prophezeit, dass Analyse-Tools bald den Entscheidern vorausdenken können und Teil des Desktop-Toolkits jedes Wissensarbeiters sein werden. Man werde auf diesem Feld weiter Innovationen beobachten können. Und Fusionen und Übernahmen wie IBMs Angriff auf Netezza. Und neue Produkt- und Preismodelle wie Oracles neue Datenbank-Anwendung.

6. Kapital verlagert sich von der Arbeit zur Technologie: IT ermögliche es Firmen, Stellen einzusparen und stattdessen die Produktivität der vorhandenen Mitarbeiter zu steigern, so Nucleus. Außerdem beanspruche Technologie keine Krankheitstage und fordere keine Gehaltserhöhung. Deshalb entscheiden sich Unternehmen im Zweifel für Investitionen in IT und nicht in Personal. US-Firmen planten beispielsweise für 2012 einen Anstieg ihrer Technologieausgaben um 12 Prozent. Die Flexibilität des Cloud Computing verstärke diesen Trend weiter.

7. Die Dekade der Smarter Software: Nach der Ära der zusätzlichen Features und Funktionalitäten ist mittlerweile das Jahrzehnt angebrochen, indem die Software intuitiver, integrierter und selbsterklärender werden soll. Nach Ansicht von Nucleus zahlen sich Investitionen der Anbieter in der kommenden Generation der Enterprise Software allmählich aus: „Wir erwarten mehr intelligente Applikationen, die gesuchte Informationen direkt auf den Bildschirm der Mitarbeiter bringen und einen Anstieg der Usability von Analyse- und Text-Mining-Tools, die bisher eher für Technikfreaks gemacht waren“, so die Analysten. „Und die Beobachtung von Präsenz und Location schafft ebenfalls neue Möglichkeiten in der Enterprise Software.“

8. Arbeit wird endlich optimiert: Die bisherigen Tools fürs Workforce Management haben nach Ansicht von Nucleus die großen Versprechen der Anbieter nicht gehalten. Es seien lediglich auf Basis eingeschränkter Informationen vermeintlich optimale Arbeitszeitpläne erstellt worden. Die neue Generation von Anbietern wie Dayforce und Kaba kombiniere nun Analytics mit der Auswertung von Datensammlungen. Entscheider können damit mit Informationen darüber versorgt werden, welche Mitarbeiter am produktivsten sind, immer pünktlich zur Arbeit kommen, keinen Ausschuss anfertigen und die meisten Produkte verkaufen.

Neue Impulse im Healthcare-Segment

9. Healthcare-Investitionen: Anreize der Politik zur elektronischen Speicherung von Patienten werden laut Nucleus dazu führen, dass die Investitionen von Ärzten und Krankenhäusern in Geräte und Anwendungen in die Höhe schnellen. Günstige und sichere Cloud-Applikationen seien auch hier als weiterer Treiber zu sehen.

10. Erneuerter Fokus aufs Kundenerlebnis: CRM und verwandte Anwendungen feiern eine Art Comeback, meinen die Analysten. Viele Firmen hätten die Wichtigkeit von Kundenkontakten erkannt – über das Momentum einer Facebook-Freundschaft hinaus. „Wir erwarten mehr Investitionen in Analytics, Aktivitäts-Monitoring und Big Data Crunching, weil Firmen die perfekte Mischung aus gezielter Ansprache, emotionalem Anpacken und bester Behandlung der Kunden finden wollen“, so Nucleus. Als flankierende Maßnahmen zur Vertrauensbildung seien dabei Anstrengungen bei Security und Identitätsmanagement nötig.