Unternehmen sollten in diesem Jahr vom Experimentieren zur Entwicklung von Business Cases und Strategien übergehen, wenn sie die Chancen der mobilen Kommunikation nutzen wollen. Und sie sollten sich dabei darauf einstellen, dass die Herausforderungen eines fragmentierten Mobility-Marktes weiter bestehen werden. So lautet die Quintessenz einer aktuellen Trendanalyse von Forrester Research.
Zehn mobile Trends identifizieren die Analysten für 2011. Vorneweg gönnen sie allerdings eine Rückschau auf die eigenen Prognosen von vor einem Jahr und benoten sich selbst: insgesamt mit einer Zwei plus. Bei den technologischen Entwicklungen hätten sie ziemlich richtig gelegen, attestieren sich die Autoren Thomas Husson und Julie A. Ask. Allerdings hätten sie höhere Ausgaben für mobile Strategien erwartet, als die Firmen sie 2010 tatsächlich tätigten.
Zwar gäben Firmen mittlerweile Millionensummen für Mobility aus, die vor zwei Jahren dafür noch gar kein Budget hatten, und die Investitionen alleine ins mobile Marketing seien dramatisch in die Höhe geschnellt. Dennoch nehmen nach Einschätzung von Forrester die Firmen noch nicht genug Geld in die Hand für den allgegenwärtigsten digitalen Kanal überhaupt. Forresters Schlüsseltrends für dieses Jahr lauten:
1. Boom der Kombination "mobile/social/local": Explosionsartig werde in diesem Jahr die Nutzung dieser umfassenden Kombination ansteigen, erwartet Forrester: via Smartphone überall in sozialen Netzwerken unterwegs sein und den aktuellen Standort durchgeben. Es geht um Geodienste wie Places von Facebook beispielsweise. Ortsgebundene Web 2.0-Funktionen, die mobil abrufbar sind, werden immer mehr – und mit ihnen die Werbeaktivitäten und Kampagnen. Laut Forrester wird sich 2011 in diesem Feld jede Menge tun. Mit einem Wermutstropfen für Anbieter und Werber: Nennenswerte Erträge ließen sich auf diesem Wege vorerst nicht erzielen, so Husson und Ask.
2. Das Jahr des tumben Smartphone-Nutzers: Smartphones werden immer günstiger, und immer mehr Menschen nehmen dieses Angebot an. Immer mehr Käufer also, was seine Folgen zeitigt. Die Neunutzer werden laut Forrester Research nicht mehr so aktiv, euphorisch und versiert sein wie die Android- und iPhone-Käufer der ersten Stunde. Im Durchschnitt werden pro Kopf weniger Apps heruntergeladen werden als bisher. Ein derartiges Abflauen in der Masse stelle die Anbieter auch in der Preispolitik vor Probleme, meint Forrester. Allerdings habe auch die „Erziehung“ der Anwender ihre Wirkung. Selbst der tumbste Smartphone-Nutzer werde mehr mobile Medien und Daten nutzen als je zuvor.
Apps und mobiles Internet
3. Die Fragmentierung bleibt: Android wird laut Forrester weiter Land gewinnen, Symbian in Europa präsent bleiben. Alles in allem gibt es aber mittlerweile eine Reihe von Betriebssystem in jeweils eine Vielzahl von Versionen, ganz zu schweigen von der bunten Palette an Endgeräten. Die Unübersichtlichkeit und zum Teil fehlende Kompatibilität werde bleiben, so Forrester. Erfolge in der Entwicklung von Apps über Plattform-Grenzen hinweg scheinen noch in weiter Ferne.
4. Apps oder mobiles Internet – das ist die Frage: Der Glaubenskrieg geht weiter. Und bleibt völlig irrelevant, meinen Husson und Ask. Wer Finanz- oder Maklerdienst mobil in Anspruch nehmen wolle, bevorzuge womöglich in diesem Feld bewährte Apps. Gelegenheitsnutzer suchen wahrscheinlich lieber über mobiles Internet. Mobile Produkt- und Service-Anbieter könnten von den hohen Kosten eigener App-Entwicklung und -Wartung sowie der begrenzten Reichweite der Plattformen von Apple und Android genervt sein und ins Web flüchten, mutmaßt Forrester. Beim mobilen Browsing seien immerhin Fortschritte zu verzeichnen. Letztlich werden sowohl Apps als auch mobiles Internet ihren Platz in der digitalen Mobilwelt behaupten.
5. Mobiles Marketing knackt Milliardenmarke: Die Verbraucher geben mittlerweile Milliarden US-Dollar via Mobiltelefon aus. Deshalb fällt in diesem Jahr nach Forrester-Prognose die Milliardengrenze auch bei den Ausgaben für mobiles Marketing. Den Unternehmen werde es auch gelingen, die wachsende Menge an mobilen Kunden zielgenauer anzusprechen, und zwar mit einer größeren Vielfalt an Medienformaten, beispielsweise Videos.
6. Interaktion mit der physischen Umwelt: Längst könne Technologie die Kluft zwischen realer und digitaler Welt überbrücken, so Forrester. 2011 werde nun das Jahr sein, in dem Near Field Communication (NFC) eine Rolle von Rang zu spielen beginne. NFC ist ein Übertragungsstandard für den drahtlosen Austausch von Daten über kurze Strecken. So soll NFC die Übertragung von Daten zwischen verschiedene Geräten ermöglichen, die nahe aneinander gehalten werden.
Bereits 2002 wurde dieser Übertragungsstandard von Sony und NXP Semiconductors definiert. Jetzt sei die Testphase in wenigen Regionen vorbei. Allerdings verhinderten mangelnde Verbrauchernachfrage und das Geschäftsmodell noch einen echten Take-off. Das gilt auch für andere Technologien, die die Interaktion mit der näheren Umwelt via Handy ermöglichen. Dieser Markt wird laut Forrester vorerst eine Nische bleiben, aber auch ein willkommenes Experimentierfeld etwa für Google.
7. Übertrieben hohe Aufmerksamkeit für 4G: Die nächste und vierte Generation in Mobilfunk wächst heran. Ende 2010 etwa brachte Verizon 4G in den USA auf den Markt, NTT Docomo folgte mit LTE in Japan. „Es wird jede Menge Bohai über diese Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetzwerke geben, die ein Tempo bis zu 20 Megabit pro Sekunde anbieten“, schreibt Forrester. „Aber wir empfehlen, diesen Hype zu ignorieren.“ Der Grund: In der dritten Generation kamen die Pionierprojekte in Europa und den USA schon 2003 auf den Markt, wo aber erst nach sieben Jahren die Hälfte der Handyverträge über diese Netzwerke lief. Ein Generationswechsel braucht eben seine Zeit.
Mehr Bezahlangebote und Spiele
8. Zuerst Servicequalität, dann Akquise: Firmen, die auf mobile Angebote setzen, wollen in diesem Jahr primär mit größerer Nutzerfreundlichkeit punkten. Produkt- und Service-Profis, etwa aus der Reisebranche, werden laut Forrester mit dem Ziel investieren, ihre lukrativen Kunden glücklich zu machen. Die Frage einer größeren Profitabilität etwa durch Kostensenkung werde erst einmal umschifft im Vertrauen auf weiter steigende Nachfrage. In jedem Fall scheint Pflege des Kundenstamms erst einmal wichtiger als die Gewinnung von Neukunden.
9. Spiele bringen den Profit: Anbieter von Inhalten werden verstärkt darauf setzen, Spiele fürs Smartphone zu entwickeln. Nach Erfolgen auf dem Massenmarkt wie Angry Birds erscheinen Apps zum Zocken für Zwischendurch als lukrative Angelegenheit. Im Segment Premium-Inhalte erwartet Forrester neue Geschäftsmodelle auf Abonnementbasis.
10. „Mobile“ heißt mehr als Mobiltelefone: Der Mobility-Trend umfasst schon jetzt nicht alleine Handys und Smartphones. 2010 boomte auch das Geschäft mit Tablets wie dem iPad von Apple. Hinzu kommen die Verkäufe weiterer Endgeräte wie eReaders oder Netbooks. Weil diese Vielfalt nach Ansicht Forresters weiter wachsen wird, müssen mobile Apps und Services so konzipiert werden, dass sie auf jedem mobilen Gerät laufen. Trotz alledem: Nur Mobiltelefone passten in jede Tasche, verkauften sich hundertmillionenfach und bescherten ihren Nutzern umfassende Konnektivität, so Forrester.
Die Studie „2011 Mobile Trends“ ist bei Forrester Research erhältlich.