Normalerweise hat ja IT wenig bis nichts mit Glaubensfragen zu tun. Deshalb ist es eine spannende These, dass das ausgerechnet beim Thema Enterprise-Architektur anders sein soll.
Aufgestellt hat sie Jürgen Laartz, Direktor der McKinsey-Niederlassung in Berlin, gemeinsam mit seinem Kollegen Oliver Bossert aus Frankfurt.
Auffallend wenig Konsens zwischen IT-Managern
Gehe es um die richtige Enterprise-Architektur, dann gebe es auffallend wenig Konsens zwischen IT-Managern unterschiedlicher Unternehmen und Branchen, schreiben die beiden in ihrem Papier "Ten practical ideas for organizing and managing your enterprise architecture."
Zitat: "Bei unserer Arbeit mit großen globalen Organisationen und im Dialog mit IT-Verantwortlichen haben wir viele verschiedene Anekdoten gehört, die den Glauben an die Qualitäten der eigenen Architektur stützen sollen."
Will sagen: Jeder IT-Manager hat seine eigene Meinung darüber, was eine optimale IT-Architektur ist und wie man am besten dazu kommt.
Empirische Untersuchungen gibt es nicht
Um das herauszufinden, fokussieren sich einige Unternehmen nach Ansicht der McKinsey-Autoren auf quantitative Vergleiche mit Hilfe von Performance-Messungen. Andere beschäftigen sich mit der Frage, wie gut die Gesamt-Architektur die Bedürfnisse einzelner Business-Units erfüllen kann. Und eine dritte Gruppe ist davon überzeugt, dass gute IT-Governance nur entstehen kann, wenn das Team funktioniert und wenn IT und Business optimal kooperieren.
Stellt sich natürlich die Frage, worauf es am Ende ankommt. Empirische Untersuchungen, die Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Ansätzen herstellen und sie bewerten, gebe es bisher nicht, sagen Laartz und Bossert.
Um diese Lücke mittelfristig zu füllen, läuft gerade eine Befragung unter IT-Verantwortlichen und -Managern, die McKinsey gemeinsam mit der englischen Henley Business School durchführt. Ziel ist es, einen faktenbasierten Leitfaden für gute EA-Governance zu entwickeln.
10 Prinzipien für den Aufbau einer Enterprise-Architektur
Im Vorwege dieses Surveys haben Oliver Bossert und Jürgen Laartz - ohne den Anspruch, etwas empirisch Wasserdichtes zu liefern - 10 Prinzipien zusammengetragen, die nach ihren Erfahrungen mit guten Ergebnissen beim Aufbau einer Enterprise-Architektur korrelieren.
Wer sich an möglichst viele dieser Prinzipien halte, wobei sich nicht alle für jedes Unternehmen eignen, der erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass seine Enterprise-Architektur zeitgemäß ist und dem eigenen Business optimal dient.
Erstens: Die Enterprise-Architektur muss zu den übrigen Strukturen des Unternehmens passen.
Bei einem Unternehmen, das mit E-Commerce sein Geld verdient, muss die Architektur natürlich vor allem auf Digitalisierung setzen. Und weil sich Strukturen, die dem Onlinehandel optimal dienen, ebenso gut für den stationären Handel eignen - aber nicht umgekehrt - ist nach Ansicht der beiden McKinsey-Berater eine zentralisierte IT für dieses Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit die beste Option.
Zweitens: Es sollte unstrittig und für alle Beteiligten klar sein, wer am Ende Entscheidungen bezüglich der Enterprise-Architektur trifft.
Wenn solche Entscheidungen anstehen, gibt es in der Regel eine ganze Reihe von Teammeetings. Das ist zwar nützlich, findet McKinsey, um alle Standpunkte und Notwendigkeiten sichtbar zu machen, ebenso wichtig sei es aber auch, zu wissen, wer am Ende den Hut aufhat. Unkontrolliertes Fingerpointing im Falle von Problemen und Unstimmigkeiten ließe sich dann vermeiden, wenn schon zu Beginn klar ist, wer am Ende zum Beispiel über technologische Standards entscheidet.
Drittens: Die EA-Verantwortlichen sollten eng sowohl mit der IT-Organisation als auch mit den Business Units zusammenarbeiten.
Technische Entscheidungen planen und umsetzen zu müssen, führe zwangsläufig zu einer gewissen Einsamkeit, weil es dabei immer (auch) um Kriterien gehe, die Nichttechniker nicht nachvollziehen können. Dennoch muss das Business später mit dem Entwickelten arbeiten und die IT-Abteilung den notwendigen Support leisten. Gelingen könne das nur, wenn die Kommunikation über das Gewollte und das Notwendige so früh wie möglich in diesem Prozess einsetzt.
EA-Verantwortliche brauchen Freiheiten
Viertens: EA-Verantwortliche sollten strategische und operative Aufgaben trennen.
Wichtig ist nach Ansicht von McKinsey an dieser Stelle, dass die EA-Abteilung die strategische Arbeit nicht dadurch aus dem Auge verliert, dass sie sich zu sehr in der Alltagsarbeit verheddert.
Fünftens: Das Unternehmen sollte Enterprise-Architekten mit weitreichenden Rechten und Befugnissen ausstatten.
Nach Ansicht von Jürgen Laartz und Oliver Bossert von McKinsey wäre es ein Fehler, ließe eine Company von der EA-Abteilung zwar wohlklingende Visionen entwickeln, gäbe ihr aber weder die Kompetenzen noch das Budget, um als wichtig erachtete Entscheidungen auch umzusetzen. Darunter würde das Image der ganzen EA-Abteilung leiden.
Sechstens: Die EA-Verantwortlichen sollten zwar den Überblick über das große Ganze behalten und Entscheidungen treffen, für die praktische Umsetzung einzelner Elemente sollte aber jeweils genau eine Abteilung verantwortlich sein.
Damit lässt sich die Gefahr vermeiden, dass sich innerhalb des Unternehmens unterschiedliche Verfahren für ein und dieselbe Aufgabe entwickeln, dass zum Beispiel zwei Abteilungen unterschiedliche Methoden für die Angebotserstellung nutzen.
Siebtens: Jedes Unternehmen sollte die Effekte der Enterprise-Architektur auf das Business genau analysieren und messen.
Weil sich EA-Abteilungen mit so vielen unterschiedlichen Themen beschäftigen und viele lose Enden zusammenfügen, lassen sich die Effekte ihrer Arbeit nicht leicht quantifizieren. Um sie dennoch sichtbar zu machen, sollte man sich auf Key Performance-Indikatoren verständigen, die an den übergeordneten Zielen des Unternehmens orientiert sind. Auf diese Weise wird sichtbar, welche Maßnahme welchen Beitrag geleistet hat.
Keep it stupid and simple
Achtens: Die EA-Abteilung muss die Dinge so einfach wie möglich halten.
Wie bereits beschrieben, ist die Arbeit dieser Abteilung komplex und gelegentlich für andere im Unternehmen schwer durchschaubar. Durch das Etablieren klarer Verantwortlichkeiten, und schlanker Prozesse werden die EA-Macher im Unternehmen als Unterstützung wahrgenommen und nicht als Verhinderer. Allerdings, so die McKinsey-Autoren der Analyse, müssen die Enterprise-Architekten auch selbst was zu dieser Wahrnehmung beitragen. Oftmals agierten sie zu introvertiert, kommunizierten beispielsweise mehr mit externen Zulieferern als mit den eigenen Leuten.
Neuntens: Unternehmen sollten nur ein einziges Werkzeug zur Steuerung der Elemente ihrer Enterprise-Architektur einsetzen.
Nur mit solcher Einheitlichkeit sei es möglich, die Vielzahl von denkbaren Elementen zu überblicken und darzustellen.
Zehntens: Unternehmen müssen in fähige Enterprise-Architekten investieren.
Kandidaten - oder Kandidatinnen - zu finden, die sowohl über strategische als auch über technische Fähigkeiten verfügen und zudem unterschiedliche Lösungen orchestrieren können, ist nicht leicht. Geeignet sind - sagt jedenfalls McKinsey - weniger Spezialisten wie etwa Top-Programmierer, sondern intelligente Generalisten, die alle für den Job notwendige Themen schon bei ihren Einstieg zumindest ansatzweise verstehen.
Aufruf zum Mitmachen
Wie diese Faktoren aufeinander wirken und wie Unternehmen sie gewichten sollten, darüber soll auch das eingangs beschriebene Survey Auskunft geben.
Nicht nur CIOs, sondern auch andere Verantwortliche in Unternehmen sind aufgefordert, sich daran zu beteiligen. Wie das geht, steht auf dieser Seite.