"Ich wette, dass in zehn Jahren ständig 1.000 Computer für Sie arbeiten. Die Rechner sind zwar omnipräsent, werden aber zunehmend unsichtbar. Die Balance zwischen Privatsphäre und Nutzwert wird jedoch zu einer entscheidenden Herausforderung."
Noch vor 50 Jahren kam statistisch ein einziger Computer auf 1.000 Menschen. Dieses Verhältnis wird sich bis zum Ende dieser Dekade komplett umgedreht haben. Künftig wird ein Mensch also auf Schritt und Tritt von mindestens 1.000 Rechnern mit unterschiedlichsten Funktionen umgeben sein. Die Dynamik der weiteren Entwicklung ist schon jetzt ablesbar: Laptops, Tablets und Smartphones gehören zu unseren täglichen Begleitern - Tendenz rapide steigend. Laut einer IDC-Analyse schnellten die Smartphone-Verkäufe im Vorjahr um 87 Prozent nach oben. Mit einer Stückzahl von 101 Millionen Smartphones (The Futures Report 2011, S.35) haben die internetfähigen Mobiltelefone die Zahl der verkauften PCs (94 Millionen Stück) inzwischen sogar überholt.
Der Siegeszug der Computer bleibt aber beim Trend zur Mobilität nicht stehen. Gleichzeitig nimmt die Miniaturisierung immer weiter zu. Die bekannten Geräte von heute verschwinden schrittweise aus unserem Gesichtsfeld, und die Rechenleistung wird in alle erdenklichen Gegenstände des täglichen Gebrauchs integriert. Beispiel Automobil: Schon heute werden die diversen elektronischen Helferlein wie beispielsweise Navigations- und Parkassistenzsysteme oder Fahrwerkssteuerungen gar nicht mehr als "Computer" wahrgenommen, sondern sie sind Ausstattungsmerkmale wie Schiebedach oder Standheizung.
Aber auch bei Kleidung, Haushaltsgeräten oder der Haustechnik geht die Integration der unsichtbaren Computer immer weiter. Im privaten Bereich sind Anwendungen, mit denen beispielsweise die Klimatisierung eines Hauses samt Öffnen und Schließen der Fenster, Rollos und Markisen über elektronisch erfasste Wetterdaten automatisch erfolgt, heute noch die Ausnahme. Die im Zuge des Ausstiegs aus der Atomkraft gerade beschlossene Energiewende wird aber definitiv als Treiber für den Einsatz grüner Steuerungstechnik wirken: Energieeffizienz ist eine der größten Energiequellen der Zukunft, und sie kann nur durch intelligente Technik erreicht werden.
Aber noch wichtiger als die Größe und Anzahl der Rechner werden ihre Vernetzung und Kommunikation untereinander. Heute zwingen "autistische" Systeme den Anwender, Informationen isoliert und damit oft redundant zu erfassen und zu verarbeiten. Künftig wird ein engmaschiges Rechnernetzwerk geknüpft, das sich selbst organisiert und über intelligente Agenten Informationen und Ereignisse austauscht, verarbeitet und kommuniziert.
Mikrowelle mit Fernseher schon ein Fossil
Microsoft-Gründer Bill Gates gewährt in seinem Haus mit verbauten Smart Objects schon seit Jahren einen Blick in die Zukunft, was auch in unseren eigenen vier Wänden bald möglich sein wird. So wird jeder Besucher der Gates-Familie am Lake Washington mit einem Anstecker ausgestattet, der etwa dafür sorgt, dass in den persönlichen Räumen des Gastes dessen Lieblingsmusik erklingt und die an den Wänden installierten Flachbildschirme seinen Wünschen entsprechende Kunstwerke abbilden. Selbstverständlich werden auch Lichtstärke und Raumtemperatur automatisch den individuellen Bedürfnissen angepasst. Die vor vier Jahren auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin präsentierte legendäre Mikrowelle, die gleichzeitig auch ein Fernseher war, nimmt sich angesichts solcher Möglichkeiten schon fast wie ein Fossil aus. Und dass der Anstecker, den die Besucher tragen müssen, durch ein optisches Personenerkennungssystem ersetzt wird, versteht sich von selbst.
Ein echter Zukunftsmarkt sind als Haushaltshilfen agierende Roboter, die sich dank sinkender Preise anschicken, den Sprung von der Science Fiction in die Wohnzimmer auch weniger betuchter Menschen zu schaffen. Schon in diesem Jahr wird der Verkauf von weltweit 11,5 Millionen Haushaltsrobotern erwartet, was eine Verdoppelung des Absatzes innerhalb der vergangenen drei Jahre bedeutet. Vor allem in Fernost sind Roboter, die den Teppich saugen, den Rasen mähen oder sich um die Kurzweil von Kindern und Haustieren verdient machen, sehr beliebt. Südkorea hat sich ganz offiziell zum Ziel gesetzt, dass bis 2020 in jedem Haushalt mindestens ein Roboter seinen Dienst verrichtet.
Eine weitere Dimension bekommen solche Szenarien durch das neue Internetprotokoll der sechsten Generation. So stehen künftig 340 Sextillionen IP-Adressen zur Verfügung (als Zahl: 340.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000). Damit kann jeder in Robotern, Kühlschränken oder Klimaanlagen integrierte Kleinstrechner künftig nicht nur selbst online gehen, sondern auch dank einer global eindeutigen IP-Adresse ohne Probleme aus dem Internet kontaktiert werden.
Schon bedrohliche Züge der Veränderungen
Damit nimmt das Ausmaß der Veränderungen schon sehr beeindruckende, vielleicht sogar bedrohliche Züge an. Denn ob das autarke Abwägen der Verbraucher zwischen Nutzwert und Privatsphäre, wie es unter anderem von den Telekommunikationsanbietern vorgeschlagen wird (ein Telekom-Sprecher gegenüber SPIEGEL Online), hier vor Missbrauch schützt, wird eine der spannendsten gesellschaftlichen Fragestellungen in den nächsten Jahren sein - vor allem vor dem Hintergrund der Frage nach der Kompetenz des Einzelnen, einen Missbrauch als solchen rechtzeitig vor dem Schaden zu erkennen.
Trotz aller berechtigten und bisher nicht gelösten Sicherheitsbedenken wird sich der Siegeszug des Internets fortsetzen. Die Steria-Gruppe beschreibt die zu erwartende Entwicklung in ihrem jüngsten Futures Report 2011 sehr eindrucksvoll. Demnach steigt die Zahl der User schon 2020 auf über fünf Milliarden (The Futures Report 2001, S. 35). Zur Größeneinordnung: 1987 lebten insgesamt "nur" fünf Milliarden Menschen auf unserem Planeten. Derzeit gehen gut 1,7 Milliarden Menschen online, vor zehn Jahren waren es erst 360 Millionen Erdenbürger. Wie die erwähnten Absatzsprünge bei den Smartphones zeigen, wird dabei der Zugang immer stärker über mobile Endgeräte erfolgen. Insgesamt dürften laut jüngsten Prognosen in zehn Jahren rund 22 Milliarden internetfähige Devices im Umlauf sein (The Futures Report 2011, S. 42).
Lokale Speicher und Rechenleistung gibt es nicht mehr
Der Übergang von klassischen Endgeräten zu "intelligenten Gegenständen" verläuft dabei mittlerweile fließend. Grund sind immer kleinere und leistungsfähigere Batterien und Bauteile. Beispiel Speicherkarten: Noch für dieses Jahr sind Micro-SD-Karten mit einer Speicherkapazität von 128 Gigabyte angekündigt.
Setzt sich dieser Trend fort, werden 2050 auf einer einzigen Micro-SD-Karte Informationen gespeichert werden können, die das Fassungsvermögen aller menschlichen Gehirne zusammen um den Faktor drei übertreffen (The Futures Report 2011, S. 36). Und die zehn Billiarden Rechenvorgänge pro Sekunde, die man dem menschlichen Hirn zuschreibt, werden heute schon von Supercomputern erreicht. Bleibt abzuwarten, wann die molekularen 3-D-Rechner zur Verfügung stehen, die diese Rechenkapazität auf einem einzigen Chip abbilden. Wobei in zehn Jahren die Zeiten der dezentralen Datenhaltung und lokalen Rechenleistung längst vorbei sein werden: Anstatt jedes Gerät mit eigenem Speicher und Hochleistungsprozessor auszustatten, werden die Daten zentral und redundanzfrei "in der Wolke" gespeichert, und selbst komplexe Anwendungen kommen aus einer omnipräsenten Cloud.
Hinzu kommen immer intuitiver nutzbare Anwendungen. Touchscreens und (funktionierende!) Sprachsteuerung werden in zehn Jahren gängiger Standard sein. Die virtuelle Tastatur, die nur noch aus einem stiftgroßen Gerät auf eine ebene Fläche projiziert wird und dann die Eingaben an der Handbewegung erkennt, gibt es heute schon. Und auch die Steuerung mit Gesten und Bewegungen, die wir aktuell vornehmlich aus dem Spielebereich kennen, wird selbstverständlicher Bestandteil der Mensch-Maschine-Kommunikationsschnittstelle.
Augmented Reality entwickelt sich weiter
Auch der Einsatz von Augmented Reality (AR) wird sich bis dahin weiterentwickeln. Derzeit wird die "erweiterte Realität" hauptsächlich in Form textlicher, grafischer oder akustischer Zusatzinformationen eingesetzt - etwa als Ergänzung für iPhone-Fotos und -Videos. In Anlehnung an die für Piloten oder Feuerwehrmänner in ihre Helmvisiere eingebauten Head-up-Displays sollen AR-Anwendungen künftig aber auch für jedermann in Brillen oder sogar Kontaktlinsen angeboten werden (The Futures Report 2011, S. 39).
Grundlage dieses Ubiquitous Computing, was ins Deutsche übersetzt so viel wie Rechnerallgegenwart bedeutet und auch als "Internet der Dinge" (Kevin Ashton, 1999) bezeichnet wird, ist dabei die Verbindung all dieser Systeme in sogenannten vermaschten Netzen, bei denen jeder Netzwerkknoten mit einem oder mehreren Netzwerkknoten verbunden ist. Diese Vernetzung kann sowohl kabelgebunden als auch über Funk erfolgen. Das ist wichtig, da die meisten Anwendungen erst durch eine drahtlose "letzte Meile" möglich werden. Die aus einem Mix an Übertragungstechnologien von Wi-Fi über WiMax und Bluetooth bis hin zu LTE bestehende Infrastruktur wird dabei flächendeckend auch durch öffentliche Gebäude, Flughäfen, Bahnhöfe und Restaurants bereitgestellt.
Beispiel für Local Awareness
Aufbauend auf diesem Netz sind vielfältige Anwendungen denkbar. Eine entscheidende Kombination ist die Möglichkeit, auf entfernte Daten zugreifen und gleichzeitig den Ort des Systems und damit auch den Ort der systemnutzenden Person bestimmen zu können. Ein gutes Beispiel für eine sogenannte Ambient-Intelligence-Anwendung ist der öffentliche Personennahverkehr.
Man stelle sich etwa vor, dass man auf einer Urlaubsreise durch die Straßen einer unbekannten Stadt schlendert. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die man sich unbedingt ansehen möchte, hat man über das Navigationsprogramm des Smartphones bereits lokalisiert. Plötzlich meldet sich das Mobiltelefon mit der Mitteilung, dass an der nur wenige Meter entfernten Bushaltestelle in 30 Sekunden ein Bus halten wird, der direkt zur nächsten Sehenswürdigkeit fährt. Das ist es, was unter Experten als echte Local Awareness verstanden wird.
Ein weiteres Beispiel für solche "Umgebungsintelligenz" und die Vernetzung der verteilten Intelligenz ist im Bereich Immobiliensuche vorstellbar: Warum sollte das Smartphone oder ein Tablet-Computer nicht auf eine zum Verkauf stehende Immobilie aufmerksam machen, wenn man an dieser zufällig vorbeikommt und zuvor sein Interesse an einem entsprechenden Objekt - zum Beispiel im Gespräch mit seinem Bankberater - signalisiert hat. Der virtuelle Rundgang durch das potenzielle Traumhaus gleich vor Ort und das parallel dazu präsentierte Finanzierungsbeispiel runden diesen Service ab.
Freizeitsportler voll verdrahtet
Ist der Tablet-Computer in diesem Fall aufgrund seines großen Bildschirms vielleicht die beste Wahl für die virtuelle Hausbesichtigung, wird es in anderen Bereichen zu der bereits angesprochenen Miniaturisierung kommen. So wird es in zehn Jahren sicherlich für ambitionierte Freizeitsportler zur Grundausstattung gehören, dass in Kleidung oder Schuhe integrierte Computer alle wichtigen Körper- und Trainingsdaten erfassen, diese auch analysieren und - wenn gewünscht - dem Trainer oder Hausarzt direkt für die elektronische Trainings- oder Krankenakte zur Verfügung stellen. Und noch einmal zehn Jahre später gibt es vielleicht schon Nanobots mit Rechen-, Kommunikations- und Robotikfähigkeiten, die im menschlichen Blutkreislauf diese Informationen aufnehmen und z.B. Krankheitserreger bekämpfen.
Das Stichwort der elektronischen Krankenakte führt uns aber auch zurück zu den Sicherheitsaspekten der schönen neuen Welt der allgegenwärtigen Rechner. Denn niemand kann wollen, dass beispielsweise die eigene Anamnese oder auch nur die fehlende Butter im Kühlschrank zur öffentlichen Information und man selbst zum gläsernen Menschen wird.
Datenschutz und durchgängige Berechtigungskonzepte
Daher sollten alle Anwendungen - egal ob von staatlicher Seite oder von privaten Unternehmen - immer in enger Zusammenarbeit mit Datenschützern entwickelt werden. Ein wesentlicher Teil eines solchen Datenschutzkonzepts sind beispielsweise wirklich durchgängige Berechtigungskonzepte, die im Rahmen einer umfassenden "Cyber-Security"-Lösung zu gewährleisten sind. Diese sorgen dafür, dass die uns künftig umgebenden und meist auch sendefähigen (mindestens) 1000 Computer gesichert werden. Die erfassten Daten sind nur den Menschen zugänglich, denen das vorher auch erlaubt wurde.
Im Zweifel darf dabei nicht alles, was technisch möglich ist, auch erlaubt sein. Denn dann könnte aus dem Bild der "unsichtbaren, aber allgegenwärtigen" Computer ein unerwünschter Albtraum werden. Dieses im Hinterkopf sehe ich dieser spannenden Zukunft positiv entgegen. Und zwar nicht nur, weil ich meine Wette nur ungern verlieren möchte.
Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!
Weitere Wetten finden Sie auf unserer Seite Wetten auf die nächste Dekade.