Unternehmen wollen nach dem Erwerb einer Software immer einen Return of Investment (ROI) sehen. Allzuoft aber gibt es keinen solchen ROI, weil die falsche Software gewählt wurde. In diesem Beitrag sehen wir uns die häufigsten Fehler beim Einkauf an und geben Ihnen Tipps, wie Sie diese vermeiden können.
1) Unbekannte Anforderungen
Unbekannte Anforderungen sind - nomen est omen - solche, die der Käufer nicht kennt. Sie manifestieren sich erst bei der Implementierung der Software und verursachen zeit- und kostenaufwändige Workarounds. Unbekannte Anforderungen erstrecken sich sowohl in die Breite als auch die Tiefe. In der Breite betrifft es Anforderungen unspezifischer Art, die sich überall bemerkbar machen. In der Tiefe geht es um spezifische Probleme mit einer bestimmten Funktion.
Es empfiehlt sich eine Anforderungssoftware, die sowohl in die Breite als auch in die Tiefe geht. Mit Reverse Engineering haben Sie ein leistungsfähiges Verfahren an der Hand, um unbekannte Anforderungen aufzustöbern. Ist dies erst passiert, können sie bei der Auswahl und später bei der Umsetzung von Software berücksichtigt werden. Und weil sie nun im Projekt- und Kostenplan auftauchen, müssen Sie sich später nicht über Budget-Überschreitungen und Verzögerungen ärgern.
2) Unzureichende Anforderungen
Einige Organisationen unterschätzen den Wert eines ausgeklügelten Anforderungsmanagements zu Beginn eines Projektes. Anforderungen sind nun mal aber die Grundlage für jede vernünftige Auswahl von Software. Wir alle wissen, was mit Gebäuden passiert, deren Fundament unzureichend ist - genauso ist es bei der Auswahl von Software. Führen Sie also eine umfassende Bedarfsanalyse durch.
3) Anwender bleiben außen vor
Desineteressierte oder "passiv-aggressive" Anwender können einen Software-Rollout zum Scheitern bringen, das weiß jeder, der schon mal einen mitgemacht hat. Beteiligen Sie daher alle wichtigen User am Auswahlprozedere. Sie können diese Anwender beispielsweise die Wichtigkeit verschiedener Anforderungen an die Software bewerten lassen. In einer Liste sollten die Für-und-Widers verschiedener Softwarekomponenten genannt werden. Sobald die Anwender ihre Meinung inklusive Namen auf der Liste finden, werden sie sich involviert fühlen und sich für das Projekt engagieren.
4) Der Umfang der Software
Keine Software kann alles, manchmal bilden sich Verantwortliche das aber ein. Dann ist das Spektrum der Probleme, die sie lösen wollen, einfach zu groß. Wir haben beispielsweise einmal einem Kunden bei der Einführung einer Management-Lösung geholfen, dieser hätte auch gerne ein Dokumentenmanagement inkludiert gehabt. Tatsächlich entschied er sich dann für eine Software, die beides konnte, beides aber in unzulänglicher Weise.
Sie lösen das Problem, indem Sie einen Reality-check der tatsächlich vorhandenen Funktionen in der Software durchführen. Erstellen Sie eine Liste mit allen Anforderungen und gleichen Sie sie mit der Liste der Funktionen der Software ab. Arbeiten Sie mit einem Punktesystem - 100 Prozent würde bedeuten, dass alle Anforderungen erfüllt werden. Kommen Sie bei allen potentiellen Kandidaten auf weniger als 70 Prozent bedeutet dass, dass Ihre Anforderungsliste zu groß geraten ist. Im obigen Beispiel verzichtete der Kunde auf besagtes Dokumentenmangement - und stieß dann auf eine Lösung, die ihn zu 79 Prozent befriedigte. Die kaufte er dann.
5) Analyse-Verschieberitis
Der Auswahlprozess zieht sich gerne einmal länger hin als nötig. Hauptursache ist der Mangel an Glauben an die eigenen Auswahlkriterien, vor allem wenn es um die unbekannten Anforderungen geht. Die Organisation hat Angst vor einer Fehlentscheidung, schiebt diese auf unds kauft dann doch die falsche Software. Diesen oft gesehenen Fehlker umgehen Sie mit einem strikten Auswahlprozess in drei Phasen:
1. Anforderungen auf einer Liste sammeln und priorisieren.
2. Abgleichen der Anforderungen mit dem Produktangebot. Dafür die Meinung der Mitarbeiter einholen. Potentiell in Frage kommende Lösungen gegeneinander abgleichen.
3. Potentielle Software sowie den Service des Anbieters auf Herz und Nieren prüfen.
6) Das Zeitproblem
Oftmals drängt die Zeit bei der Einführung neuer Software, sei es, weil das Management es so will, weil eine Deadline droht oder aus 1000 anderen Gründen. Das führt fast immer zu Problemen und schlimmstenfalls zur Auswahl der falschen Software. Sie müssen also unbedingt genügend Zeit für den Vergleich und die Auswahl von Software einplanen.
7) Politisches Sperrfeuer
Mit politischem Sperrfeuer meine ich einen hochrangigen Manager, der massiv Einfluss auf die Auswahl der Software nimmt. Etwa weil er von den Verkäufern um den Finger gewickelt wurde oder weil er mit früheren Versionen der Software schon gute Erfahrungen gibt, oder aus zig anderen Gründen. Dem können Sie nur mit einer detaillierten Liste der Schwächen der so gepushten Software im Vergleich zu einer von Ihnen befürworteteten Software begegnen.
8) Auswahl der falschen Software
Der Hauptgrund für die Auwahl einer unpassenden Software sind Schnellschüsse. Für jedes Softwareproblem gibt es nur eine begrenzte Auswahl an Lösungen. Die richtige darunter zu finden kann doch nicht so schwer sein? Falsch gedacht" Sich auf sein Glück zu verlassen ist in diesem Fall gar keine gute Idee. Genauso bescheuert ist es, sich für eine bestimmte Software zu entscheiden, weil ein Konkurrent genau die selbe einsetzt. Sie wissen weder, ob sie bei ihm funktioniert, noch, ob sie bei Ihnen einwandfrei laufen wird. Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden sich für eben diese Lösung - und ihr Wettbewerber impementiert gerade einen Ersatz dafür.
9) Die Auwahl toter Software
Oftmals werden Unternehmen wegen Ihres Kundenstammes übernommen, nicht wegen Ihrer Technologie. Die Software des Übernahmekandidaten ist dann mittelfristig dem Tode geweiht. Klar wird sie noch gemolken bis zum Schluss, aber Weiterentwicklungen und Verbesserungen unterbleiben - sie ist quasi tot. Seien Sie also stets wachsam, ob ihr potentieller Anbieter übernommen werden soll. Falls dem so ist: Hände weg von seiner Software!
Software ist auch dann dem Tode geweiht, wenn der Anbieter seinen Schwerpunkt auf andere Produkte verlagert oder sich gar eine ander Nische sucht. Sollte eine potentiell interessante Software seit zwei Jahren oder so nicht mehr aufgefrischt worden sein, dann ist das ein sicheres Zeichen für ihr baldiges Ableben. Ein guter Indikator für die Lebendigkeit einer Lösung ist auch die Technik, mit der sie gebaut wurde. Eine Software kann noch so gut zu Ihnen passen - wenn sie in Cobol geschrieben ist, sollten Sie die Finger davon lassen.
10) Brandneue Software
Mutige gehen dahin, wo zuvor noch niemand gewesen ist. Aber für brandneue Technologien gilt das selbe wie für sterbende Software: Finger weg. Sehen Sie den Tatsachen ins Auge: Frische Software ist fehlerbehaftet und muss ständig nachgebessert werden. Gehen Sie in Diskussionsforen und überprüfen Sie, wie oft über die für Sie in Frage kommende Software geschrieben wird. Finden Sie wenige Einträge, dann ist die Software nicht oft in Gebrauch. Als Unternehmen benötigen Sie sowas gar nicht.
11) Auswahl des falschen Anbieters
Wenn Sie Software von Unternehmen wie Microsoft, IBM oder SAP kaufen, befinden Sie sich in der Regel auf der sicheren Seite. Allerdings sind deren Produkte eher nicht so innovativ. Wenn Sie eine frische, neue Lösung wollen, wenden Sie sich lieber an Start-ups oder kleine Nischenanbieter. Allerdings besteht dann die große Gefahr, auf das falsche Pferd zu setzen.
Sie müssen sich den Anbieter ganz genau ansehen, Kommentare über ihn und seine Lösungen in Blogs und Foren checken. Kann er Ihnen Refferenzkunden nennen, mit denen Sie sich unterhalten könen? Welche Reputation hat das Management-Team? Sollte dies nicht auf der Firmen-Website vorgestellt werden: Finger weg! Und sehen Sie sich wenigstens auf Google Maps ihr Hauptquartier an. Ist es nicht zu finden oder irgendwie seltsam: Finger weg.
12) Non-compliance-Risiken
Wenn Sie einen Anbieter auswählen, der Compliance-Vorgaben nicht einhält, haben Sie ein Problem, gerade wenn es um Cloud-Software geht. Er sollte international anerkannten Prüfstandards wie SSAE 16 (vormals SAS 70), ISO 27001, FINRA, HIPAA, etc etc. umsetzen. Nur so können Sie sich auf der sicheren Seite wähnen.
13) Unterschätzen Sie nie Implementierungszeiten & Kosten
Nach dem Kauf der Software beginnt die Implementierung. Wenn Sie dem implementierenden Partner die detaillierte Liste Ihrer Anforderungen an die Hand geben, kann dieser sich ganz nach Ihren Wünschen richten. So gibt es weniger unangenehme Überraschungen.
14) Unterschätzen Sie nie das System
Immer wieder mal wird das Back-Office als nicht so kritisch betrachtet. Wenn es aber in der Buchhaltung hakt, werden Sie die Bedeutung dieses Systems sehr gut kennenlernen. Müssen Sie also neue Systemlösungen implementieren, fragen Sie vorher die Anwendwer und erstellen Sie auf Basis der Antworten eine Anforderungsanalyse. Das ist bei unternehmenskritischen Anwendungen besonders wichtig.
15) Unterbrechung des Geschäftsbetriebs
Die Einführung einer neuen Software stört den Geschäftsbetrieb. Analysieren Sie also die Risiken genau und planen Sie gewissenhaft. Eine angemessene Schulung aller am Projekt beteiligten Mitarbeiter etwa kann die Risiken verringern. Passen Sie nicht richtig auf, wird es ihnen den Kopf kosten - oder noch mehr. Das Unternehmen Foxmeyer Drugs etwa musste in Insolvenz gehen, als die Impklementierung eines neuen ERP-Systems fehlschlug.
16) Seien Sie nicht zu überzeugt von sich selbst
Selbstüberschätzung ist bei der Auswahl neuer Unternehmenssoftware todlich. Überlassen Sie die Entscheidung lieber einer datengestützten Analyse, so können Sie maximalen ROI erzielen. Ihr eigenes Urteil könnte von freundlichen Verkäufern oder Ratschlägen Dritter beeinflusst sein.
17) Stecken Sie Ihren Kopf nicht in die Schlinge
Abschließend ein persönlicher Rat: Scheitert ein Softwareprojekt, kostet Sie das vermutlich die längst fällige Lohnerhöhung oder schlimmer noch: ihren Arbeitsplatz. Auch leidet Ihre Reputation in der Branche darunter. Also Augen auf bei der Wahl der richtigen Unternehmenssoftware!
Was Sie nicht in diesem Artikel finden:
Die Risiken, die mit der Entscheidung für oder gegen eine neue Unternehmenssoftware einhergehen, überlappen sich mit eng verzahnten Risiken, auf die wir hier nicht eingehen können. Als da wären:
• Risiken bei der Implementierung, einschließlich Totalversagen.
• Ein Management-Buy-in ghefährdet jedes Softwareprojekt, es ist aber kein spezifisches Problem der Auswahl.
• Pilotprojekte haben wir außen vor gelassen, sie spielen nach eigenen Regeln.
• Vertragsrisiken. Gerade die Großen der Branche haben ein paar sehr trickreiche Klauseln in ihren Standardverträgen. Es besteht die Gefahr, dass Sie mehr mit Anwälten als Entwicklern sprechen werden.
Zusammenfassend kann wiederholt werden, dass die besten Voraussetzungen für eine glückliche Wahl einer neuen Unternehmenssoftware die gründliche Analyse der eigenen Anforderunmgen und der angebotenen Software ist. Nur so können Sie die Risiken bei der Softwareauswahl gering halten.