Alte Computerprodukte sterben nie, sie schlagen sich so wacker wie alte Krieger. Sie bleiben auf dem Markt, auch wenn sie schon seit gefühlten Jahrtausenden nicht mehr weiterentwickelt werden, selbst wenn der ehemals so wohlklingende Name manchmal auf anderen Geräten weiterlebt. Dann wären da noch die eingefleischten Fans, die oft einfach nicht wahrhaben wollen, dass die Ära eines geliebten Begleiters vorbei ist.
Viele der Produkte, die sie in den nächsten Zeilen erwarten, gehen bis in die 70er-Jahre zurück. Ob nun Hardware, Software oder Online-Dienste – einst waren sie alle so etwas wie die Könige ihrer Klasse und jeder kannte sie. Sie finden Produkte, die sicher keine Bestseller mehr sind, die aber trotzdem nicht aus unserem Leben verschwunden sind. Wenn sie ein Technikliebhaber sind, werden sie manches davon nicht glauben können. Wieder andere Produkte würde der ein oder andere sich sicher zurückwünschen, haben sie einem doch eins so viel bedeutet.
Nadeldrucker: Die Hardware-Veteranen
Was sie waren: Die Drucker schlechthin. Wenn Sie einen PC hatten zwischen den späten 70er-Jahren und Mitte der 1990er, werden Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen besessen haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch gerade an das typische Geräusch oder an einen ordentlichen Papierstau. Viele Modelle waren laut und langsam, die beste Qualitätsstufe NLQ-Modus (Near Letter Quality, deutsch: nahezu Korrespondenzqualität) konnte auch nie recht überzeugen. Trotzdem waren sie preiswert, vielseitig und oft fast so robust wie ein Panzer.
Was passierte: Anfang der 1990er wurde die Technik der sogenannten Tintenstrahldrucker immer besser. Diese neue Technik konnte es mit Laserdruckern wesentlich besser aufnehmen, als es Nadeldrucker jemals konnten. Doch der Todesstoß für den Nadeldrucker war, dass Tintenstrahldrucker wirkliche Farbdrucke (die man so nennen konnte) auch für den Heimanwender ermöglichten. Selbst gute Nadeldrucker konnten es schlicht nicht mehr mit Farb-Tintenstrahldruckern aufnehmen.
Aktuelle Situation: Niemand denkt mehr an Nadeldrucker, aber trotzdem sind sie nicht verschwunden. Wie mir aufgefallen ist, verrichten diese Ungetüme ihren Dienst noch immer munter in Arztpraxen zum Bedrucken von Rezepten und in kleineren Firmen um die Rechnungen auszuwerfen. Ein großer Vorteil ist, dass sie meistens mit Endlospapier arbeiten und deshalb auch mehrlagige Dokumente einziehen können, etwa Durchschläge. Außerdem ist der Papiervorrat auch bei kompakten Geräten nahezu unerschöpflich. Es würde sich sicher kaum jemanden wundern, wenn man auch in 10 Jahren noch das Rattern und Krachen von Nadeldruckern hört.
Analoge Modems
Was sie waren: Die Verbindung zum Internet funktionierte mit einem analogen Modem durch eine Einwahl über das normale Telefonnetz. Hier lag auch der Grund, warum sich die Geschwindigkeit für heutige Maßstäbe sehr in Grenzen hielt – das Maximum (von ISDN abgesehen) lag bei 56 kbit/s. Manch einer dürfte jetzt die Einwahlgeräusche lebhaft erinnern, die einem die Wartezeit versüßten, bis man endlich mit gebremster Geschwindigkeit seinen Weg ins Netz beginnen konnte.
Was passierte: Heute haben Einwahl-Modems lange nicht mehr die Bedeutung, die sie früher einmal hatten. Schuld daran ist schlicht die neue Technik: ISDN, DSL und Glasfaser. Nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Möglichkeit eine Internetverbindung aufzubauen, ohne die Telefonleitung zu blockieren, dürften die Hauptgründe für den schmerzlosen Abschied vom Analog-Modem gewesen sein.
Aktuelle Situation: Ganz weg sind sie ja nicht. Es gibt sogar noch moderne Notebooks, die damit ausgeliefert werden. Aber Hand aufs Herz, in Zeiten von WLAN, DSL und Glasfaser-Verbindungen ist es nicht wirklich ein erhebendes Gefühl, sich einzuwählen. Positiv ist auch, dass eine speziell mit Einwahl-Modems zusammenhängende Sicherheitsgefahr gebannt wurde: Dialer, die unbemerkt Verbindungen mit teuren Einwahlnummern aufbauen, funktionieren mit DSL nicht mehr.
MiniDisc
Was sie waren: Sonys Speichermedium zur Aufnahme und Wiedergabe von Musik wurde 1991 vorgestellt. Es hatte seine Vorteile: Einfachen Handhabung beim Schneiden und Aufnehmen und ein kompaktes Format. Das war auch der Grund, warum es im privaten Bereich seine Käufer fand und sich auch im Radio- und Tonstudiobereich gewisser Beliebtheit erfreute.
Was passierte: Die Musikindustrie unterstützte das Format nie wirklich, nur wenige Alben kamen direkt auf MiniDisc heraus. Außerdem machten der MiniDisc das neue Zeitalter zu schaffen, denn plötzlich waren Downloads und MP3 in aller Munde. Sony legte zwar nach und brachte die Variante NetMD heraus, mit der auch das Bespielen vom Computer und mit MP3 möglich war – aber die strengen Beschränkungen die einem hier auferlegt waren (Kopierschutz, Umwandlung in das ATRAC3-Format), machten normale MP3-Player attraktiver.
Aktuelle Situation: 2004 kam ein neues Format von Sony hinzu, die Hi-MD, welche eine bessere Aufnahmequalität ermöglichte und deshalb ebenfalls einige Liebhaber fand. Aber auch dieses Format hat sich nicht wirklich durchgesetzt, mittlerweile gibt es nur noch ein einziges kompatibles Gerät in Sonys Programm. In Japan war die MiniDisc ein echter Renner und ist dort auch heute noch weit verbreitet, in Deutschland führte sie allerdings eher ein Dasein am Rande und auf das Ende wird man nicht mehr lange warten müssen.
Schwarz-Weiß-Bildschirme
Was sie waren: Einst waren sie überall, die Schwarz-Weiß-Bildschirme. Zu Zeiten von DOS war Farbe auch nicht wirklich nötig, denn kaum eine Anwendung nutzte sie. Computer waren für viele etwas Neues, man erwartete nicht viel und hatte noch keine Vergleiche.
Was passierte: Grafikkarten, Multimedia, Computerspiele und alle Bereiche der Technik richteten sich immer mehr auf Farbe und Interaktivität aus. So kam dann auch die Zeit, als sich kaum noch jemand vorstellen konnte, seinen Desktop-Computer mit einem monochromen Bildschirm zu betreiben. Im Bereich der Notebooks waren sie noch etwas länger üblich, aber heute ist ein Farbdisplay in allen Bereichen und Preisklassen die absolute Grundausstattung.
Aktuelle Situation: Wahrscheinlich wünschen Sie sich keinen Schwarz-Weiß-Bildschirm. Wenn dem doch so wäre, dann hätten Sie allerdings gute Chancen, einen zu bekommen. Noch immer werden solche Geräte für textbasierte Aufgaben oder Sicherungszwecke eingesetzt. Neu ist, dass das monochrome Display im Bereich der E-Book-Lesegeräte sein Comeback feiern kann.
PDAs – Personal Digital Assistants
Was sie waren: Ein PDA, englisch für persönlicher digitaler Assistent, ist ein kleiner tragbarer Computer, der hauptsächlich für Kalender-, Adress- und Aufgabenfunktionen benutzt wird. Außerdem können PDAs Office-Dateien verarbeiten. Alles fing Anfang der 90er mit Apples Newton MessagePad an, später zählte der PalmPilot der Firma Palm zu den bekanntesten Vertretern seiner Gattung.
Was passierte: Smartphones machten es den PDAs bereits 2005 besonders schwer, einfach weil sie das gleiche können wie ein PDA und noch viel mehr. Insbesondere der GSM- und/oder UMTS-Zugang, durch den sie auch als Mobiltelefon genutzt werden können und Internet-Zugang bieten, macht sie zu den Lieblingen der Käufer.
Heute: Fraglich ist, wann der letzte reine PDA auf den Markt gekommen ist. Zumindest dann, wenn man den iPod Touch nicht als einen bezeichnet, was gut möglich wäre. Jedenfalls ist sicher, dass heute kaum noch jemand auf die Idee kommen wird, sich einen PDA zu kaufen – auch wenn sie noch zu kaufen sind. Wer möchte schon einen PDA und ein Handy mit sich herumschleppen, wenn er auch beides zusammen haben kann?
Amiga
Was sie waren: Der gute alte Amiga – das wird jetzt sicher der ein oder andere Leser denken. Es handelt sich um Computer von Commodore, die Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er weit verbreitet waren und in der damaligen Zeit wegen ihrer neuen und benutzerfreundlichen Funktionen sehr beliebt waren.
Was passierte: Man könnte ein Buch schreiben über den Niedergang des Amiga – letztlich hat das auch jemand getan. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Technik gut war, interne Machtkämpfe, falsches Marketing und Fehlentwicklungen aber schließlich zum Niedergang führten. Auch der ungewollte Ruf als Spielecomputer konnte nicht mehr abgeschüttelt werden. Richtig ist vielleicht trotzdem, dass Amiga ganz unabhängig von solchen Details zugrunde gegangen wäre - wenn man bedenkt, dass selbst Apple schwere Zeiten hatte als DOS und Windows Alternativen boten. Trotzdem hat die Strategie von Commodore den eigenen Tod besiegelt. 1994 wurde der Bankrott erklärt und keine weiteren Computer wurden hergestellt. Der Name Amiga wechselte daraufhin mehrfach den Besitzer, zierte Hard- oder Software oder verschwand zeitweise einfach von der Bildfläche.
Aktuelle Situation: Mittlerweile gehört der Name Amiga der Amiga Inc. und wird für verschiedene Hardwareprodukte, Software und Anwendungen für Mobiltelefone genutzt. Das Betriebssystem Amiga OS 4 wurde nach fünf Jahren Entwicklungszeit Ende 2006 fertiggestellt, nachdem der Fertigstellungstermin mehrfach verschoben wurde. Zusammen mit der Praxis, Hardwareprodukte anzukündigen aber nie oder verspätet zu veröffentlichen, ergab sich die letzten Jahre ein eher düsteres Bild. Ein Aufstieg steht Amiga wohl nicht mehr bevor.
Disketten
Was sie waren: Ein Wechseldatenträger, den es in den Formaten 3,5, 5,25 und 8 Zoll gab und der in den 70ern eine moderne Alternative zum Speichern von Programmen auf Audiokassetten war und sich schließlich als kompakte Alternative zu Festplatten entwickelte.
Was passierte: Bis Mitte der 90er blieben Disketten unersetzlich. Doch dann kam das Internet und brachte Downloads und Dateianhänge mit sich. Aufgaben, für die davor meist Disketten benutzt wurden, konnten plötzlich schneller und unkomplizierter erledigt werden. Auch war der Speicherplatz auf Disketten beschränkt. Zwar kamen als Reaktion auf den allgemeinen Speicherhunger auch Diskettenlösungen mit höherer Kapazität auf den Markt, holten die parallelen Entwicklungen jedoch nicht mehr ein. Beschreibbare DVDs und ZIP-Laufwerke spielten Disketten locker aus. USB-Laufwerke, die noch dazu wesentlich preiswerter waren, erledigten den Rest.
Aktuelle Situation: Diskettenlaufwerke sind längst nicht mehr die Standardausstattung eines Computers, trotzdem kann man sie hier und dort noch finden. In vielen PC-Gehäusen findet sich zumindest noch ein abgedeckter Schacht für ein Diskettenlaufwerk. Kaufen kann man z. B. 3,5 Zoll-Disketten noch problemlos. Doch ganz ehrlich, wer würde dafür heute freiwillig Geld ausgeben, wenn er mit einem USB-Stick ein Vielfaches der Speicherkapazität zu einem günstigeren Preis erhalten kann?
Iomega Zip
Was sie waren: Wechselplattenlaufwerke der Firma Iomega waren in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre ein sehr beliebtes Computerzubehör. Damals galten die 100 MB, die man auf den ersten Zip-Disketten speichern konnte, als eine sehr hohe Kapazität. Außerdem war die Handhabung gegenüber CD-Laufwerken einfacher. Disketten waren zwar allgegenwärtiger, aber Zip-Laufwerke fanden eine sehr große Fangemeinde.
Was passierte: Es erging den Zip-Laufwerken wie den Diskettenlaufwerken, auch wenn sie etwas langsamer an Bedeutung verloren als der kleine Bruder. Günstige CD-Brenner ermöglichten die effiziente Datenspeicherung mit vergleichsweise hoher Kapazität und die gebrannten CDs waren auf nahezu allen Computern zu lesen. USB-Sticks und –Laufwerke boten dann schließlich noch mehr Speicherplatz und waren völlig unabhängig von einem Laufwerk. Plötzlich waren Zip-Disketten teuer und boten wenig Speicherplatz. Dazu kam der berüchtigte "Click of Death", ein Hardwarefehler, der die Datenträger zerstören konnte. Iomega versuchte mit neuen Laufwerken (Jaz, PocketZip, und Rev) den Anschluss zu behalten, aber der Zip-Effekt stellte sich nie wieder ein.
Aktuelle Situation: Iomega ist noch immer Hersteller von Speicherlösungen für den Heimgebrauch und für Großunternehmen (mittlerweile eine Tochtergesellschaft der EMC Corporation). Auch Zip-Laufwerke und Zip-Disketten gibt es noch. Trotzdem haben die damals so beliebten Zip-Produkte den Kampf gegen die modernen Speichermedien verloren.
Z80-Mikroprozessor
Was sie waren: 8-Bit-Mikroprozessoren, die 1976 auf den Markt kamen. Kurz nachdem die Herstellerfirma Zilog von einem ehemaligen Intel-Mitarbeiter (Federico Faggin) gegründet wurde, der dort am Intel 8080 gearbeitet hat, den man als ersten vollwertigen Mikroprozessor ansehen konnte. Schnell wurde der Z80 erfolgreicher als sein Konkurrent und wurde in vielen PCs und Spielekonsolen verbaut.
Was passierte: Schlicht und ergreifend der Fortschritt machte dem Z80 den Garaus, wenn man das so sagen kann. Es kam ein leistungsfähiger 16-Bit-Prozessor, der 8088. Dieser musste schließlich dem 32-Bit-Prozessor weichen, der seinerseits von 64-Bit-Modellen wie Intels Core 2 Duo und AMDs Phenom abgelöst wurde.
Aktuelle Situation: Er ist noch überall! Er wird noch immer von Zilog hergestellt, aber man sieht ihn nicht, da er seinen Dienst in Industrieprodukten, Musikinstrumenten und Bürogeräten verrichtet. Als Herz von Heimcomputern hat er jedoch endgültig ausgedient. Ob der Core 2 Duo 2041 noch unter uns sein wird?
MS-DOS
Was es war: Das Betriebssystem, dass den berühmten ersten IBM-PC seit 1998 ausstattete. Danach viele andere Personal Computer. Schließlich dann einen Großteil der Computer auf diesem Planeten.
Was passierte: Es gibt eine einfache Antwort. Windows 95, die erste Windows-Version die DOS nicht benötigte, machte es DOS überflüssig. Theoretisch, denn es gab viele Computernutzer die DOS und DOS-Anwendungen noch viele Jahre nach dem Erscheinen von Windows 95 weiterbenutzten. Es gibt aber auch eine umsichtigere Antwort: In dem Moment als der Mac die grafische Benutzeroberfläche zu einem Massenprodukt machte, 1985, kam der Anfang vom Ende für das eintönige und restlos textbasierte DOS.
Aktuelle Situation: DOS will nicht sterben. Es gibt tatsächlich noch immer Zeitgenossen, die es benutzen. Nach dem Motto, dass man etwas nicht zu ändern braucht, wenn es nur funktioniert. Letztlich ist DOS auch das Vorbild für FreeDOS, einem Open-Source-Projekt mit einer recht großen Community. Außerdem verkauft Microsoft DOS 6.22 noch immer in Volumen-Lizenzen. Wieso sollte Microsoft das tun, wenn es niemand mehr brauchen würde?
dBASE
Was sie war: Die vorherrschende Datenbank-Applikation (Datenbankmanagementsystem, DBMS) für Mikrocomputer seit sie 1980 erschien. Durch sie wurde ein Quasistandard geschaffen, der bis heute wirkt. In der damaligen Zeit war der Name des Herstellerunternehmens Ashton-Tate in der Softwareszene bekannter als Microsoft.
Was passierte: Mit dBASE IV begann der Niedergang von Ashton-Tate. Das erste Release erschien überhastet im Oktober 1988, wies viele Fehler auf und hatte mit Geschwindigkeitsproblemen zu kämpfen. Es wurde nicht schnell genug reagiert. Außerdem wurde viel Zeit und Energie dafür verwendet, mit Klagen gegen Konkurrenten vorzugehen anstatt sich mehr auf die Entwicklung der eigenen Produkte zu konzentrieren. 1991 kaufte Borland Ashton-Tate für 439 Millionen Dollar und übernahm das Sorgenkind dBase ohne an die alten Erfolge anknüpfen zu können. 1992 veröffentliche Microsoft schließlich Access und es wäre zu erwarten gewesen, dass deshalb auch ohne den Misserfolg von dBase IV harte Zeiten angebrochen wären. Immerhin war dBase auf dem Markt lange bevor man den Namen Access auch nur erahnen konnte.
Aktuelle Situation: 1999 wurde dBase wieder verkauft und der neue Eigentümer DataBase Intelligence vermarktet es noch bis heute. (Jetzt nennt es sich dBase Plus, als wenn man dBase IV nicht mehr heraufbeschwören möchte). Die Firmen-Newsgroups sind sehr aktiv und man merkt, dass dBase noch immer von wenigen spezialisierten Unternehmen intensiv genutzt wird. Immerhin.
Netscape
Was es war: Einst der führende Browser (bekannt als Netscape Navigator) und ein Unternehmen, dass seit 1994 das Internet und die Online-Welt prägend mitgestaltete.
Was passierte: Es war Microsoft. Die Zuständigen entschieden sich dafür, den Browser aus dem eigenen Hause, den Internet Explorer, standardmäßig mit dem bereits so verbreiteten Betriebssystem Windows auszuliefern. Selbstverständlich kostenlos. In kurzer Zeit war die Position von Netscape gebrochen und nur noch sehr wenige Anwender nutzten den Netscape Navigator. Das Unternehmen versuchte sich in anderen Gebieten und wurde 1998 an AOL verkauft. AOL hatte so wenig Interesse an dem gekauften Browser, dass es selbst den Internet Explorer auslieferte. 2007 entschied sich AOL schließlich, den Stecker ganz zu ziehen.
Aktuelle Situation: Wenn Sie ein Optimist sind, konzentrieren Sie sich auf diese Fakten: Firefox, der auf Mozilla-Code basiert, ursprünglich einer Open-Source-Version von Netscape, hat großen Erfolg. Aber der Name Netscape ist nicht mehr das was er mal war, wozu AOL kräftig beigetragen hat. Die Homepage ist mittlerweile eine Variante der AOL-Homepage, nur dass sich im Hintergrund das Netscape-Logo endlos wiederholt. Aber Firefox ist ja erfolgreich …
Lotus 1-2-3
Was es war: Einst die weltweit populärste Tabellenkalkulationssoftware des Unternehmens Lotus Development Corporation. Sie verhalf dem IBM-PC zum Erfolg und lief erst unter DOS, dann unter Windows. Anfangs orientierte sie sich an VisiCalc, überholte ihr Vorbild dann aber und stieg zum Marktführer auf. Es war das Flaggschiff der Lotus SmartSuite, eines Office-Paketes, das Mitte der 90er-Jahre ein wirklicher Konkurrent von Microsofts Office war.
Was passierte: Ein ähnliches Schicksal, das auch andere einst weit verbreitete Anwendungen wie Word Perfekt und Harvard Graphics getroffen hat. Lotus ging davon aus, dass IBMs OS/2 das in die Jahre gekommene Betriebssystem DOS ersetzen würde und musste viel aufholen, als diesem Betriebssystem der Erfolg verwehrt blieb und Windows alle Rekorde brach. Ab 1990 konzentrierte man die Anstrengungen auf andere Entwicklungen und Desktop-Anwendungen gerieten in den Hintergrund, insbesondere als IBM Lotus 1995 übernahm. Microsoft hatte dadurch die Chance Excel konkurrenzfähig zu machen und hebelte den einstigen Tabellen-König dadurch aus. Ende der 90er-Jahre war Lotus 1-2-3 dann am Ende und wurde seit 2002 nicht mehr weiterentwickelt.
Aktuelle Situation: IBM verkauft die 2002er-Version noch immer und nennt sie optimistisch die „aktuellste Version“. Für 313 Dollar, die anderen Anwendungen der SmartSuite obendrauf, kann man es erwerben. Aber letztlich hat IBM so wenig Interesse an dem Produkt, das Lotus einst zu einem Software-Giganten machte, dass ein kürzlich vorgestelltes Office-Paket mit Tabellenkalkulation den Namen Symphony erhielt, der früher ein anderes Anwendungspaket von Lotus bezeichnete.
PageMaker
Was es war: Ein Desktop-Publishing-Programm, dass 1985 von der Aldus Corporation auf den Markt gebracht wurde. PageMaker, zusammen mit dem Apple Macintosh und Apples LaserWriter (dem ersten Postscript-Laserdrucker), ermöglichte es erstmals, professionellen Satz auf einem Personal Computer zu erstellen.
Was passierte: Der Niedergang von PageMaker war langsam und hatte viele Ursachen. Als Textverarbeitungsprogramme nach und nach respektable Möglichkeiten boten, Texte grafisch anzupassen, fehlte für den herkömmlichen Anwender der Nutzen. Für professionelle Anwender bot QuarkXPress mehr Möglichkeiten. Adobe übernahm 1994 Aldus und hatte wenig Interesse an der Fortentwicklung von PageMaker, weil eine eigenes Desktop-Publishing-Programm von Grund auf in der Entwicklung war, InDesign. 2004 wurde dann verkündet, dass PageMaker nicht mehr weiterentwickelt wird.
Aktuelle Situation: Über die Website von Adobe kann man PageMaker noch immer kaufen, für 950,81 Euro. Beworben wird es wortreich als das ideale Layout-Programm für Firmen, Bildungseinrichtungen und Selbstständige die etwa Broschüren oder Rundschreiben in hoher Qualität erstellen wollen. Eine nette Beschreibung für ein Programm, das inkompatibel ist mit allen aktuellen Macs und mit Windows Vista. Wenn man etwas tiefer gräbt, kann man den wahren Grund erfahren - man soll stattdessen InDesign benutzen.
After Dark
Was es war: Ein Serie von Bildschirmschonern von Berkeley Systems für Macs und PCs, die 1989 auf den Markt kam. Es waren nicht nur die ersten kommerziellen Bildschirmschoner, sondern auch die erfolgreichsten und einflussreichsten aller Zeiten.
Was passierte: Vielleicht kann man es gar nicht so genau sagen. Aber es lässt sich vermuten, dass der Niedergang einfach daher kam, dass Windows und Mac OS eigene Bildschirmschoner mitlieferte und auch ansonsten große Mengen kostenloser Bildschirmschoner verfügbar waren. Schlecht für kommerzielle Produkte. Daneben stellte sich nach und nach heraus, dass an dem Gerücht nicht viel dran war, dass ein Bildschirmschoner nötig ist damit sich das Bild nicht in den Monitor einbrennt. Später kam dann After Dark Game heraus; wie der Name vermuten lässt nicht mal mehr ein Bildschirmschoner.
Aktuelle Situation: Berkeley Systems gibt es nicht mehr. Aber Infinisy, ein japanisches Unternehmen, verkauft eine moderne Version von After Dark für Mac OS. Wobei diese nicht allzu modern ist, denn sie läuft nicht auf Intel-Macs.
Harvard Graphics
Was es war: Das erste populäre Präsentationsprogramm. In der ersten Version erschien es 1986 für PCs auf denen DOS lief. Man konnte textbasierte Folien, Organigramme oder Diagramme erstellen und diese später am Bildschirm vorführen. Mit der bekannten Universität hatte es übrigens nie etwas zu tun, war in seinem Bereich aber bis 1990 Marktführer.
Was passierte: Lange Zeit war Harvard Graphics wesentlich besser als PowerPoint. Aber nach und nach holte die Alternative aus dem Hause Microsoft auf und konnte trotz anderer Nachteile damit punkten, dass es Bestandteil einer ganzen Office-Suite war. Das Ende für das einst so beliebte Einzelprodukt. 1994 musste das Unternehmen die Hälfte der Mitarbeiter entlassen; 1996 kam der Zusammenschluss mit Allegro New Media; 1998 kam dann mit Harvard Graphics 98 die letzte Version heraus.
Aktuelle Situation: 2001 kaufte das Unternehmen Serif Harvard Graphics zu einem Spottpreis und hielt es am Leben. Aber eher nur am Leben, denn noch immer kann man Harvard Graphics 98 kaufen, neben anderen Versionen, und es ist nicht klar, wann die letzte Aktualisierung herauskam. Dass Windows Vista oder geschweige denn Windows 7 nicht als kompatibel aufgeführt wird, dürfte man als weniger gutes Zeichen deuten. Auch der Umstand, dass man auf der Seite von Serif keine Verweise zu den Produkten von Harvard Graphics findet, spricht nicht für das Produkt.
AltaVista
Was es war: Ein Forschungsprojekt der bekannten Firma Digital Equipment Corporation, das 1995 die erste weithin bekannte Suchmaschine hervorbrachte.
Was passierte: Die Digital Equipment Corporation war ein eher ungewöhnlicher Besitzer einer Suchmaschine, machte sich aber anfangs gar nicht schlecht. 1998 wurde das Unternehmen dann aber von Compaq übernommen, einem ebenfalls eher ungewöhnlichem Eigentümer. Hier versuchte man dann aus AltaVista ein mit Yahoo vergleichbares Portal zu machen. 2000 verkaufte Compaq AltaVista schließlich an die Dotcom-Investmentgesellschaft CMGI, die wiederum an Overtune Services (früher GoTo.com) verkaufte. 2003 wurde Overtune selbst von Yahoo übernommen. Durch dieses Hin und Her hat AltaVista sein Profil und die meisten User verloren und Google war mittlerweile wensentlich besser auf dem Gebiet, dass einst AltaVista beherrschte.
Aktuelle Situation: AltaVista.com gibt es noch immer, auch in deutscher Sprache. Aber die Besucherzahlen sind sehr gering und es scheint nur ein Doppelgänger von Yahoo zu sein (man vergleiche diese AltaVista-Abfrage mit dieser Yahoo-Abfrage). Gestartet als ein bahnbrechendes Projekt blieb nur noch ein Name. Traurig, aber wahr.
CompuServe
Was es war: Das Unternehmen fing schon in den 70er-Jahren an, Kommunikations- und IT-Dienstleistungen zu vermarkten. Lange bevor andere Unternehmen wie AOL Fuß gefasst hatten. Es wurde ein wichtiger Wegbereiter für die Nutzung des Internets in Privathaushalten und für Unternehmen. Ab 1991 standen die Services auch den deutschen Nutzern zur Verfügung.
Was passierte: Der Aufstieg von AOL hinterließ CompuServe als nun nur zweitgrößten Online-Dienst zurück. Nur noch der Zweite zu sein, dürfte der erste große Schlag gewesen sein. Dann kam das massentaugliche Internet hinzu, vorher so beliebten Dienste wie Foren und E-Mail-Komponenten im CompuServe-Netz verloren an Bedeutung und man musste sich als reiner Internetdienstleister durchschlagen. Schließlich kaufte AOL 1997 CompuServe und die ehemals treue Community löste sich nach und nach auf. Das CompuServe-Netzwerk konnte AOL allerdings einen kräftigen Anschub geben.
Aktuelle Situation: Wie Netscape wurde CompuServe zu einem reinen Namen, der nebensächliche Projekte von AOL ziert. Nun ist es ein günstiger Internetdienstanbieter und der Name ziert eine eher halbherzige Portal-Seite. CompuServe 7.0 wird angepriesen, ohne darauf hinzuweisen, dass es nun bereits sieben Jahre alt ist. Für die alten CompuServe-Veteranen eine merkwürdige Entwicklung – immerhin war CompuServe auch in Deutschland der Wegbereiter des Internets und bot neben dem Internet eigene Inhalte beachtlichen Ausmaßes.
ShowView
Was es war: Das Unternehmen Gemstar führte ShowView 1991 unter dem Namen VCRPlus (USA) ein. 1993 kam dann ShowView im deutschen Sprachraum. Es handelt ich um ein System zur Vereinfachung der Programmierung von Aufnahmen für Fernsehsendungen bei Videorekordern und DVD-Rekordern.
Was passierte: Heimvideorekordersysteme, deren Entwicklung bereits 1971 losging, machten private Videoaufnahmen populär. Letztlich war dieses System auch der Aufstieg für ein System wie ShowView. Denn spätere Entwicklungen, wie DVD-Rekorder oder der DVD-Verkauf und –Verleih, führten zu einem veränderten Nutzungsverhalten bei den Anwendern. Auch das Internet mit seinen vielen Möglichkeiten führte dazu, dass die Menschen immer weniger Zeit mit eigenen Aufnahmen verbringen.
Aktuelle Situation: Mittlerweile wurde ShowView von Macrovision übernommen. Es gibt den Service nach wie vor und ShowView-Nummern werden auch in vielen Fernsehzeitungen und Online-Diensten angegeben. Kleinere Projekte leisten sich den erstaunlich teuren Service wohl eher nicht. Die Frage ist, wie viele Menschen heute noch regelmäßig ShowView benutzen. Man hat das Gefühl, dass es nicht sehr viele sein können. Vielleicht gibt das Verhältnis von verkauften VHS-Kassetten (200.000) zu verkauften DVDs (101.300.000) in Deutschland (2008) einen Anhaltspunkt. Aber klar, ShowView funktioniert ja auch mit DVD-Rekordern und sogar mit Blu-ray-Rekordern.
Dieser Text basiert auf einem Artikel von unserer Schwesterpulikation PC-World (Harry McCracken).