Starker Wettbewerbs- und Kostendruck, dazu die insgesamt geringen wirtschaftlichen Aktivitäten, die niedrigen Prämieneinnahmen sowie die durch die Baisse auf den Kapitalmärkten verursachten niedrigen Margen wären für deutsche Versicherungsunternehmen schon Herausforderungen genug. Doch sehen sich Versicherungen heute außerdem politischen Unsicherheiten, demographischen Problemen, neuen Maßnahmen zur Risikoregulierung und möglichen Terrorangriffen gegenüber. Kein Wunder also, dass in den letzten drei Jahren die IT-Ausgaben der Versicherungswirtschaft sanken! Das wiederum betraf insbesondere die Ausgaben für Software und IT-Services mit externen Anbietern.
Laut unserer aktuellen Analyse hat der Versicherungssektor jedoch das Schlimmste hinter sich: Seinen absoluten Tiefpunkt erreichte er im Jahr 2003, als der entsprechende SITS-Markt (der die Segmente Standard-Software-Produkte, Projektgeschäft und Outsourcing umfasst) um beträchtliche elf Prozent abnahm. 2004 zeigte sich schon eine leichte Stabilisierung, denn der SITS-Markt schrumpfte nur mehr um vier Prozent – von 1,66 auf 1,59 Milliarden Euro.
Zwar litten einige Anbieter von Software und IT-Services noch unter der restriktiven Ausgabepolitik von Versicherungen, jedoch waren die Ergebnisse insgesamt zufrieden stellender als 2003. Entscheidend zum Rückgang beigetragen hat die Tatsache, dass Versicherungen heute länger brauchen, um ihre IT-Investitionsentscheidungen zu treffen. Nicht zuletzt die Angst vor Fehlinvestitionen, knappe Budgets sowie die Verzögerung sozial-politischer Veränderungen machten sie vorsichtiger.
Auch das Verschieben von Solvency II war ein Grund, nicht sofort die IT-Budgets aufzubrauchen. Denn laut Anwendern wird Solvency II einigen Unternehmen sehr hohe Anforderungen an die eigenen Prozesse und damit Investitionen abverlangen.
Outsourcing-Vorgaben treiben Versicherungs-IT
Die Zeit, in der der SITS-Markt schrumpfte, scheint für die Versicherungsbranche jedoch erst einmal vorbei zu sein: Schon 2005 wuchs der Markt um etwa sieben Prozent. Das wird zwar in erster Linie vom starken Wachstum im Outsourcing-Umfeld getragen, statt vom Projektgeschäft oder von Ausgaben für Anwendungs-Software, aber es stellt definitiv das erste Anzeichen für einen sich erholenden Markt dar.
Der Versicherungsmarkt öffnet sich zunehmend gegenüber Outsourcing-Vorhaben: Den bislang größten Deal schlossen SBS und Gerling ab (200 Millionen Euro bei sieben Jahren Laufzeit). Die BBV (Bayerische Beamten Versicherung) wählte für Infrastruktur-Outsourcing ebenfalls SBS (zehn Millionen Euro über fünf Jahre). Außerdem wird die Übernahme der ALLDATA Systems GmbH, des ehemals kaptiven Geschäfts mit der ARAG, durch T-Systems den "freien“ Markt vergrößern, da die entsprechenden Umsätze nun als non-kaptiv gebucht werden können. Und nicht zuletzt wird der 2004 abgeschlossene Outsourcing Deal der CSC mit Zürich Financial Services in Deutschland erst ab 2005 umsatzwirksam. Somit wuchs der Outsourcing-Markt 2005 insgesamt um 22 Prozent.
Informationstechnologie spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Versicherungsprozesse. Diese müssen jedoch bei einigen Versicherungsunternehmen erst noch überarbeitet werden, um flexibler und schneller abzulaufen. Prozessveränderungen sind aber mit hohen Umstrukturierungskosten verbunden und brauchen lange, bis sie durchgesetzt und akzeptiert werden, gerade bei den eher konservativen Versicherungsunternehmen.
Aus diesem Grund verzögern sich oft notwendige Veränderungen und Investitionen, die aber unserer Meinung nach nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden können. Unsere Gespräche mit Versicherungen ergaben, dass der Versicherungssektor grundlegende Veränderungen erfährt: Schon seit zwei bis drei Jahren verlagert sich der Fokus der Versicherer auf ihre Vertriebsbereiche, mit inzwischen immer deutlicherer Ausprägung. Sicher ist es einfacher, alte Kunden zu behalten, als neue zu gewinnen, jedoch verfügen noch nicht einmal alle Versicherungen über moderne Vertriebssysteme, geschweige denn CRM-Systeme...
Eine weitere interessante Veränderung liegt darin, dass sich Versicherungen erneut gegenüber Innovationen öffnen: Sie wollen sich wieder mehr vom Wettbewerb differenzieren und sind bereit, auch in "unkonventionelle" Lösungen zu investieren. Das ist der beste Indikator für den Wandel. Auch in unseren Gesprächen zeigten sich Versicherungen neuen Angeboten, Lösungen und Standard-Software-Produkten sehr offen gegenüber. Somit gilt nach unserer Einschätzung: Wer als IT-Anbieter entsprechend langen Atem hat und innovative Lösungen für gezielte Kundenan-forderungen bietet, hat gute Karten, um ein Projekt an Land zu ziehen!
Nadia Adnane ist Analystin bei PAC.