Viel Kalkül scheint nicht dabei zu sein, wenn sich Unternehmen dieser Tage in "Second Life" oder anderen virtuellen Welten engagieren. Oft reicht schon der Glaube, das sei "cool". Oder man macht die Konkurrenz nach. Unternehmen fehlt einfach eine realistische Einschätzung, so Gartner-Analyst Steve Prentice nüchtern.
Und das ist schade, bieten Auftritte wie Second Life doch die Chance, aus einer zweidimensionalen Website eine dreidimensionale Web-Welt zu machen. Die Chancen, die das für Kundenbindung oder Absatzförderung bedeutet, sollte sich denn auch kein Entscheider entgehen lassen.
Aus Analysten-Sicht kann es also nicht darum gehen, virtuellen Welten den Rücken zu kehren. Stattdessen muss der Hype einer realistischen Planung weichen.
Dazu gehört, sich die Fehler anzuschauen, die neun von zehn Unternehmen derzeit unterlaufen. Auf den Punkt gebracht lauten diese: Zu starker Fokus auf der Technik und zu geringe Ausrichtung auf die Nutzer und ihre Interessen. Steve Prentice: "Realistische Grafiken und authentische Bewegungen sind sinnlos, solange der virtuelle Auftritt nicht von einem großen Publikum geschätzt und begeistert aufgenommen wird."
Daraus folgt im Umkehrschluss: Zunächst muss das Definieren der Zielgruppen mit ihren demografischen Merkmalen, mit ihren Einstellungen und Vorlieben erfolgen. Dann kann sich die Technik ans Werk machen.
Steve Prentice rät Unternehmen, rechtzeitig eine Virtual-World-Strategie zu entwickeln. Dabei können Entscheider aus drei Möglichkeiten wählen: Entweder kreieren sie eine Kunstwelt für das eigene Unternehmen, um beispielsweise die Zusammenarbeit der Belegschaft zu fördern, oder sie öffnen diese Welt auch für Kunden, Partner und Lieferanten. Als dritter Weg steht es natürlich auch jedem Unternehmen offen, sich in etablierte Auftritte wie Second Life einzuklinken.
Drei Stufen in das virtuelle Marken-Universum
Wer noch wenig Erfahrung mit virtuellen Welten hat, sollte nach den Worten von Steve Prentice einem Drei-Stufen-Plan folgen. Konkret: Zunächst kann die Technologie genutzt werden, um Trainings in simulierten Szenarien durchzuführen. Beispiele dafür sind Notarzt- oder Feuerwehrübungen. Im zweiten Schritt kann der Nutzerkreis auf alle Angestellten ausgedehnt werden.
Mit wachsender Geübtheit haben Unternehmen im dritten Schritt die Chance, Kunden oder Zulieferer in ihr virtuelles Universum einzubinden. Steve Prentice betont, dass das emotionale Erleben der Marke, wie es gut gemachte Avatare vermitteln, ein Unternehmen besser stärkt als eine herkömmliche zweidimensionale Website. Virtuelle Welten werden daher mittelfristig gesehen einen Einfluss gewinnen, der dem des Internet nicht nachsteht.
Vorbildhaft sind für ihn virtuelle Welten wie Club Penguin oder Barbie Girls. Hier sei erkennbar, dass nicht auf alles und jeden abgezielt wird, sondern Form und Inhalt die Bedürfnisse einer klar umrissenen Zielgruppe bedienen.
Das Fazit des Analysten lautet: "Unternehmen müssen lernen, dass virtuelle Welten den Übergang von Webpages zu Webplaces darstellen und dass ein erfolgreicher virtueller Auftritt mit Menschen und nicht mit Technik beginnt."
Gartner hat die Thesen von Analyst Steve Prentice unter dem Titel "Gartner says 90 per cent of corporate virtual world projects fail within 18 months" publiziert.