Vier Expertenmeinungen zu den Entwicklungen in der mobilen Kommunikation im neuen Jahr hat Al Sacco, Autor unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com zusammengetragen - und ihnen seine eigene Einschätzung gegenübergestellt.
1. Malware durch kostenlose Apps
Das Institut of Electrical and Electronics Engineers (abgekürzt IEEE, ausgesprochen "eye-triple-E") behauptet von sich, die weltgrößte Vereinigung für technischen Fortschritt zu sein. Wenn das wirklich so ist, meint Al Sacco mit leicht süffisantem Unterton, dann sollte das IEEE in der Lage sein, ein paar akkurate Vorhersagen für 2012 zu treffen, oder?
Die Vereinigung sagt voraus, dass die Zahl von Smartphone-Hacks steil ansteigen wird, meistens ausgeführt über kostenlos erhältliche "schurkische" Apps. IEEE-Experte Jeffrey Voas behauptet, bereits in mehr als 2.000 Apps Malware entdeckt zu haben. Zudem werde eine von 100 kostenlosen Apps im Jahr 2012 mit sichtbarer Malware verseucht sein, eine ungenannte Zahl überdies mit Malware, die nicht auf den ersten Blick zu sehen ist.
"Das Problem bei den kostenlosen Apps ist: Man zahlt einen Preis dafür, den man gar nicht kennt", meint Voas dazu. Zu den bevorzugten Opfern solcher Malware zählt IEEE-Seniormitglied Kevin Curran übrigens vor allem C-Level-Manager. "Je mehr Menschen dasselbe Gerät privat und geschäftlich nutzen, desto mehr werden Smartphone-Hacks ein Problem für Geschäfts- und Privatleute", so Curran. Unternehmen könnten sich dabei noch so sehr mit Firewalls schützen. Aber schon ein Mitarbeiter mit Malware auf dem Smartphone reiche aus, um solche Schutzwälle zu umgehen, warnt der IT-Experte.
CIO.com-Autor Al Sacco stimmt den Experten "aus vollem Herzen" zu, dass 2012 das Jahr der mobilen Malware werden wird. Er schätzt aber auch, dass eine gewisse Masse von Angriffen das Bewusstsein für diese Bedrohungen schärfen wird. So würden dann auch Maßnahmen gegen diese neue Angriffsflut wahrscheinlicher.
Sacco nennt übrigens Google Android als bevorzugten Überträger von Malware: Zum einen sei die Sicherheit von Android generell nicht so hoch, zum anderen wachse der Android-Markt sehr schnell. Schließlich würden viele Android-Anwender ihre Geräte "jailbreaken" und so potenziellen Angreifern zusätzliche Türen öffnen.
Die von Jeffrey Voas genannten Zahlen will Sacco nicht kommentieren, stimmt dem Experten aber in der Einschätzung zu, dass die meiste Malware über kostenlose Apps einfallen wird. Hier sei einfach die Zahl potenzieller Nutzer sehr viel größer als bei teuren kostenpflichtigen Anwendungen. Allerdings weist Sacco darauf hin, dass Malware auch Bestandteil bezahlter und legitimer Apps sein könnte. Er rät Anwendern grundsätzlich zu einer Portion Skepsis gegenüber Programmen aus zweifelhaften Quellen.
Ob schließlich mehr Geschäfts- oder mehr Privatleute Opfer von Malware-Attacken werden, ist offen, meint Al Sacco. Sicher sei aber, dass der Schaden im Business wesentlich größer sei, denn hier gehe es um den Zugang zu wertvollen Geschäftsinformationen.
2. Ortsbezogene Dienste bringen mehr Werbung aufs Smartphone
Zum Thema ortsbezogene Dienste ("Location Based Services", LBS) äußert sich Andrew Martin, Vizepräsident der Marketingfirma Metia aus Seattle: "Mobile Geräte machen ortsbezogene Dienste überhaupt erst möglich." Daher sei es logisch, dass ortsbezogene Werbung verstärkt werde. Allerdings bekämen dabei reine ortsbezogene Dienste wie Foursquare Probleme, weil soziale Plattformen wie Facebook oder Google+ ähnliche Funktionen in ihre Plattformen integrierten. Damit würden native LBS-Anwendungen überflüssig.
Al Sacco teilt die Meinung des Marketing-Experten: Wer nicht schon 2011 die ersten Gehversuche bei LBS-Diensten gemacht habe, werde das spätestens 2012 tun. Und es sei sehr wahrscheinlich, dass auch große Unternehmen entsprechende Initiativen starten würden, so Sacco. Die Anwender von werbefinanzierten Apps würden daher sehr viel mehr ortsbezogene Werbung zu sehen bekommen. Solche Formen von Reklame seien weniger aufdringlich für die Anwender und daher tendenziell effektiver als unspezifisch gestreute Werbung.
Dass LBS-Anbieter wie Foursquare Probleme durch Facebook und Co. kriegen, gesteht der erklärte Foursquare-Freund Al Sacco zu. Dafür spreche unter anderem die Tatsache, dass Facebook jüngst einen der Mitbegründer des LBS-Dienstes Gowalla abgeworben habe. Ein Ergebnis dieses Kopf-Deals gibt es schon: Ende Januar wird Gowalla seine Dienste offenbar einstellen.
3. Treueprogramme sollen Nutzer zu mobilem Bezahlen locken
Nach Meinung von Andrew Mikesell, bei Sybase 365 für mobilen Handel verantwortlich, wird 2012 das Jahr des Mobile Commerce. "Mit der zunehmenden Abhängigkeit der Anwender von Smartphones und Tablets wird auch das Interesse an Gutscheinen, Barcodes und NFC (Nearfield Communications) wachsen. NFC sei dabei aber nur Teil der Antwort auf die Nachfrage nach umfassenden Zahlungslösungen. Die Verbreitung solcher Technologien werde zudem eher von Bonus- und Treueprogrammen abhängen als von echten Bezahlservices.
Mikesells Kollege Bill Dudley pflichtet ihm bei und ergänzt, dass sowohl Googles Android als auch Apples iOS eine wichtige Rolle bei der Verbreitung solcher Bezahldienste spielen werden. So werde Google etwa seine Angebote an mobilen Zahlungsmitteln durch neue Partnerschaften mit Visa oder American Express ausdehnen, schätzt der Experte. Auch das für 2012 erwartete iPhone 5 werde mobile Zahlungsmöglichkeiten und NFC-Anwendungen bereitstellen, glaubt Dudley.
Und was glaubt Al Sacco? Auch der CIO-Kollege ist sich sicher, dass es verstärkte Bemühungen für das Verbreiten mobiler Zahlungsdienste geben wird. Neben Google mit Wallet nennt Sacco auch den Blackberry-Hersteller RIM mit seinem NFC-Service Tag. Auch ein NFC-fähiges iPhone werde der Nahfeldkommunikation zu einem spürbaren Aufschwung verhelfen. Sacco glaubt wie die zitierten Experten, dass die Verbreitung mobiler Zahlungssysteme zunächst vor allem durch Treue- und Bonusprogramme beschleunigt wird, die die Anwender langsam an die Möglichkeiten mobiler Zahlungen heranführen werden.
4. Windows Phone 7.5 bläst zur Aufholjagd
Es meldet sich noch mal Bill Dudley von Sybase 365 zu Wort: "In der zweiten Jahreshälfte 2012 wird die Wiederauferstehung von Windows Mobile 7 beginnen." Dazu werde Nokia ebenso entscheidend beitragen wie die im Oktober 2011 abgeschlossene Übernahme von Skype durch Microsoft. Bis Ende des Jahres werde Microsoft Samsungs Bada aus den Top 4 mit Android, iOS und BlackBerry verdrängt haben, schätzt Dudley.
Al Sacco stimmt auch hier prinzipiell zu: Mehr Geräte mit Windows Phone bedeuten zwangsläufig auch mehr Anwender von Windows Phones. Und mit der zunehmenden Verbreitung der Geräte werde es auch mehr Optionen für die Anwender geben, ist sich Sacco sicher. Von einer Wiederauferstehung möchte der CIO-Kollege indes nicht sprechen, das erscheint ihm dann doch ein wenig hoch gegriffen. Das gelte besonders, weil es Windows Mobile 7 ja so gar nicht gebe, sondern "nur" ein OS mit dem Namen Windows Phone 7.5. Das werde aber 2012 kaum so nach vorne kommen, wie es der Sybase-Experte behauptet, meint Sacco. Die Leute, die das mobile Windows in seinem Bekanntenkreis nutzten, könne er an einer Hand abzählen, so der für seine zahlreichen Artikel über Mobilthemen bekannte Journalist.
Trotzdem: Angesichts der Tatsache, dass derzeit nur sehr wenige Geräte mit Samsungs Bada laufen, könne Windows Phone schon deshalb an Samsung vorbeiziehen, weil Nokia so viele neue Geräte auf den Markt bringen wird, die mit dem Microsoft OS laufen.