Zwei politische Paukenschläge übertönten 2016 alle anderen Ereignisse und sorgten auch in der weltweiten IT-Branche für Unruhe und heftige Diskussionen. Am 23. Juni waren die Briten aufgerufen, zu entscheiden, ob ihr Land in der EU bleiben soll oder nicht. Im Vorfeld waren die meisten Experten und Meinungsforscher überzeugt, dass sich die Insel mehrheitlich für den Verbleib in der Europäischen Union entscheiden würde. Doch es kam anders. Das Gros der Briten votierte für einen Austritt aus der EU.
Das Beben, das diese Entscheidung auslöste, war gewaltig – politisch wie ökonomisch. Am Tag nach der Entscheidung knickten weltweit die Börsenkurse ein. Aktienwerte in einem Volumen von fünf Billionen Dollar lösten sich in kürzester Zeit in Luft auf. Der britische Premierminister David Cameron, der sein politisches Schicksal mit einem Pro-EU-Votum verknüpft hatte, erklärte postwendend seinen Rücktritt. Seine Nachfolgerin Theresa May, die wie ihr Vorgänger eigentlich gegen den EU-Ausstieg war, machte schnell klar, dass es keine Umkehr oder zweite Abstimmung geben werde: "Brexit heißt Brexit."
Diese Entscheidung erwischte auch die IT-Branche kalt. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder äußerte die Befürchtung, dass sich Großbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen werde. Für Unternehmen aus Deutschland bedeute dies, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Großbritannien beschäftigen müssten. "Sicher ist, dass durch den Brexit im Handel neue Bürokratie auf die Unternehmen zukommt", sagte Rohleder. Der Bitkom-Funktionär mahnte deshalb auch nach dem EU-Austritt Großbritanniens einen einheitlichen Rechtsrahmen an. "Ein gemeinsamer digitaler Binnenmarkt, der Großbritannien mit einschließt, muss unser Ziel bleiben", so der Lobbyist. "International einheitliche Regeln sind die Grundvoraussetzung für eine funktionierende und leistungsfähige digitale Wirtschaft."
Business as usual - trotz Brexit
In den Reihen der IT-Anbieter bemühten sich die Manager demonstrativ um Gelassenheit. "Wir setzen unser Geschäft wie gewohnt fort", hieß es beispielsweise bei Hewlett-Packard Enterprise EMEA/Germany. Man sei schließlich Veränderungen gewohnt. "Wir sind in Politik und Wirtschaft alle gut beraten, nichts zu überstürzen und verträgliche Lösungen zu erarbeiten", verlautete auch aus der Microsoft Deutschland GmbH. "Notfallpläne" brauche es jedenfalls nicht. Britische Firmen wie der Mobilfunkanbieter Vodafone überlegten indes offen, ihren Hauptsitz aus London zu verlegen. Es sei wichtig, weiterhin von der Freizügigkeit von Bürgern, Kapital und Gütern zu profitieren, teilte das Unternehmen mit.
Nachdem im Lauf des Sommers klar wurde, dass sich die Verhandlungen rund um den Brexit wohl länger hinziehen dürften und vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen drohen, beruhigte sich die Szenerie, und die Aufmerksamkeit verlagerte sich über den großen Teich in die USA. Dort stand im November die zweite große Entscheidung des Jahres 2016 an. Wer wird Nachfolger von Barack Obama und damit der nächste Präsident der Vereinigten Staaten?
Trump zieht neue Grenzen
Und wieder gab es eine deftige Überraschung. Meinungsforscher und Experten sahen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton schon als sichere Siegerin. Doch die Amerikaner wählten den Milliardär und Populisten Donald Trump zu ihrem neuen Präsidenten. Erneut war die Unsicherheit groß. Im Mittelpunkt von Trumps Aussagen bezüglich der künftigen Strategie und Rolle der USA im Weltmarkt standen die Ablehnung von Freihandel und eine Abschottung der heimischen Wirtschaft, wo immer es den Amerikanern dient.
Für die ITK-Branche, deren Credo die Auflösung von Grenzen durch das Internet ist, gibt es seitdem jede Menge Unwägbarkeiten. Wer in die USA exportieren und mit der weltgrößten Wirtschaft Handel treiben will, hat keine verlässlichen Rahmenbedingungen mehr. Erwartet werden neue Zölle sowie Quoten und Kontingente für die Einwanderung von Fachkräften. Trump hatte mehrfach klar zu verstehen gegeben, dass ihm die billigen Exporte aus China ein Dorn im Auge seien. Außerdem dürfe Arbeit nicht nach Indien ausgelagert werden, wenn gleichzeitig die Arbeitslosenquote in den USA steige.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) mahnte, Trump müsse nun Farbe bekennen. "Die digitale Wirtschaft in Deutschland und der gesamten EU erwartet verlässliche Rahmenbedingungen für die bewährte transatlantische Zusammenarbeit. Bestehende Freihandelsbeziehungen dürfen von der US-Regierung unter keinen Umständen in Frage gestellt werden – dies wäre Gift für die Weltwirtschaft." Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) forderte, man müsse stärker gegen den Populismus kämpfen und den Menschen die Chancen und Vorteile der Digitalisierung deutlicher machen. "Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl scheint vor allem auszudrücken, dass eine Mehrheit der Bürger von der bestehenden Politik und den positiven Elementen der Globalisierung nicht mehr erreicht werden und einen Wechsel wollen."
Digitalisierung verunsichert die Manager
Wechsel und Veränderungen zeichnen sich auch innerhalb von Unternehmen, ja ganzen Branchen ab. Das Zauberwort, das neue Chancen und mehr Geschäft verspricht, aber auch für große Verunsicherung sorgt, heißt Digitalisierung. IT lässt sich nicht mehr auf die Rolle eines Werkzeugs reduzieren, mit dessen Hilfe Abläufe noch ein wenig effizienter und damit kostensparender abgewickelt werden können. Die Effekte greifen viel tiefer. Analytics und künstliche Intelligenz versprechen, wesentlich mehr aus Daten herausholen und damit auch völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können.
Im Zuge des Internet of Things (IoT) und des mittlerweile immer mehr akzeptierten Cloud Computings greift darüber hinaus die Vernetzung aller Beteiligten – Firmen, Partner, Zulieferer, Kunden wie auch von Maschinen und Dingen – weiter um sich. Berechnungen von Accenture zufolge macht die digitale Wirtschaft bereits 22 Prozent der Weltwirtschaft aus, verglichen mit nur 15 Prozent im Jahr 2005 – und der Digitalanteil wird weiter wachsen. In einer Umfrage unter weltweit mehr als 3100 Business- und IT-Entscheidern erwarten 86 Prozent der Befragten in den kommenden drei Jahren Veränderungen, die schneller und tiefgreifender sein werden als je zuvor.
Dieses Disruptionspotenzial sorgt aber auch für Verunsicherung in den deutschen Chefetagen. Einer Bitkom-Umfrage zufolge rechnen fast zwei Drittel von über 500 befragten Unternehmen mit Veränderungen ihres Business-Modells im Zuge der Digitalisierung. Hinsichtlich der eigenen Fortschritte in Sachen digitale Transformation geben sich die Manager selbstkritisch.
Fast sechs von zehn Verantwortlichen sehen ihr Unternehmen eher als Nachzügler. Sieben Prozent glauben sogar, sie hätten den Anschluss verpasst. Insgesamt ergab die Studie, dass etliche Unternehmen schlecht auf den digitalen Wandel vorbereitet sind. Mehr als ein Viertel der Befragten räumte ein, noch gar keine Digitalstrategie zu haben.
Dazu kommt eine wachsende Furcht, kleine agile, rein digital ausgerichtete Startups könnten sich in die Wertschöpfungskette einklinken und so das eigene Geschäftsmodell kippen. Vor allem im Finanzbereich wird derzeit deutlich, welch drastische Veränderungen dieser Trend mit sich bringen könnte. Fintechs und Insurtechs rütteln am Business-Fundament von Banken und Versicherungskonzernen. Die tun sich schwer, über Jahrzehnte hinweg eingeschliffene Prozesse, an denen immer noch viel Geschäft hängt, zu reformieren oder komplett abzuschalten und selbst auf neue digitalisierte Prozesse umzustellen.
BMW, Daimler und VW brauchen Speed
Auch in der Automotive-Branche zeichnen sich massive Umbrüche ab. Die althergebrachten Mobilitätskonzepte erodieren schneller, als sich die Automobilhersteller neu positionieren können. Techniken rund um das vernetzte und autonome Fahren stehen ganz oben auf der Agenda von BMW, Daimler, VW und Co. Doch wie die Digitalisierung des Autofahrens in die Realität umgesetzt werden soll, bleibt ein einziges großes Experimentierfeld.
Kooperationen mit Internet-Konzernen wie Apple und Google werden geplant, aber auch schnell wieder verworfen. Die Automobilhersteller fürchten, potenzielle IT-Partner könnten die Herrschaft über die wertvollen Daten gewinnen, die in Zukunft Dreh- und Angelpunkt lukrativer Geschäfte sein werden. Nichts fürchten die Autobauer mehr, als zu bloßen Blechlieferanten degradiert zu werden. Konzerne wie Toyota beteiligen sich an Newcomern wie Uber. Ford investierte einen dreistelligen Millionenbetrag in den Softwareanbieter Pivotal, um Zugang zu Softwareentwicklungsmethoden sowie Cloud-Skills zu erhalten.
Die deutlichen Verschiebungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Zuge der Digitalisierung rufen verstärkt auch die Politik auf den Plan. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die deutsche Wirtschaft kurz vor der CeBIT zum Handeln in Sachen Digitalisierung aufgefordert: "Wer heute gute Maschinen, wer heute gute Autos herstellen kann, aber nicht in ausreichender Weise den Zugang zum Kunden bekommt, der wird morgen nicht mehr der Produzent oder der Hauptteil der Wertschöpfung sein", mahnte sie. Die CDU-Politikerin sprach von einem Wettlauf zwischen den Softwareanbietern, den großen Internet-Companies und der Industrie. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, müsse sich Deutschland sputen.
Die Bundesregierung kündigte einen milliardenschweren Zehn-Punkte-Plan an, um einen Rückstand beim digitalen Wandel zu verhindern. Zur "Digitalen Strategie 2025" von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gehören unter anderem der Glasfaserausbau sowie der Aufbau einer Digitalagentur. Es gehe darum, "wie wir als Europäer wettbewerbsfähig bleiben in dieser datengetriebenen Ökonomie", betonte Gabriel. Sein Ziel: Europa soll in fünf oder zehn Jahren die weltweit leistungsfähigste Infrastruktur haben.
Millionen Jobs gefährdet
Auch für die Gesellschaft dürfte die Digitalisierung Folgen haben. Für Aufsehen sorgte zu Jahresanfang eine Studie des Weltwirtschaftsforums. Demnach würden insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von Robotern und Automatisierung bis 2020 in den 15 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern rund fünf Millionen Jobs wegfallen. Schlüsseltechniken wie Machine Learning, künstliche Intelligenz, Robotik, Nano- und Biotechnik sowie 3D-Druck führten zu gewaltigen Umbrüchen nicht nur der Geschäftsmodelle, sondern auch in den Arbeitsmärkten, hieß es. Angesichts dessen rief US-Vizepräsident Joseph Biden die Regierungen dazu auf, sich auf staatliche Kernaufgaben zu konzentrieren.
Bildung, Infrastruktur und eine gerechtere Verteilung der Gewinne durch progressive Steuergesetze seien erforderlich, um die Veränderungen gesellschaftlich abzufedern. Einem Bericht der Weltbank zufolge führe die Digitalisierung nicht automatisch zu einer positiven Entwicklung. Immer noch seien Milliarden Menschen offline oder hätten kein Mobiltelefon. Menschen ohne Zugang zu digitaler Technik drohten immer mehr den Anschluss zu verlieren.
Die Auswirkungen der großen Beben auf die globalen IT-Geschäfte hielten sich derweil in Grenzen. Auch wenn beispielsweise Gartner-Analysten im Zuge des Brexit von einer deutlich spürbaren Verunsicherung sprachen, die in den kommenden Monaten anhalten und sich auch auf die Hightech-Ausgaben in ganz Europa auswirken werde, blieb die große Katastrophe aus. So prognostizierten die Gartner-Experten auf ihrem Europa-Symposium ITxpo in Barcelona, dass die ITK-Ausgaben in der Region EMEA in diesem Jahr zwar wenig, aber immerhin um 0,6 Prozent auf rund 1,23 Billionen Dollar anwachsen würden.
Für das kommende Jahr erwarten die Auguren ein Plus von 1,9 Prozent auf dann 1,25 Billionen Dollar. Weltweit rechnen die Gartner-Analysten 2016 mit einem ITK-Marktvolumen von knapp 3,4 Billionen Dollar. Das bedeutet für das laufende Jahr zwar ein leichtes Minus von 0,3 Prozent, doch 2017 sollen die globalen Geschäfte wieder deutlich anziehen – um 2,9 Prozent auf fast 3,5 Billionen Dollar.
Und auch für den deutschen ITK-Markt sieht es alles andere als düster aus. So rechnet der Bitkom für das laufende Jahr mit einem Wachstum in Höhe von 1,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Erstmals sollen die ITK-Geschäfte hierzulande die Marke von 160 Milliarden Euro knacken. Gerechnet wird mit Einnahmen von 160,5 Milliarden Euro. Auch für das kommende Jahr geht der Bitkom von einem deutlichen Plus aus. 2017 soll der deutsche ITK-Markt um weitere 1,2 Prozent auf dann 162,4 Milliarden Euro zulegen.
PCs verkaufen ist kein Spaß
Die einzelnen Marktsegmente entwickelten sich wie schon in den Jahren zuvor allerdings recht unterschiedlich. So haben die Hersteller von Endgeräten nach wie vor wenig Grund zur Freude, und das dürfte auch in den kommenden Jahren so bleiben. Beispiel PC-Markt: Die Absatzzahlen brachen zwar nicht mehr so drastisch ein wie noch im vergangenen Jahr. Doch der erhoffte Schub durch Windows 10 blieb aus. Das neue Microsoft-Betriebssystem konnte zwar das Enterprise-Geschäft etwas anschieben, der Abwärtstrend im Consumer-Bereich ließ sich damit aber nicht auffangen.
Dazu kommt, dass andere Devices längst nicht mehr so gefragt sind wie in der Vergangenheit. Der Tablet-Absatz ist rückläufig. Von zweistelligen Zuwachsraten, wie sie noch vor zwei oder drei Jahren an der Tagesordnung waren, kann die Branche nur noch träumen. Auch das Smartphone-Geschäft funktioniert längst nicht mehr so reibungslos wie früher.
Gartner zufolge werden die Hersteller von Mobiltelefonen 2016 weltweit knapp 1,89 Milliarden Geräte verkaufen, weniger als im vergangenen Jahr mit knapp 1,92 Milliarden Devices. In den kommenden Jahren sollen die Verkäufe zwar wieder etwas zulegen, doch die Wachstumsraten bleiben im unteren einstelligen Prozentbereich. Viele Märkte, gerade in der westlichen Welt, zeigen deutliche Sättigungstendenzen, und die Neuentwicklungen der Smartphone-Hersteller sind längst nicht mehr so revolutionär, als dass man sich jedes Jahr ein neues Gerät zulegen müsste.
Hat Apple seinen Zenit überschritten?
Das bekam 2016 auch Branchenprimus Apple zu spüren. Die Geschäfte des iPhone- und iPad-Erfinders, der in den zurückliegenden Jahren Milliarden Dollar mit seinen Devices gescheffelt hatte, kamen zuletzt etwas ins Stottern – zumindest wenn man als Maßstab die Zahlen der vergangenen Jahre sowie die hohen Erwartungen der über die Jahre hinweg verwöhnten Börsianer anlegt.
2016 wird Apple weniger iPhones verkaufen als im Vorjahr, kalkulierten die Analysten von IDC und sprachen von einem entscheidenden Moment für den Konzern. Zudem verbuchte Apple im Fiskaljahr 2015/16 erstmals seit 2001 wieder einen Umsatzrückgang – minus acht Prozent. Auch der Jahresgewinn schrumpfte um 14,4 Prozent. Sorgen muss man sich um Apple aber nicht machen angesichts eines Jahresumsatzes von 215,6 Milliarden Dollar und eines Reingewinns von 45,7 Milliarden Dollar. Der Konzern sitzt auf einem Geldberg von über 230 Milliarden Dollar.
Allerdings dürfte für das Apple-Management das Jonglieren mit den Milliarden in Zukunft nicht mehr so einfach werden. Der Großteil des Apple-Schatzes liegt außerhalb der USA. Beim Rücktransfer in die Staaten würden hohe Steuern von bis zu 40 Prozent fällig. Andererseits hat der designierte US-Präsident Trump bereits damit gedroht, Unternehmen, die außerhalb der USA produzieren und ihre Gewinne in Steuerparadiesen verbuchen, kräftig in die Parade fahren zu wollen. Diese Drohungen scheinen Wirkung zu zeigen. So lässt Apple derzeit prüfen, wie sich die iPhone-Produktion zurück in die USA verlagern lassen könnte.
Doch auch in Europa droht Apple Ärger. Europäische Behörden haben den Konzern wegen seiner Steuervermeidungsstrategie ins Visier genommen. So hat die französische Steuerbehörde Apple eine Nachzahlung über 400 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Außerdem schwelt der Steuerstreit in Irland, wo Apple sein europäisches Hauptquartier unterhält. Irland habe dem US-Konzern über Jahre unzulässige Steuervergünstigungen gewährt, urteilte die EU-Kommission im Sommer.
Der irische Fiskus müsse daher bis zu 13 Milliarden Euro von Apple einfordern. Doch der irische Staat wehrt sich gegen den Vorwurf, unerlaubte staatliche Beihilfen gewährt zu haben, und will Beschwerde gegen den Beschluss der Kommission einlegen. Nach EU-Angaben hat Apple in Irland nur einen Steuersatz von 0,005 bis ein Prozent auf seine Gewinne bezahlt.
Microsoft - auf einmal cool
Angesichts all dieser Querelen scheinen die goldenen Zeiten bei Apple erst einmal vorbei. Wie auch die Zeiten, in denen der Konzern mit neuen Produktvorstellungen bei seinen Fans regelrechte Begeisterungsstürme entfachen konnte. Stattdessen sorgte Microsoft im ablaufenden Jahr für die Überraschungen und macht zunehmend auf Apple. 2015 hatten die Redmonder schon mit ihrem Laptop-Tablet-Hybrid Surface Book für Furore gesorgt.
Im Herbst 2016 legte Microsoft nach und stellte mit dem Surface Studio einen All-in-One-PC vor. Highlight ist das 28 Zoll große PixelSense-Touch-Display im 3:2-Format (4500 mal 3000 Pixel), das über eine Milliarde Farben darstellen kann und gerade einmal 1,25 Zentimeter dick ist. Der Clou: Das Display ist über eine raffinierte Scharniermechanik stufenlos neigbar und bietet den Nutzern damit verschiedene Arbeitsmodi – vom klassischen PC-Arbeitsplatz bis hin zum Groß-Tablet. Mit dem Surface Dial bietet Microsoft neben Maus und Tastatur ein neuartiges drehbares Eingabegerät mit haptischem Feedback, das das Arbeiten mit Kreativanwendungen rund um Video, Audio und Grafik unterstützen soll.
Beim Start des Surface-Tablets im Jahr 2012 hätte kaum ein Experte darauf gewettet, dass Microsoft mit seiner Hardware gegen Apple auch nur den Hauch einer Chance bekommt. Heute sieht das ganz anders aus. Tablet, Notebook sowie ein schicker All-in-One-PC – und vor allem der Coolness-Faktor stimmt. Den hatte bis dato Apple für sich gepachtet.
Die neuen Geräte machen deutlich, wie stark sich der weltgrößte Softwarekonzern derzeit verändert. Das wird auch an anderer Stelle immer klarer. Stand früher die Lizenzware Windows und Office im Rampenlicht, ist es heute die Cloud. Neben Microsoft sind auch die anderen großen Softwarekonzerne Oracle und SAP ganz auf Cloud-Kurs eingeschwenkt. Neue Produkte werden inzwischen zuerst für die Cloud entwickelt, bevor sie auch als klassische On-Premise-Software auf den Markt kommen. Die Verantwortlichen der Anbieter wurden auch 2016 nicht müde, zu jeder Quartalsbilanz wieder zu betonen, wie rasant doch das eigene Cloud-Geschäft wachse.
Kratzer in Cloud-Politur
Doch der Umbau des Softwaregeschäfts drückt auf die Zahlen. Haben die großen Konzerne in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden mit Lizenzen und Wartung verdient, müssen sie sich in der Cloud von den hohen Margen der Vergangenheit verabschieden. So hatten denn auch Microsoft wie Oracle rückläufige Umsätze und Gewinne zu beklagen. Einen hässlichen Kratzer bekam die Cloud-Politur der großen Anbieter Anfang des Jahres durch eine Gartner-Studie.
Die Analysten behaupteten, IBM, Microsoft, Oracle und SAP wiesen ihre Cloud-Einnahmen allzu kreativ aus. Sie gingen mit irreführenden Umsatzzahlen hausieren und nutzten Cloud-bezogene Wachstumsraten, um ihr Profil in hart umkämpften Wachstumsmärkten zu schärfen. Weiter befeuert wurde die Kritik durch die Vorwürfe einer ehemaligen Oracle-Mitarbeiterin. Sie sei von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden, Einnahmen irregulär als Cloud-Umsätze zu verbuchen. Als sie sich weigerte, bei diesen Praktiken mitzumachen, sei sie entlassen worden. Oracle wies die Anschuldigungen als Racheakt einer Under-Performerin, die ihren Job verloren habe, zurück und kündigte eine Klage an.
Im Cloud-Business bekommen es die alteingesessenen IT-Anbieter zudem mit neuen Wettbewerbern zu tun. Branchenprimus ist Amazon Web Services (AWS). Quartal für Quartal steigerte der Online-Händler seine Cloud-Einnahmen, auf zuletzt 3,2 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2016, ein Plus von 55 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Dazu kommt, dass es längst nicht mehr nur Infrastruktur- oder Plattformdienste sind, mit denen AWS Geld verdient. Der Cloud-Anbieter wildert zunehmend im Revier der klassischen Softwareanbieter, beispielsweise mit einer eigenen Datenbank-Engine aus der Cloud. Gleiches gilt für Google. Der Suchmaschienenspezialist baut sein Cloud-Angebot kontinuierlich mit Apps und Schnittstellen zu eigenen Diensten wie Bild-, Sprach- und Texterkennung aus.
Siemens und GE bauen IoT-Plattformen
Für die Anwender wird der Markt damit zunehmend komplexer und unübersichtlicher. Das zeigt sich auch an anderer Stelle. Gerade im Umfeld von IoT erwächst den klassischen IT-Anbietern, die gerne an den Schalthebeln von Technik und Daten sitzen würden, neue Konkurrenz. Industriekonzerne wie Siemens und General Electric (GE) bauen eigene Plattformen für das Internet der Dinge und das kommende neue Industriezeitalter. Dafür nahmen die Unternehmen viel Geld in die Hand.
Siemens schluckte Anfang des Jahres für eine knappe Milliarde Dollar CD-adapco, einen Anbieter von Simulationssoftware. Ende des Jahres kauften die Münchner den US-Spezialisten für Automatisierungssoftware Mentor Graphics für 4,5 Milliarden Dollar. Aber auch Konkurrent GE blieb nicht untätig. Die Amerikaner übernahmen unter anderem ServiceMax, einen Spezialisten für "Mobile Field Force" für 915 Millionen Dollar. Außerdem heuern Firmen wie Bosch und Continental große Entwicklermannschaften an und werden damit mehr und mehr zu Softwarefirmen.
Überhaupt war es ein schwieriges Jahr für die alten IT-Granden. Turbulent lief das Jahr für Firmen wie DellEMC sowie die beiden Spaltteile von Hewlett-Packard – es hieß: sich schütteln, neu sortieren und die Geschäfte erst einmal wieder richtig auf die Schiene setzen. Bei Dell und EMC ging es in erster Linie um Integration. Die größte Übernahme der IT-Geschichte mit einem Volumen von über 60 Milliarden Dollar wurde 2016 von den Behörden und Aktionären abgenickt. Das Unternehmen firmiert nun unter Dell Technologies, hat rund 140.000 Mitarbeiter und steht für einen geschätzten Jahresumsatz von 74 Milliarden Dollar.
Bei HPE geht das Spalten weiter
Weniger Integration, stattdessen mehr Spaltung stand bei HP auf der Tagesordnung. Nachdem sich der Traditionskonzern Ende 2015 in die Business-Sparte HP Enterprise (HPE) und HP Inc., die das PC- und Druckergeschäft weiterbetreibt, aufgespalten hatte, dachte man, dass nun Ruhe einkehren würde. Doch weit gefehlt. Im Mai gab HPE überraschend bekannt, das Servicegeschäft abspalten und mit CSC fusionieren zu wollen. In dem neuen Servicegiganten mit einem Jahresumsatz von 26 Milliarden Dollar sei das Dienstleistungsgeschäft besser aufgehoben, hieß es von HPE. Und es ging noch weiter. Im September gab HPE sein Software-Business an den britischen Softwareanbieter Micro Focus ab.
Dell und EMC zu einem Infrastrukturriesen fusioniert, HP zerschlagen und eine IBM, die seit Jahren schrumpft: Für die großen IT-Traditionsanbieter könnte 2017 das Jahr der Wahrheit werden. Und wer weiß – vielleicht gelingt dem einen oder anderen wirklich das große Comeback. IBM beispielsweise baute zuletzt massiv seine Techniken rund um Cognitive Computing und Watson aus. Eine Strategie, die aufgehen könnte. Nach Einschätzung vieler Experten werden sich Themen wie künstliche Intelligenz und Machine Learning zu Schlüsseltechnologien entwickeln.
Gartner zufolge ist die Zeit reif für einen breiten Einsatz von Artificial-Intelligence-(AI-)Systemen. Das Ganze sei längst nicht mehr nur ein Spielfeld für Tüftler und Freaks. Crisp Research spricht schon vom postdigitalen Zeitalter, in dem Maschinen und Roboter mit menschlichen Eigenschaften agierten.
Schlaue Maschinen
Ein Thema, das auch im kommenden Jahr keine Langeweile aufkommen lassen dürfte, zumal die Diskussionen weitergehen werden. Während die einen Experten warnen, Maschinen könnten den Menschen das Heft aus der Hand nehmen und die Kontrolle an sich reißen, wiegeln andere ab. Diane Greene, die das Cloud-Geschäft bei Google verantwortet, sagte vor Kurzem, sie glaube nicht, dass maschinelle Intelligenz zu ihren Lebzeiten die Intelligenz des Menschen überflügeln werde.
Für Spannung dürften 2017 auch einige andere Techniken sorgen, die in diesem Jahr schon gehörig Schwung aufgenommen haben. Dazu zählen beispielsweise die Themen Augmented und Virtual Reality. Etliche Anbieter haben bereits entsprechende Brillen beziehungsweise Apps für die Verschmelzung von realer und virtueller Welt vorgestellt. Auch Drohnen dürften wieder für Gesprächsstoff sorgen.
Während die Behörden weltweit fieberhaft nach Reglements für den Flugverkehr suchen und überlegen, Führerscheine für Drohnenpiloten einzuführen, bauen die Hersteller schon an den neuesten Geräten. Pilotversuche, die Fluggeräte für die Zustellung von Paketen oder als Pizzaboten einzusetzen, laufen bereits. Für die Auslieferung von Päckchen rollten 2016 auch die ersten kleinen Fahrroboter hierzulande durch die Straßen. Und das alles dürfte erst der Anfang sein.
Top und Flop des Jahres
Anfang Juli startete Pokémon Go und löste einen beispiellosen Hype aus. Die App brach sämtliche Download-Rekorde – bis Anfang Dezember soll das Spiel 600 Millionen Mal heruntergeladen worden sein. Millionen Menschen machten sich mit ihrem Smartphone auf die Augmented-Reality-Jagd nach den digitalen Monstern. Der Hype zog schnell weitere Kreise. Findige Händler legten rund um ihre Ladengeschäfte Lockstoffe aus, um Monster und damit auch potenzielle Kunden anzulocken. Zwar flachte der Hype nach ein paar Wochen wieder ab, viele Spieler kehrten dem Spiel den Rücken. Trotzdem blieb Pokémon Go das profitabelste Smartphone-Game aller Zeiten. Hersteller Niantic will das Spiel weiterentwickeln.
Das Debakel des Jahres erlebte Samsung mit seinem Galaxy Note 7. Das Highend-Gerät, mit dem die Südkoreaner eigentlich Apple das Wasser abgraben wollten, wurde mit fehlerhaften Akkus auf den Markt gebracht. Etliche Geräte explodierten oder gingen in Flammen auf. Weil Samsung die Probleme nicht in den Griff bekam, musste das Gerät komplett aus dem Programm und vom Markt genommen werden. Zwischenzeitlich hatten sogar Fluglinien wie die Lufthansa angeordnet, dass Passagiere keine Galaxy-Note-7-Geräte mitnehmen dürften. Die Folgen kamen Samsung teuer zu stehen. Insgesamt könnte das Fiasko rund fünf Milliarden Euro kosten.
Kurioses: Unterwasser-Rechenzentren und tierische Drohnenjäger
Nass: Auf der Suche nach Rechenzentrums-Standorten in kühlen Umgebungen geht Microsoft mit dem "Project Natick" einen ungewöhnlichen Weg. Hochstandardisierte gekapselte Rechenzentren sollen ins Meer verlagert werden.
Luftig: Die niederländische Polizei trainiert Adler, um Drohnen in der Luft abzufangen. Sicherheitsbehörden müssten sich mit Drohnen beschäftigen, hieß es. Beispielsweise ließen sich die Fluggeräte dazu missbrauchen, Drogen oder Waffen in Gefängnisse zu schmuggeln. Auch Regierungsgebäude oder kritische Infrastrukturen wie Kern- und Wasserkraftwerke könnten durch Drohnen bedroht werden.
Bedröhnt: Microsoft hat eine Partnerschaft mit dem Marihuana-Startup Kind Financial bekannt gegeben. Beide Firmen wollen eine Software vertreiben, die Behörden den Verbleib der Hanfpflanzen vom Samen bis zum Verkauf überwachen hilft.
Tödlich: Zwischen März 2014 und September 2016 starben 127 Menschen durch Selfies. Zu diesem Ergebnis kam die Studie "Me, Myself and My Killfie: Characterizing and Preventing Selfie Deaths" der US-amerikanischen Cornell University. Die meisten Todesopfer gab es in Indien, gefolgt von Pakistan und den USA. Deutschland wurde nicht erwähnt. Die häufigste Todesursache: Menschen stürzten in einen Abgrund. Auf Platz zwei folgte Tod durch Ertrinken: Manche Selfie-Macher fielen in einen Fluss.