IT-Manager wetten

2023 gibt's den Daten-Recorder am Körper

13.11.2012 von Helmut Schlegel
CIO Helmut Schlegel vom Klinikum Nürnberg wettet, dass in zehn Jahren jeder zwanzigste Bürger über 60 einen medizinischen Datensammler am Körper tragen wird.
Helmut Schlegel ist Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Krankenhaus IT-Leiterinnen/Leiter e.V. und Leiter IT Verbund am Klinikum Nürnberg.
Foto: Klinikum Nürnberg

"Ich wette, dass in zehn Jahren jeder zwanzigste Bürger über Sechzig einen medizinischen Datenkommunikator am Körper tragen wird."

Der Kostendruck im deutschen Gesundheitswesen verlangt von den Akteuren jegliche erfolgversprechenden Ansätze von Einsparmöglichkeiten. Ein seit Jahren von Kostenträgern des Gesundheitssystems verfolgter Ansatz ist die Stärkung der Prävention. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine effektive Früherkennung und Vermeidung von Krankheitsbildern kostengünstiger ist als deren aufwendige nachträgliche Therapie.

Diese Rechnung geht unter volkswirtschaftlicher Betrachtung auf, weil dadurch kostenrelevante Auswirkungen auf die Arbeitsmarktverfügbarkeit und Belastung der weiteren Sozialsysteme reduziert werden. In den vergangenen Jahren wurde dazu eine Vielzahl von Forschungs- und Entwicklungsprojekten aufgelegt. Nahezu alle dieser Initiativen haben positive und auch für den Praxiseinsatz erfolgsträchtige Ergebnisse produziert. Innovative Schwerpunkte in diesem Zusammenhang waren:

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Foto: cio.de

Die integrative Verknüpfung dieser Ansätze und Innovationen unter dem Paradigma der Prävention weist unter einigen weiteren auf einen erfolgversprechenden Lösungsansatz hin, den man unter dem Begriff "Patienten-Monitoring" zusammenfassen kann. Einfach ausgedrückt meint diese Bezeichnung eine Ausweitung des auf den Intensivstationen in den Kliniken eingesetzten Patientendaten-Monitorings über PDM-Systeme (Patientendaten-Management-System), wobei hier allerdings die Zielsetzung anders gelagert ist.

Multifunktionaler Daten-Recorder groß wie eine Armbanduhr

Zur Umsetzung dieser spürbaren Erhöhung der Qualität der Gesundheitsversorgung über präventive Früherkennungsmethoden müssen diese Erfahrungen "industriell" umgesetzt (Produkt- und Serviceentwicklung) und über "Distributionskanäle" (Arztpraxen und Krankenhäuser) an den Mann/die Frau (Patienten) gebracht werden. Als gesetzte Zielsetzung werden in zehn Jahren fast alle älteren und zusätzlich die chronisch gefährdeten Bürger in hoch entwickelten Industrienationen respektive wohlhabenden Ländern einen multifunktonalen medizinischen Daten-Recorder in der Größe einer Armbanduhr am Körper tragen.

Über Sensoren werden Vitalwerte des Trägers aufgezeichnet (Puls, Herzrhythmus, Temperatur, Blutzucker, Blutdruck und weiteres) und im Verbund mit dessen personalisierten Grenzwerten einem permanenten Monitoring zugeführt. Die personalisierte beziehungsweise individualisierte Medizin versucht, spezifische Faktoren zu identifizieren, mit denen sich Erkrankungswahrscheinlichkeiten und Wirkungen von Behandlungsverfahren besser vorhersagen lassen.

Medizinische 24/7-Betreuung mit GPS

Eine Überschreitung von festgelegten Limits oder eine Annäherung an kritische Werte wird dem Träger in Form von eindeutigen Signalen mitgeteilt. Überschreitungen über längere Zeit werden via UMTS oder künftig mittels dann aktueller, alternativer Übertragungstechniken an medizinische Servicezentren übermittelt. Diese Zentralen können rund um die Uhr über Alarmierungsfunktionen medizinische Notdienstfunktionen zu der enthaltenen GPS-Verortung des Trägers starten.

Aus dieser Anforderung werden sich neue Geschäftsmodelle etablieren, und für dieses aufkommende Business wird die Informationstechnologie unverzichtbar, um nicht zu sagen, lebenswichtig sein. In diesem Zusammenhang ist die IT sozusagen Business Enabler. Größere Krankenhäuser und Krankenhausverbünde, zusammengeschlossene Arztnetzwerke oder auch eigens gegründete Unternehmen (etwa Ableger der Pharmaindustrie) werden als Anbieter beziehungsweise Betreiber von medizinischen Servicezentren dieser neuen Ära fungieren. Die Finanzierung wird über Zuzahlungen der potenziellen Patienten erfolgen.

Die Kostenfrage

Dabei ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die klassischen Kostenträger diese Finanzierung übernehmen, weil es über einen Zeitraum von mehreren Jahren betrachtet deutlich wirtschaftlicher ist, die Kosten eines Gesundheits-Monitorings für Risikopatienten zu tragen, als die Therapie und Reha zum Beispiel eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalls zu bezahlen.

Ein Teil dieses Gesundheits-Monitorings wird integrativer Bestandteil des Ambient Assisted Living (AAL) beziehungsweise umgebungsunterstützten Lebens sein. Dieses Modell umfasst Methoden, Konzepte, (elektronische) Systeme, Produkte sowie Dienstleistungen, die das alltägliche Leben älterer und auch benachteiligter Menschen situationsabhängig und unaufdringlich unterstützen.

Zum heutigen Zeitpunkt verfügen laut einer in Nordrhein-Westfalen aufgelegten Studie aus dem Jahr 2009 lediglich zwei Prozent der Bevölkerung über konkrete Erfahrungen mit telemedizinischen Verfahren. Weiterhin verweist die Studie auf eine skeptische Haltung der über 75-Jährigen. Damit dürfte die größte Herausforderung für die Protagonisten darin liegen, Vertrauen in diese Technik bei technikaffinen älteren Menschen zu erzeugen.

Gleichwohl bin ich davon überzeugt, dass in zehn Jahren fast alle älteren und die chronisch erkrankten Bürger in den europäischen Industrienationen am Körper einen multifunktionalen, mit Sensoren ausgestatteten Daten-Recorder tragen. Mittels dieses Aufzeichnungs- und Kommunikationsgeräts ist die genannte Klientel zur präventiven Überwachung mit einem medizinischen Service-Center verbunden, und zwar dann, wenn die relevanten Vitaldaten in Risikobereiche von personifizierten Grenzwerten kommen.

Ich freue mich auf Ihre Gegenwette!

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