Nicht erst seit Corona verändert das digitale Arbeiten unseren Berufsalltag. Wir sind "always on", müssen mit deutlich mehr Arbeitsbelastung umgehen. Bei zusätzlicher Betreuung von Kindern, Homeschooling oder sonstigen Einschränkungen durch mal mehr oder weniger Lockdown erfordert unsere (Berufs-)Alltagsgestaltung ein ganz anderes Maß an Flexibilität und Organisation von uns. Einige Unternehmen wie SAP und Linkedin haben diese Sonderbelastung erkannt und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unlängst einen "Mental Health Day" geschenkt - also einen zusätzlichen freien bezahlten Urlaubstag.
Psychische Erkrankungen wie etwa "Burnout" haben sich zu einem globalen Problem entwickelt. In einer internationalen Befragung des Harvard Business Review zum Einfluss der Pandemie auf den Arbeitsalltag gaben 89 Prozent der Befragten an, dass sich ihr Arbeitsleben verschlechtert habe. Insgesamt 85 Prozent beschreiben eine Abnahme ihres Wohlbefindens.
Schreckgespenst Berufsunfähigkeit
Auch in Deutschland sehen wir eine stetige Zunahme. Das zeigt sich vor allem in den jährlichen Erhebungen des statistischen Bundesamtes oder der Versicherungen zum Thema Berufsunfähigkeit. Mittlerweile wird jede dritte Person berufsunfähig aufgrund von Depressionen, Burnout oder anderen psychischen Ursachen.
Mit rund 30 Prozent sind psychische Erkrankungen damit mittlerweile fast seit zehn Jahren auf Platz eins der häufigsten Gründe für Berufsunfähigkeit - vor den Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates (rund 21 Prozent), Krebs oder anderer bösartiger Geschwüre (17 Prozent), Unfälle im Arbeitsleben (knapp acht Prozent) sowie Herz- und Gefäßerkrankungen (sieben Prozent).
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Betroffene laut einer aktuellen Umfrage des Verbands für psychologische Psychotherapeuten durchschnittlich sechs Monate auf einen Therapieplatz warten müssen. Damit sind langwierige Arbeitsausfälle programmiert.
Was können Unternehmen tun?
Dass Unternehmen die Notwendigkeit von Mental Health erkennen, ist ein erster wichtiger Schritt. Es braucht aber viel mehr - nämlich nachhaltige Konzepte. Mentale Gesundheit muss eine etablierte Säule im Unternehmenskontext werden. Ein Tag allein reicht nicht aus, um Vorurteile und Stigmatisierung von Be- und Überlastung am Arbeitsplatz oder im (Berufs-)Alltag abzubauen. Die Prävention psychischer Erkrankungen und Belastungsfaktoren im (Arbeits-)Alltag muss zum Standard der Unternehmenskultur werden.
Unternehmen müssen zudem die Eigenverantwortung jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters fördern und unterstützen. Wie können Mitarbeiter selbst herausfinden, wie es um sie steht? Eine einfache Übung kann dabei helfen, eine erste Bestandsaufnahme durchzuführen:
Woran merkst du, dass du am Limit bist?
Stell dir folgende Fragen:
Bist du häufig erschöpft und denkst: "Bald kann ich wirklich nicht mehr?"
Versuchst du, es allen Recht zu machen und kommst dabei selber viel zu kurz?
Sendet dir dein Körper Stresssignale, aber deine Erholungsphasen reichen nicht mehr aus?
Wenn du alle Fragen mit "ja" beantworten kannst, solltest du dich mit deiner psychischen Gesundheit beschäftigen. Erlaube dir den Blick auf deine individuellen Belastungsfaktoren. Wo und wann kommst du an deine Grenzen? Wie kannst du deine mentale Gesundheit wieder fördern und dir etwas Gutes tun?
Es müssen nicht immer "große" Dinge sein. Es reicht völlig aus, die Kleinigkeiten im (Berufs-)Alltag wieder für sich selbst zu nutzen.
3 Tipps für mentale Stärke im Homeoffice
Mache bewusst Pausen. Auch wenn gemeinsame Social Events am Bildschirm die Zugehörigkeit am Arbeitsplatz und das Teamgefühl stärken. Gönne dir ab und zu eine Tasse Kaffee oder Tee abseits vom Homeoffice-Arbeitsplatz. Verlasse den Bildschirm für nur fünf bis zehn Minuten. Nimm deine Tasse Kaffee und genieß sie bei offenem Fenster, auf dem Balkon oder vielleicht sogar dem Garten.
Bewege dich! Steh auf! Stelle deine Wasserflasche vielleicht nicht direkt neben dir am Arbeitsplatz hin, sondern nutze eine entfernte Lagerung als Möglichkeit, in Bewegung zu gehen, die Position zu wechseln und dich bewusst auf den Weg "vom Computer weg" zu machen.
Priorisiere deine Aufgaben. Nicht alles ist gleich wichtig. Nimm dir jeden Morgen - oder auch gern am Ende eines Arbeitstages als Vorbereitung für den nächsten Tag - Zeit, deine anstehenden Aufgaben zu notieren, sie zu priorisieren und dir zu überlegen, wieviel Zeit du dafür benötigen wirst. Plane Zeitpuffer ein, denn es kann immer mal etwas Unerwartetes dazwischen kommen. Wenn möglich, gib unnötige Aufgaben ab. Delegiere!