Den Ruf, strategischer zu handeln, dürfte mittlerweile jeder Manager gehört haben. Bleibt die Frage nach dem Wie. Und hier suchen tatsächlich noch immer viele Führungskräfte nach den richtigen Mitteln, schreiben Michael Birshan und Jayanti Kar von McKinsey im neuen „McKinsey Quarterly“, dem Magazin des Beratungshauses. Aus einer eigenen weltweiten Führungskräfte-Umfrage und ihrer täglichen Beratungspraxis leiten sie ab, dass strategische Überlegungen immer mehr Zeit auf den Führungsetagen beanspruchen und dass darin heute statt einem kleinen abgeschotteten Zirkel mehr Führungskräfte eingebunden sind als noch vor wenigen Jahren. Dennoch: Nur in wenigen Firmen hätten alle Mitglieder aus der Geschäftsleitung „gut entwickelte strategische Muskeln“, wie Birshan und Kar schreiben.
Auch auf dem sogenannten C-Level beobachten die Autoren das. Manche Manager gelangten dorthin vor allem wegen ihres Spezialwissens, und selbst mancher CEO sei viel stärker im Umsetzen von Projekten als im strategischen Denken. Einige Firmen haben deswegen in den vergangenen Jahren die Position des Chief Strategy Officers geschaffen. Doch selbst Inhaber dieses Postens gaben gegenüber den McKinsey-Beratern zu, sich nicht wirklich ausreichend für diese Aufgabe gerüstet zu sehen.
Aus all dem schließen Birshan und Kar: Ein paar grundlegende Hinweise und Anregungen, wie man eine strategische Führungskraft wird, schaden keinem Manager. Sie räumen ein, ihre drei Tipps klängen zum Teil herrlich einfach – doch offenbar müsse man vielen bei dem Thema zunächst ganz grundlegendes Rüstzeug mitgeben.
1. Verstehen, was Strategie in der Branche bedeutet
Wohl jeder, der auf der oberen Führungsebene eines Unternehmens ankommt, hat bis dahin eine Reihe von Konzepten und Rahmenwerken zum Thema Strategie kennen gelernt – ob in einem MBA, einem Führungskräfte-Training oder unternehmensinternen Weiterbildungen. Die meisten dieser Ansätze sind anwendbar auf jede Branche. Und das ist aus Sicht von McKinsey ein Problem.
Grundsätzliche, branchenneutrale Ansätze können aus ihrer Sicht in die Irre führen. Gefordert sei, strategisch zu denken im Kontext mit der eigenen Branche – und zwar nicht nur bei turnusgemäßen größeren Strategieüberlegungen. „Führungskräfte müssen die wirtschaftlichen Gegebenheiten, die Psychologie und die gültigen Rechtsnormen ihrer Branche studieren, verstehen und verinnerlichen, so dass diese Zusammenhänge sie kontinuierlich leiten“, schreiben die Berater.
Ein Beispiel: Wer in der Hightech-Industrie ein Unternehmen nach vorn bringen wolle, müsse sich unter anderem mit Plattformen und Standards auskennen. Ein Manager eines Energieversorgers dagegen müsse viel Wissen über und ein Gespür für die Energiepolitik in den Märkten mitbringen, in denen sein Unternehmen aktiv ist.
2. Erkennen, welche Bedrohungen dem Unternehmen bevorstehen
Indem Unternehmen mehr Führungskräfte in strategische Diskussionen einbinden, sollte die Wahrscheinlichkeit steigen, dass tiefgreifende Veränderungen rechtzeitig identifiziert werden – wirtschaftliche Entwicklungen oder technologische Einschnitte der Art, die dem einen Unternehmen zum Höhenflug verhelfen und dem anderen das Genick brechen. Doch automatisch steigt die Chance auf Früherkennung solcher Störgrößen mit der Zahl der Beteiligten nicht, beobachten Birshan und Kar.
Ein Grund dafür: Für viele erfordere der Aufstieg auf der Karriereleiter ein tiefes Verständnis der branchenspezifischen Technologien, die auch in den Produkten des Unternehmens enthalten sind. Kenntnisse in Technologien, die über Wirtschaftszweige hinweg tiefgreifende Veränderungen bringen können, seien auf den ersten Blick von ihnen nicht verlangt. Birshan und Kar denken dabei an Neuerungen wie das Internet der Dinge. Viele Führungskräfte delegierten das Bewerten solcher Innovationen nur allzu gern an den CIO oder CTO. Dabei seien es gerade derartige grenzüberschreitende Entwicklungen, die Wertschöpfungsketten und das Geschäftsmodell ganzer Branchen auf den Kopf stellten.
Also was tun? Einen Königsweg weisen Birshan und Kar nicht. Stattdessen nennen sie Möglichkeiten, am Puls der Technik zu bleiben: ab und zu ein paar Tage mit der technologischen Avantgarde etwa im Silicon Valley zu verbringen und dort mit Firmenchefs, Investoren oder Forschern sprechen, oder sich regelmäßig mit einer Gruppe jüngerer, technikaffiner Nachwuchskräfte zu besprechen.
Ein zweiter, leicht zu übersehender Gefahrenherd sind aus Sicht von Birshan und Kar aufstrebende Konkurrenzunternehmen. Natürlich sei Marktbeobachtung und der Blick auf Mitbewerber im Bewusstsein erfahrener Führungskräfte meist fest verankert. Nicht wenige Unternehmen unterhielten schließlich eigene Einheiten mit der Aufgabe, Informationen über die Konkurrenz zu sammeln. Doch konzentrierten sich manche dabei nur auf wenige große Mitbewerber. Junge, wendige Firmen drohten bei dieser Sichtweise übersehen zu werden.
3. Richtig über Strategie kommunizieren
Der Austausch über Strategie verlangt von allen Beteiligten Disziplin in der Kommunikation. Regelmäßige Treffen von zwei bis vier Stunden jede Woche oder alle 14 Tage sind ein mögliches Grundgerüst für die Strategie-Kommunikation. Dabei sollte laut den McKinsey-Beratern auch stets ausreichend Zeit eingeplant werden, um über die richtige Art der Kommunikation zu sprechen. Führungskräfte seien häufig versucht, Zeit in noch mehr Analysen zu stecken, um selbst ein besseres Verständnis von einem Sachverhalt zu bekommen. Stattdessen sollte auch immer wieder darüber gesprochen werden, wie die Strategie-Kommunikation so gestaltet wird, dass die gesamte Führungsmannschaft über die wichtigsten Themen im Bilde ist.
Um das zu erreichen, sollten Manager ruhig auch experimentieren. Birshan und Kar berichten von einem Manager bei einem Schuhhersteller, der seinen Kollegen vorführen wollte, dass viele Modelle aus der eigenen Kollektion zu teuer und unattraktiv seien. Mit Klebestreifen auf dem Boden gestaltete er eine Matrix mit zwei Achsen. Im Raum verteilte er Schuhe aus dem eigenen Unternehmen und von der Konkurrenz und ließ sie die anderen Manager in der Matrix platzieren. Die Übung führte jedem anschaulich vor Augen, was das Problem der Schuhfirma war. Ähnlich plastisch verfuhr die Führungskraft eines Wäscheherstellers. Sie schnitt aus Boxershorts die Markenetiketten heraus und ließ das Managementteam die Unterhosen nach dem Preis ordnen. Deutlich wurde den Managern dadurch, wie sehr die Kenntnis der Marke ansonsten beeinflusst, für wie wertig sie ein Kleidungsstück halten.
Als unerlässliches Hilfsmittel zur anregenden Diskussion über Strategien gelten für Birshan und Kar auch Daten – die bei Sitzungen am besten sofort und ansprechend visuell aufbereitet zur Verfügung stehen sollten. Tablet-Computer böten die Möglichkeit, in Besprechungen gemeinsam auf Grundlage eines gemeinsamen Wissensstandes zu diskutieren. Nicht mehr zeitgemäß sei es hingegen, wenn in Management-Sitzungen Fragen aufgeworfen würden, an denen anschließend ein Team von Analysten zwei Wochen lang knabbere.