IT-Service-Management (ITSM) ist für viele Unternehmen ein leidiges Thema. Zwar ist ITSM zumindest für größere Unternehmen unverzichtbar, aber Implementation, Wartung, Release-Wechsel und Betrieb stellen die IT-Abteilungen vor große Herausforderungen. Weil ITSM-Systeme sich typischerweise über viele Unternehmensbereiche erstrecken, ist die Konfiguration der Systeme und Berichtsmechanismen meist ausgesprochen aufwändig.
Kein Release-Wechsel mehr möglich
Benjamin Beinroth, CIO des Lebensmittelhändlers tegut mit Sitz in Fulda, hat sich für ein Service-Management-System aus der Cloud entschieden. Als bei tegut die Ablösung der seit sieben Jahren genutzten ITSM-Software anstand, fiel die Wahl auf das Cloud-System des amerikanischen Anbieters ServiceNow. „Unser altes System hatten wir mit so vielen Anpassungen und Individual-Entwicklungen aufgerüstet, dass ein Release-Wechsel nicht mehr möglich war“, erzählt der CIO.
ServiceNow bietet eine Cloud-Lösung an, die den Anwender nicht nur von der Upgrade-Problematik befreien soll, sondern in Cloud-Manier mit einem Abrechnungsmodell nach Verbrauch – sprich Anzahl der User – auch die tatsächlichen Kosten für ITSM berechenbarer macht und zudem eine PaaS-Entwicklungsplattform für eigene Erweiterungen und Anpassungen bereitstellt.
„Bei traditionellen On-Premise-Systemen kann die Implementierung bis zu dreimal so teuer sein wie die Anschaffung der Software und Jahre dauern“, sagt Michael Lindner, ServiceNow-Geschäftsführer für den deutschsprachigen Raum. Zudem seien viele der heute angebotenen ITSM-Systeme noch im letzten Jahrtausend entwickelt worden und würden den heutigen Anforderungen nach Transparenz, Flexibilität und schnellen Reaktionszeiten nicht mehr gerecht. „Der Wartungsaufwand für diese Systeme ist riesig. Nach der Implementation und Erstkonfiguration sind sie oft so empfindlich, dass Upgrades und Änderungen meist nur mit großem Aufwand zu machen sind“, sagt Lindner.
Nach seiner Einschätzung sind gerade ITSM-Systeme prädestiniert für Lösungen aus der Cloud: „Es geht dabei ja nicht um die Kernkompetenz der Unternehmen oder eine strategischen IT-Lösung, sondern um eine IT-Service, bei dem vorrangig auf Leistungsfähigkeit und die Kosten ankommt.“ Und genau dabei böten Lösungen aus der Cloud deutliche Vorteile.
Cloud wird für ITSM-Anbieter zu einem Muss
Die Marktforscher von Ovum kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: „SaaS als Delivery-Modell wird im ITSM-Markt mehr und mehr zu einem Muss - auch für die traditionellen Anbieter, die zunehmend Cloud-Versionen anbieten“, schreibt Ovum Research-Director Tim Gower in der Studie „Decision Matrix: Selecting an IT Service Management Vendor“ aus dem letzten Jahr. Besonders geeignet seien ITSM-Systeme aus der Cloud danach für kleine und mittelständische Unternehmen sowie für Anwender, die über die Einführung eines neuen ITSM-System nachdächten. „Gerade weil ITSM-Systeme typischerweise modular aufgebaut sind und implementiert werden, bringen SaaS-Lösungen zusätzliche Flexibilität und eine deutlich vereinfachte Wartung“, so Analyst Gower.
Bei tegut ist das neue ITSM-System die erste Cloud-Lösung im Hause. „Bei der Entscheidung ging es überhaupt nicht um Cloud oder Inhouse – wir haben die verfügbaren Systeme vorbehaltlos nach Kosten und Leistungsfähigkeit verglichen, und daraus ist dann das System von ServiceNow als für uns beste Lösung hervorgegangen“, blickt CIO Beinroth zurück.
In einem dreimonatigen Projekt wurde zuerst das Incident-Management installiert. In Zukunft sollen noch das Problem-Management und möglicherweise Teile des Projekt-Managements in das neue System integriert werden. Über die Kosten für die Installation, die Beinroth mit rund 100 Aufwandstagen beziffert, sieht das Abrechnungsmodell monatliche Zahlungen nach Anzahl der User vor. Für das Altsystem hatte tegut Lizenzen für 90 gleichzeitige nutzbare User (concurrent User). Jetzt sind es 150 namentlich festgelegte User (named User), für die Beinroth monatlich Zahlungen leistet. „Wir haben das genau durchgerechnet. Es gibt natürlich eine Schwelle, ab der sich das nicht mehr rechnet, aber für uns ist diese Abrechnungsmethode durchaus vorteilhaft“, sagt Beinroth.
„Auftragsdatenverarbeitung“ innerhalb der EU
Vor der Entscheidung für ein Cloud-System hat er sich vor allem Sorgen um die Sicherheit und den Datenschutz gemacht. Nach gründlicher Recherche und dezidierten Verhandlungen hat er eine sogenannte „Auftragsdatenverarbeitung“ innerhalb der EU vereinbart. Damit ist ein Zugriff Dritter – wie etwa der amerikanischer Behörden nach dem US-Patriot Act – ausgeschlossen. „Ursprünglich war eine Speicherung der Daten in den USA geplant. Wenn ServiceNow sich nicht auf unsere Forderungen eingelassen hätte, wäre die Cloud-Lösung für uns nicht in Frage gekommen“, sagt der CIO. Mit der getroffenen Vereinbarung ist er jetzt auch rechtlich auf der sicheren Seite: Seine Daten werden vertragsgemäß nur in Rechenzentren innerhalb der EU und konform mit den deutschen Datenschutzbestimmungen gespeichert und verarbeitet.
Die ITSM-Software ist unterdessen unternehmensweit installiert. Der Service-Desk für mehr als 6000 Mitarbeiter der rund 300 Märkte und der Zentrale in Fulda basiert auf dem System. Hinzukommen Kundenanfragen, die ebenfalls mit der ITSM-Lösung abgearbeitet werden. Etwa 100.000 Tickets fallen jährlich bei tegut an. Nach den ersten Erfahrungen ist Beinroth mit der Lösung zufrieden – auch wenn es in gewisser Weise eine Abkehr vom bislang praktizierten Inhouse-Prinzip bedeutet. „Wir betreiben selbst zwei Rechenzentren mit mehr als 500 Servern und hätten auch kein Problem mit einer On-Premise-Software gehabt“, sagt der CIO. „Es gibt bei uns sicher keine Präferenz für Cloud-Systeme – das entscheiden wir im Einzelfall.“
ERP und Logistik nichts für Cloud Computing
Inzwischen ist auch die unternehmensweite tegut-Telefontechnik auf eine Cloud-Lösung umgestellt. Unternehmenskritische Anwendungen, wie etwa ERP- oder Logistik-Systeme in die Cloud zu verlagern, kann sich CIO Beinroth allerdings nicht vorstellen. „Dabei geht es um unsere Kernkompetenz, die werden wir auf absehbare Zukunft auf keinen Fall aus dem Haus geben“, ist er sich sicher. Nach den guten Erfahrungen mit der ITSM-Software kann er sich für unterstützende IT-Services in Zukunft durchaus auch weitere Cloud-Lösungen vorstellen.
Diese Offenheit für Cloud-Systeme konstatiert auch ServiceNow-Geschäftsführer Lindner bei einer zunehmenden Anzahl von Unternehmen. Er verweist auf das Wachstum seines Unternehmens mit jährlichen Zuwachsraten von über hundert Prozent in den vergangenen sechs Jahren.
Als Hauptgrund dafür sieht er den Umstand, dass im Unterschied zu anderen Anbietern im ITSM-Markt, die Lösung von ServiceNow von vornherein als SaaS-Lösung konzipiert ist. „Während andere Anbieter versuchen, ihre traditionellen Systeme erst Cloud-fähig machen, ist unsere Software komplett aus einem Guss und schon als Cloud-Lösung entwickelt worden“, sagt Lindner.
Zudem biete das System über die reine SaaS-Lösung hinaus eine PaaS-Plattform, auf der die Kunden eigene Entwicklungen und Erweiterungen nach offenen Standards programmieren könnten. „Damit bieten wir unseren Kunden die Flexibilität einer zentralen Plattform, weil – anders als bei lokalen Installationen - Änderungen auch über Upgrade-Zyklen hinweg erhalten bleiben“, sagt der ServiceNow-Geschäftsführer.
Deutschsprachiger Support im Aufbau
Im deutschsprachigen Raum ist der amerikanische ITSM-Spezialist erst seit zwei Jahren vertreten. Unterdessen beschäftigt das Unternehmen in der Region D-A-CH etwa 20 Mitarbeiter. Am Kundensupport gibt es noch Einiges zu verbessern: „Für uns ist es wichtig, dass die Mitarbeiter auf einen deutschsprachigen Support zurückgreifen können“, sagt tegut-CIO Beinroth, „bisher geht das nur in Englisch. Aber ich bin optimistisch: ServiceNow hat uns zugesagt, dass ein solcher Support aufgebaut und demnächst zur Verfügung stehen wird.“