In den letzten Jahren war E-Commerce geprägt von Begriffen wie Multichannel, Omnichannel oder Channel-Agnostic. Dies reflektierte den Fokus auf die Kundenansprache über alle Kanäle (online und offline). Aktuell sorgt die zunehmende Globalisierung dafür, dass nicht nur die Nachfrage nach internationalen Lieferungen steigt, sondern E-Commerce-Lösungen ebenfalls entsprechende Währungen, Bezahldienste, Sprachen und sonstige länderspezifische Anforderungen bieten müssen.
Somit stellt E-Commerce in Zukunft nicht nur einen weiteren Vertriebskanal dar, sondern bietet eine digitale Plattform zur weltweiten und zentralen Kundenansprache. Um diese neuen Anforderungen in eine umsetzbare IT-Unternehmensarchitektur zu überführen, ist eine passende Methodik notwendig.
"The Open Group Architecture Framework" (TOGAF) zielt schwerpunktmäßig auf den Entwurf, die Planung, Implementierung und Wartung von IT-Architekturen ab (siehe "Keine Methode deckt alles ab". In der Praxis hat sich dieser Ansatz bereits erfolgreich und umfassend im Architekturmanagement bewährt. Darüber hinaus lässt er sich sehr gut an die Anforderungen einer E-Commerce-Architektur anpassen - Folgende vier Phasen sind jedoch erfolgskritisch:
1. Vision: Identifikation der primären Stakeholder und Festlegung der E-Commerce-Vision
Hierzu werden alle Stakeholder bereichs- sowie funktionsübergreifend identifiziert, die signifikant die E-Commerce-Vision beeinflussen. Denn aktuelle Themen wie Internet of Things (IoT), eine Vertriebsdigitalisierung oder auch Pioniere wie Amazon, B2B und B2C verändern E-Commerce maßgeblich. Sind die primären Stakeholder ermittelt, kann eine gemeinsame Vision als E-Commerce-Zielsetzung definiert werden - diese muss von allen Stakeholdern gleichermaßen getragen werden.
2. Business-Architektur: Identifikation der Stakeholder-Anforderungen
Sobald die E-Commerce-Vision definiert ist, müssen konkrete Anforderungen ermittelt werden. Hierfür eignet sich eine Business Capability Map, welche auf bis zu drei Detailebenen die Anforderungen an eine E-Commerce-Lösung beschreibt. Basierend auf dieser wird mit den Stakeholdern der Ist- sowie der Zielzustand dokumentiert. Anschließend unterstützt eine Fit-Gap-Analyse dabei, den notwendigen Handlungsbedarf bei der bestehenden E-Commerce-Lösung zu identifizieren und zu adressieren.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass hier die Grenzen zwischen B2B- und B2C-E-Commerce immer mehr verschwinden. Geschäftskunden erwarten beruflich dieselbe "Convenience", die sie im privaten E-Commerce-Umfeld erleben. Personalisierung ist dabei der treibende Faktor, der nur durch eine konsistente Datenbasis und ausreichende Analytics-Fähigkeiten ermöglicht werden kann.
Für Unternehmen ist es daher entscheidend, die Datenqualität von Produktdaten/-informationen zu verbessern und zu vervollständigen. Hierbei spielt ein Product Information Management System (PIM) eine zentrale Rolle.
Für eine Zielerreichung sind neben der IT meist auch organisatorische Änderungen zu vollziehen. Eine PIM-Governance hilft, einen geeigneten Rahmen zu schaffen, indem sie beispielsweise Datenpflegeprozesse/ -standards definiert.
3. IT-Architektur: Auswirkungen auf die IT-Unternehmensarchitektur
Um die vorherigen Anforderungen in eine geeignete IT-Architektur zu überführen, werden diese den notwendigen Applikationen, Daten und Technologien zugewiesen. Hierfür stellt TOGAF Templates und Referenzarchitekturen bereit. Eine Fit-Gap-Analyse zwischen den ermittelten Anforderungen und der aktuell vorhandenen IT-Architektur identifiziert den Handlungsbedarf bei Applikationen sowie Technologien der zukünftigen E-Commerce-Architektur. Dabei werden zentrale Fragestellungen geklärt:
Kann die IT-Architektur die definierte Vision erfüllen?
Müssen bestehende Applikationen/Technologien erweitert werden?
Sind neue Applikationen/Technologien notwendig?
Können vorhandene Applikationen/Technologien harmonisiert oder abgelöst werden?
Im E-Commerce-Umfeld haben wir vermehrt die Preisfindung, das Kampagnenmanagement und die Verfügbarkeitsprüfung als Performanceengpass identifiziert: Die Erfahrung zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Änderungen Backend Systeme (ERP, CRM und PIM) betreffen. Eine enge Integration der Backend Systeme mit der E-Commerce-Lösung ist Kernbestandteil einer robusten E-Commerce-Architektur.
Der früher oft verwendete Ansatz einer "best-of-breed"-Architektur rückt immer mehr in den Hintergrund: Denn dazu muss für jede Applikation der bestmöglichste Anbieter ausgewählt werden - ein erheblicher Integrationsaufwand. Dieser wird meist nicht ausreichend berücksichtigt und kann sich später als entscheidender Engpass erweisen.
4. Migrationsplanung: Unternehmensweite Abstimmung und Entwicklung von Lösungsszenarien
Die entwickelte IT-Architektur muss innerhalb des Unternehmens kommuniziert und abgestimmt werden. Dazu sind drei Faktoren entscheidend:
Alle identifizierten Stakeholder müssen die IT-Architektur in der Zukunft vorantreiben
Die IT-Architektur muss vom Management getragen werden
Das IT-Gesamtportfolio des Unternehmens muss mit der IT-Architektur abgestimmt sein
Der in Phase zwei (Business-Architektur) und drei (IT-Architektur) ermittelte Handlungsbedarf wird in Projekte eingeteilt, die in einer übergeordneten Roadmap zusammengeführt werden. Hierzu empfehlen wir die schrittweise Zielerreichung über eine Transition-Architektur, die folgende Hauptvorteile bietet:
schnelle Erreichung erster Anforderungen und messbarer Wertbeiträge
flexible Anpassung der Architektur auf neue strategische Geschäftsziele oder technologische Änderungen
Risikominimierung durch Komplexitätsreduktion der Umsetzung
Ist die Roadmap (inklusive Transition-Architektur) definiert, können die Anforderungen der gemeinsamen E-Commerce-Vision umgesetzt werden.
Fazit
Anhand der beschriebenen vier Phasen können Unternehmen ihre E-Commerce-Anforderungen erfolgreich auf die IT-Architektur-Ebene herunterbrechen. So wird sichergestellt, dass die IT-Architektur eine zentrale und einheitliche E-Commerce Plattform für das globale Kundenmanagement bereitstellt, anstatt wie in der Vergangenheit nur einen weiteren Vertriebskanal.
Das im Architekturmanagement bereits sehr erfolgreich eingesetzte TOGAF kann auch hier mit Best Practices und geeigneten Templates alle Phasen der Entwicklung unterstützen. Dies sollte durch fundiertes Expertenwissen und Erfahrung komplementiert werden, um basierend auf den identifizierten Anforderungen eine geeignete IT-Architektur abzuleiten und diese bis zur erfolgreichen Umsetzung voranzutreiben.