Das Kürzel XR steht für Extended Reality und umfasst Technologien rund um Augmented, Virtual und Mixed Reality. Augmented Reality-Software (AR) auf Smartphones oder Datenbrillen reichert physische Objekte mit digitalen Informationen an, der Nutzer bleibt aber in der "richtigen Welt". Dagegen versetzt Virtual Reality (VR) den Anwender in eine komplett künstliche Welt. Mixed Reality (MR) liegt irgendwo dazwischen.
Die Marktforscher von IDC rechnen mit einem Volumen von mehr als 20 Milliarden US-Dollar im Segment AR/VR. Gegenüber 2018 wäre das ein Plus von knapp siebzig Prozent. Führend im Einsatz solcher Lösungen sind Konsumgüter-Konzerne, der Handel und die diskrete Fertigung.
Vier Pilotprojekte skizzieren Einsatzszenarien:
1. Schulung in der Produktion: Der Halbleiterhersteller GlobalFoundries hat sich konsequente Nutzerorientierung (Human Centered Design Approach) auf die Fahnen geschrieben und setzt Augmented Reality zu Schulungszwecken ein. Das Unternehmen zeichnet Arbeitsvorgänge auf, schneidet sie zu Lehrinhalten und unterlegt die entstandenen Aufnahmen mit digitalen Informationen. Einsteiger wie auch erfahrene Kollegen werden mit diesen Inhalten trainiert.
Das Erlernen bestimmter Standard-Tätigkeiten klappt auf diesem Weg zehnmal schneller als mit Filmen aus dem Camcorder, die GlobalFoundries zuvor benutzt hatte. Insgesamt ist die Schulungszeit um die Hälfte gesunken. Das Unternehmen nutzt solche Anwendungen außerdem zur "Fern-Assistenz": Ein Mitarbeiter in der Produktion kann einen Kollegen an einem anderen Standort anrufen und sich von diesem quasi über die Schulter schauen und Tipps geben lassen.
AR beflügelt den Piloten
2. Wartung und Reparaturen: Airbus nutzt Smart Glasses bei Reparatur und Wartung der Flugzeuge. Wie bei GlobalFoundries kann auch dort ein entfernt sitzender Techniker den Kollegen an der Maschine remote unterstützen. Zusätzlich können die Beteiligten gemeinsam CAD-Zeichnungen ansehen. Seine Piloten unterstützt Airbus mittels AR beim Durchgehen von Checklisten. Sie können remote Assistenz anfordern.
3. Lernerfolge in Beratung und Medizin: Die Unternehmensberatung Accenture ermöglicht jungen Sachbearbeitern, sich mittels Virtual Reality in lebensnahen Beratungen auszuprobieren, Social Skills aufzubauen und Entscheidungen zu treffen. Rori DuBoff, Head of Content Innovation bei Accenture Interactive, zeigt sich mit dem bisherigen Ergebnissen in den Punkten Abbau von Ineffizienzen und Kosten zufrieden. Die Consultants schätzen das Marktpotenzial allein von VR-/AR-Technologien zu Trainingszwecken bis zum Jahr 2023 auf mehr als acht Milliarden US-Dollar.
DuBoff sieht auch Potenzial im medizinischen Bereich, und dort geht es noch nicht einmal um Headsets und Datenbrillen. Die Software an sich ist mittlerweile so ausgereift, dass sie beispielsweise Ärzten qualitativ hochwertige 3D-Ansichten von Organen und Knochen ermöglicht.
Zunehmend bessere Lösungen zu vertretbaren Kosten verfügbar
4. Weitergabe des Wissens von Ruheständlern: Die Beraterfirma Nerdery beobachtet, wie Unternehmen durch XR-Technologien das Wissen ihrer Ruheständler an Berufsanfänger weitergeben. So stattet eine Öl- und Gasfirma ihre Kollegen im Außendienst mit tragbaren XR-Geräten aus. Bei Bedarf können diese ihre erfahrenen Kollegen kontaktieren, die zu Hause ihre Rechner einschalten, Inhalte teilen und den jungen Mitarbeitern virtuell zur Seite stehen.
Experten sind sich einig, dass zunehmend bessere XR-Lösungen zu vertretbaren Kosten verfügbar sind. Dennoch sieht das US-Marktforschungsunternehmen Gartner den Markt noch fünf bis zehn Jahre von einer echten Reife entfernt. Momentan stecken die Unternehmen in der Experimentierphase.