Wege aus einem Dilemma tun sich manchmal schnell und unverhofft auf - zum Beispiel dann, wenn sich die Marktlage für positive Veränderungen günstig entwickelt. Nach Einschätzung von Forrester Research ist das derzeit bei der Software-Lizenzierung der Fall. In diesem Feld gibt es demnach vier Trends, die die Business Technology-Agenda der Anwender unterstützten. Analyst Duncan Jones führt das in einer aktuellen Studie mit dem Titel "Four Software Licensing Trends That Support Your Business Technology Agenda" aus.
Sogar die Giganten bewegen sich
Das Ausgangsproblem kennen viele Unternehmen. Forrester beschreibt es so: "Altmodische Software-Lizenzierungsmodelle treiben die Kosten für Firmen in eine Höhe, die sie sich nicht mehr leisten können; sie fressen das knapp bemessene Budget für wichtige Initiativen auf und verhindern einen individuell optimalen Software-Einsatz." Diese Gemengelage treibe auch Veränderungen auf Seiten der Anbieter voran. Deshalb sei momentan ein Schub für vier anders gelagerte Modelle zu beobachten, die Forrester bereits 2012 bekannt gemacht habe. Die damals prognostizierte Fahrt nehmen die alternativen Ansätze offenbar erst jetzt auf.
"Die alten Modelle werden nicht aussterben, aber nach unserer Prognose künftig weniger vorherrschend sein", heißt es in der Studie. "Denn sogar bei den Software-Riesen finden wir Beispiele von Bewegung in die richtige Richtung." Auf Anwenderseite liegt der Ball laut Forrester nun bei den Sourcing-Spezialisten, die die Umsteuerung hin zu innovativen Konzepten beschleunigen können.
Ein "Schub" für die neuen "Trends" - in der Praxis bedeutet das weniger Widerstände als bisher für den optimalen Technologie-Zuschnitt und eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Anbietern. In der Logik des Marktes: Die Nachfrage nach neuen Lösungen steigt, und zugleich und deshalb wächst auch das Angebot.
Die 4 Trends und ihre Einordung
Die vier Trends werden von Forrester jeweils kurz definiert und anschließend genauer beleuchtet. Außerdem werden positive Signale aus dem vergangenen Jahr aufgegriffen.
1. Lizenzierung pro Nutzer der Systems of Engagement
Definition: Der für Software bezahlte Preis sollte dem Wert entsprechen, den die Belegschaft durch die Lösung erhält. Der Trend hin zur Mobilität sollte widergespiegelt werden, der Preis je nach Tiefe, Breite und Häufigkeit der Nutzung variieren.
Einordnung: Mit "Systems of Engagement" sind Systeme gemeint, die geschäftlich von hoher Bedeutung sind, beispielsweise Business Intelligence, mobile Applikationen und Collaboration-Technologien. Das im Trend liegende Lizenzierungsmodell bemisst den Preis nicht allein an der Breite je User - damit sind die genutzten Module gemeint -, sondern auch an der Tiefe - also den Funktionen innerhalb der Module - und an der Häufigkeit sowie Dauer der Nutzung. Sinn ergibt dieses Modell nach Einschätzung von Forrester Research nur in Verbindung mit einem Top-Down-Ansatz. Würde man versuchen, die Nutzung durch sämtliche Mitarbeiter nachvollziehbar, drohe ein Usage-Tracking-Alptraum.
Die Nutzungsprofile für die genannten Systeme sind in vielen Unternehmen indes höchst unterschiedlich: angefangen von Usern, die Inhalte erstellen, bis hin zu solchen, die ausschließlich konsumieren. Eine Lizenzierung pro Gerät ergibt laut Analyst Jones in diesem Szenario ebenso wenig Sinn wie eine simple Flatrate pro User, die die Anwender zu Nutzungseinschränkungen und zum Lizenzkauf nur für die wichtigsten User zwingt. Das innovative Pro-Kopf-Modell hingegen reduziere Ineffizienzen, indem die Mitarbeiter die tatsächlich benötigte Software adäquat verwenden können.
Positive Signale: Nach Office 365 ermöglicht es Microsoft mit Einführung der Enterprise Cloud Suite (ECS) seinen Kunden, die Pro-Kopf-Lizenzierung auf das Windows-Betriebssystem und andere Tools wie Azure Active Directory und Intune auszuweiten. Vorreiter in diesem Bereich ist indes, wie Forrester betont, seit über zehn Jahren SAP. Die Walldorfer haben das bewährte Modell 2014 weiter verbessert, indem die Nutzer-Kategorien rationalisiert und Preise für Zusatz-Pakete modifiziert wurden.
2. Flexible kommerzielle Modelle
Definition: Unabhängig davon, ob man als Anwender On-Premise-Software einkauft oder Everything-as-a-Service (XaaS) nutzt, müssen Investitionen mit dem gelieferten Wert abgestimmt werden können. Falls notwendig, können die Kosten nach unten korrigiert werden.
Einordnung: Business Technology-Projekte seien oftmals höchst riskant, so Forrester. Flexible Preismodelle reduzieren das Risiko, indem sie die Provider an den Projekterfolg binden. Droht ein Scheitern, können Projekte beendet werden, ohne enorme Sunk Costs abschreiben zu müssen. Positiv bemerkbar macht sich hier die kundenzentrierte Kultur der SaaS-Provider im Vergleich zu klassischen Software-Anbietern. Die Lernwilligen aus dieser Gruppe werden deshalb zwei Zugeständnisse mache: erstens zeitlich mit den Projekt-Meilensteinen abgestimmte Investitionen, zweitens Kostenschnitte, falls diese notwendig sind.
Positive Signale: Gut für die Anwender ist laut Forrester in diesem Zusammenhang, dass sich die führenden Software-Hersteller durch die Bank auch als Cloud-Führer positionieren wollen. Bewegt haben sich deshalb in jüngster Zeit fast alle. Microsoft hat sämtliche wichtigen Produkte in ECS integriert, Google bietet ein vollständig flexibles Modell für Google Cloud an, Oracle und SAP haben ihr SaaS-Portfolio in 2014 ausgeweitet.
3. Cloud-kompatible Lizenzierung von Infrastruktur-Software
Definition: Service-Provider in der Public Cloud werden immer häufiger an wertbasierten Metriken gemessen. Als Anwender sollte man vor diesem Hintergrund darauf dringen, dass einem die Zulieferer von On-Premise-Software die Freiheit zum Einsatz in der Cloud zugestehen - egal, ob diese Public, Private oder Hybrid ist.
Einordnung: Drei Dinge sind bei diesem Modell entscheidend, wie Analyst Jones betont. Erstens beinhalten zukunftssichere Kostenmodelle Schranken gegen die Dateninflation. Das heißt, dass Kosten nicht ausufern, wenn die Datenmenge im Terabyte-Bereich steigt. Zweitens bestehen keine Restriktionen oder Kostenaufschläge, die limitieren, wie und wo Software eingesetzt wird. Drittens werden die Rechte der Service Provider von den Anbietern standardmäßig berücksichtigt.
Wichtig ist das alles insbesondere vor dem Hintergrund von Big Data. Ausufernde Datenmengen drohen klassische Lizenzen für Software von IBM, Microsoft oder Oracle laut Forrester quasi unerschwinglich zu machen. Die Gesamtbetriebskosten steigen überdies auch mit den Ausgaben fürs Compliance-Management. "Anwender müssen die Freiheit erhalten, ihre Software und ihre Daten als Teil ihres Kundendienstes zu nutzen, und zwar ohne Angst vor Compliance-Bußgeldern haben zu müssen", schreibt Jones. Cloud-kompatible Lizenzierung sei daneben auch deshalb wichtig, um die Flexibilität der Wolke wirklich ausnutzen zu können.
Positive Signale: Für Bewegung sorgen laut Studie insbesondere Amazon und Google. Cloud-Services wie Amazon Aurora und Google Cloud SQL, die Open Source-Datenbanken und Middleware im Abonnement beinhalten, reduzieren die finanziellen Auswirkung der Dateninflation. Und sie schaffen, wie Forrester betont, einen Markt, in dem die Preise purzeln. Und zwar dadurch, dass sie die Verhandlungsposition für die Nutzer von proprietärem Platform-as-a-Service (PaaS) wie Microsoft Azure SQL und SAP HANA Cloud verbessern.
4. Externe Kooperation ohne Extra-Gebühren
Definition: Das Teilen von Daten mit Kunden und Geschäftspartnern entwickelt sich für viele Unternehmen zu einer Grundanforderung. Deshalb muss man es sich nicht gefallen lassen, wenn Anbieter diese Anforderung als optionales Premium-Feature an zusätzliche Gebühren koppeln wollen.
Einordnung: Vorwärts orientierte Provider unterstützen den Trend zur Collaboration über Firmengrenzen hinweg, indem sie nicht mehr künstlich zwischen "Kunden" und "Service Providern" unterscheiden. Lizenzierungsmodelle erlauben jeden vernünftigen externen Einsatz. Input und Output von Daten sind in beide Richtungen möglich. Anwender sollten nach Empfehlung von Forrester darauf achten, dass ihre Software-Provider Use Cases für Collaboration in ihre Angebote einflechten. Dies kann geschehen, indem sie ohne Zusatzkosten eingebunden oder zu sehr niedrigen Kosten für externe Nutzer angeboten werden. Oder durch alternative wertbasierte Metriken wie Abrechnung nach Bestellung.
Positive Signale: Bisher leider nicht wirklich. Duncan Jones konstatiert, dass es in diesem Bereich anders als in drei anderen Feldern kaum Veränderungen gegeben hat. "Alle großen Software-Firmen begrenzen weiterhin Collaboration in ihren Standardverträgen, auch wenn sie diese Restriktionen nur selten tatsächlich durchsetzen", stellt der Analyst fest. 2014 habe es sogar mehr Konflikte diesbezüglich als in der Vergangenheit gegeben. Lediglich der ePurchasing-Markt zeige sich bislang als positive und fortschrittliche Ausnahme, der auf Zusatzgebühren weitgehend verzichte. Anbieter wie Ariba und Tungsten würden aber auch hier in bestimmten Fällen extra berechnen.
2 Tipp von Forrester: CIO sollten Muckis zeigen
Abschließend gibt Forrester Research den Anwendern noch zwei konkrete Tipps an die Hand:
Zum einen sollte man den Top-Status eines Providers davon abhängig machen, ob die genannten Trends unterstützt werden.
Zum anderen sollte man bei Verhandlungen seriöse Gesamtbetriebskostenvergleiche einbringen, um Beweglichkeit auf Anbieterseite zu provozieren.
Alles in allem läuft es also darauf hinaus, die Muskeln spielen zu lassen. Die Devise dabei: Entweder überzeugt man seinen Provider davon, seinen Ansatz zu verändern, oder aber er wird durch einen besseren Partner ersetzt. "Software-Anbieter werden diesen Trends nur dann folgen, wenn ihre Kunden sie davon überzeugen, dass das in ihrem ureigenen Interesse geschieht", lautet das Fazit des Forrester-Analysten Duncan Jones.