Digital Labs sind eine gute Idee, aber sie sind auch ein Eingeständnis des Scheiterns. Denn mit ihnen sollen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen um Ideenschmieden ergänzt werden, was ja unter anderem bedeutet, dass sich die vorhandenen Strukturen als zu starr zum Innovieren erwiesen haben.
Also nutzt man eine Idee, die um die Jahrtausendwende geboren wurde. Damals allerdings gründeten Jungunternehmen weniger Digital Labs, sondern viele waren selbst ein solches Labor: flexibel, agil (auch weil unfertig), schnell und voller Ideen.
So wollen jetzt alle sein, auch die Großen. Weil sie aber wissen, dass das in einer Welt von CEOs, Bereichsvorständen, Ober-, Unter-Abteilungs- und Gruppenleitern kaum möglich ist, gründen sie eine Art Streichelzoo für Ideen oder sie beteiligen sich an einem solchen.
Siemens zum Beispiel fördert bereits seit 2001 Startups, die sich zum Teil auch auf Geschäftsfeldern außerhalb des Siemens-Kosmos bewegen. Volkswagen setzt auf ein Lab rund um Big Data, um an neue Analysetechniken für Daten zu kommen.
Auch Banken wie die Commerzbank mit ihrem "main incubator", Verlage wie Axel Springer (siehe unten) oder der Handelskonzern REWE (wir berichteten: "Wie man ein Digital Lab aufbaut") besitzen ein Digital Lab.
Welche Branchen aber führend sind bezüglich dieses Trends und wer die Nachzügler, wie viele Dax-Konzerne mitmachen und wo die regionalen Schwerpunkte liegen, damit hat sich jetzt eine detaillierte Untersuchung beschäftigt.
Das Analyseunternehmen Crisp Research AG aus Kassel untersuchte Anfang diesen Jahres 61 Digital Labs mittlerer und großer deutscher Unternehmen auf ihren Charakter und ihre Wirkung. Dabei entwickelten sie auch eine Typologie von vier unterschiedlichen Lab-Formen.
Typologie von Digital Labs
Innovation Labs sind unternehmenseigene Labs, die kreative Räume und Strukturen für eigene Mitarbeiter bereitstellen.
Company Builder sollen selbst Startups gründen und deren erste Wachstumsschritte begleiten.
Acceleratoren bieten Programme über mehrere Monate, für die sich externe Gründerteams bewerben können. Diese erhalten dann Unterstützung auf fast allen Ebenen.
Inkubatoren schließlich beteiligen sich an bestehenden Startups, sind aber im Gegensatz zu Acceleratoren langfristig angelegt.
Die wichtigsten Ergebnisse
Digital Labs sind mittlerweile häufig ein Kernelement von Digitalisierungsstrategien. Bei fast der Hälfte (46 Prozent) der 61 untersuchten Beispiele handelt es sich um unternehmensinterne Innovation Labs, Accelerator sind mit 34 Prozent vertreten.
Sechzig Prozent der Dax-Konzerne haben bereits eigene Digital Labs etabliert oder befinden sich in der Gründungsphase. In der Regel handelt es sich dabei um Innovation Labs oder Accelerators.
Ein Drittel der heute bestehenden Labs findet sich in der IT-, Telko- oder Medienbranche, 21 Prozent wurden von Industrieunternehmen gegründet.
Viele Digital Labs sind neu: 25 der 61 untersuchten "Streichelzoos" entstanden im Jahr 2015. Regionaler Hotspot ist - mit Abstand - Berlin: Hier finden sich 55 Prozent der Digital Labs, auf dem zweiten Platz liegt München mit 21 Prozent. Auf einige der Labs geht die Studie genauer ein.
Rewe gründete Innovation Lab
Als Beispiel für ein Innovation Lab führt Crisp „Rewe Digital“ an, eine Geschäftseinheit der Rewe Group. Das Ziel des 2014 gegründeten Innovation Labs ist, der führende Anbieter von Online-Lösungen für den Lebensmittelmarkt zu werden.
Axel Springer verfolgt Accelerator-Ansatz
Einen typischen Accelerator-Ansatz verfolgt das Verlagshaus Axel Springer seit 2013. "Axel Springer Plug and Play" stellt deutschen und europäischen Gründern und ihren Teams in der Gründer-Hochburg Berlin ein Programm zur Verfügung, das Startups zur Marktfähigkeit ihrer Geschäftsidee verhelfen soll.
In einem Zeitraum von drei Monaten können sie unter anderem Beratung und Hilfe durch Mentoren sowie natürlich die Kontakte aus dem Axel Springer-Netzwerk in Anspruch nehmen. Das Programm richtet sich in erster Linie an Startups in der sogenannten Early-Stage-Phase.
Telekom gründete einen Inkubator
Die Deutsche Telekom gründete als einer der Ersten ein Digital Lab in Form eines Inkubators, die Wahl des Standorts fiel auch für "hub:raum" auf Berlin. Ziel des Konzerns ist es, auf diesem Wege frühzeitig Innovationen und Wachstumsmärkte identifizieren und neue Geschäftsfelder betreten zu können. Themen sind dabei das Internet der Dinge, Mobile Commerce, Big Data oder Analytics.
Teilnehmende Startups werden über ein Jahr mit einem Startkapital von bis zu 300.000 Euro ausgestattet, bekommen Räume und Beratung durch Mentoren und Experten.
Check24 setzt auf Company Builder
Als Company Builder agiert dagegen "MCube" des Vergleichsportals Check24, das seit 2013 ebenfalls in Berlin beheimatet ist. Hier arbeiten rund 80 Menschen an Vergleichsportalen für lokale Dienstleistungen, vom Car-Sharing oder einem Fahrschulvergleich über Zahnbleaching bis zur Suche nach der optimalen Beerdigung. Ziel ist es auch hier, aus unterschiedlichen Geschäftsideen marktfähige Unternehmen zu formen.
Kosten von Digital Labs
Crisp Research prognostiziert, dass sich die Anzahl solcher Labors in den kommenden Jahren auf etwa 300 verfünffachen wird.
Dazu berechnet Crisp auch die Kosten für gemietete Labs und selbst gekaufte Immobilien. Angenommen, die Zahl der Labs steigt jährlich um fünf Prozent, dann beträgt die jährliche Ausgabensumme 900 Millionen Euro bis 1,5 Milliarden Euro für Unternehmen, die ihre Digital Labs mieten. Bei dem Aufbau eigener Immobilien prognostizieren sie Gesamtkosten von 3 bis 15 Milliarden Euro.
Erfolgsfaktoren
Die Gründung eines Digital Labs, schreiben die Autoren der Studie, sind allerdings noch keine hinreichende Bedingung für erfolgreiche Digitalisierungsstrategien. Denn nur mit der richtigen Struktur, einem fähigen Chef und ein bisserl Spielgeld könne auch etwas daraus werden.
Wichtig seien auch die richtigen Räume und die passende Einrichtung, um eine möglichst kreative Atmosphäre entstehen zu lassen. Das erinnert wieder stark an die New Economy - aber da kommt die Idee ja auch her.