Seit Jahrzehnten streiten Frauen in Deutschland darum, bei identischer Beschäftigung genauso bezahlt zu werden wie ihre männlichen Kollegen. Im Ringen um die Durchsetzung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" haben 29 Fotolaborantinnen aus Gelsenkirchen vor 40 Jahren einen wichtigen Etappensieg errungen. Das Bundesarbeitsgericht entschied am 9. September 1981, dass die als "Heinze-Frauen" bundesweit bekannt gewordenen Arbeiterinnen die gleichen übertariflichen Zulagen erhalten mussten, die das Fotolabor Heinze Männern gezahlt hatte.
Die klagenden Frauen hatten zufällig herausgefunden, dass ihre Kollegen einen Zuschlag zum Tariflohn von in der Regel 1,50 Mark (umgerechnet 0,77 Euro) erhielten. Sie gingen dagegen leer aus oder erhielten eine deutlich niedrigere Zulage.
Unterstützt von ihrer Gewerkschaft zogen die Frauen durch alle Instanzen bis vor das Bundesarbeitsgericht - begleitet von ungewöhnlich großer öffentlicher Aufmerksamkeit. "Aus der ganzen Bundesrepublik erhielten die Frauen Solidaritätsadressen", heißt es in einer Darstellung der Stadt Gelsenkirchen. Vor der Urteilsverkündung seien 7000 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung nach Kassel, dem damaligen Sitz des Gerichts, gekommen.
Die Entscheidung des Gerichts war eindeutig. Die Differenzierung der Zulagen nach Männern und Frauen sei eine von Artikel 3 des Grundgesetzes verbotene Diskriminierung. Den Männern seien die Zulagen "deshalb gewährt worden, weil sie nicht bereit waren, zum Tariflohn zu arbeiten". Der Grundsatz der Lohngleichheit von Mann und Frau müsse auch bei Zulagen befolgt werden.
"Das war ein wichtiges Grundsatzurteil", ordnet Johanna Wenckebach, Leiterin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die Entscheidung von 1981 ein. "Noch entscheidender war aber die gesellschaftliche Wirkung." Die Forderung der Heinze-Frauen habe ein Bewusstsein für die bestehende Ungleichheit bei der Bezahlung geschaffen.
Viele Hoffnungen bis heute nicht erfüllt
Doch viele mit der Entscheidung verknüpfte Hoffnungen haben sich bis heute nicht erfüllt. "Auch 40 Jahre nach dem wegweisenden Urteil der so genannten Heinze-Frauen ist Deutschland von voller Entgeltgleichheit noch immer recht weit entfernt", sagt der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke. Zwar verbiete das Entgelttransparenzgesetz von 2017 ausdrücklich bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Benachteiligungen wegen des Geschlechts bei der Bezahlung, betont Franke. Bei der Antidiskriminierungsstelle berichteten aber immer wieder Frauen von gegenteiligen Erfahrungen.
Auch Wenckebach beurteilt die Entwicklung der vergangenen 40 Jahre kritisch. "Weder hat sich die Entgeltlücke geschlossen, noch ist es für Frauen leichter geworden, ihre Rechte durchzusetzen." Die Heinze-Frauen hätten heutzutage zwar den Anspruch zu fragen, ob sie bei der Lohnzahlung diskriminiert werden. "Aber das führt nicht zu Entgeltgleichheit." Die Ansprüche müssten weiter individuell durchgesetzt werden. "Einem solchen Spießrutenlauf im Lichte der Öffentlichkeit wollen sich viele Frauen nicht aussetzen." Deshalb sei ein Verbandsklagerecht notwendig, damit sich nicht einzelne Frauen Gerichtsverfahren stellen müssten. Außerdem müssten in den Betrieben verpflichtende Prüfverfahren eingeführt werden, ob es Verstöße gegen die Entgeltgleichheit gebe.
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen wird als Gender Pay Gap bezeichnet. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes betrug sie im vergangenen Jahr 18 Prozent. Frauen verdienten demnach durchschnittlich 4,16 Euro brutto je Stunde weniger. Der Großteil des Verdienstunterschieds hat den Statistikern zufolge strukturelle Gründe - etwa, weil Frauen häufiger in schlecht entlohnten Berufen tätig sind und seltener Führungspositionen erreichen. Außerdem arbeiten sie öfter in Teilzeit und Minijobs. Aber selbst bei gleicher Tätigkeit und vergleichbarer Qualifikation hätten Frauen noch 6 Prozent weniger verdient als ihre männlichen Kollegen.
Das Interesse am Kampf der "Heinze-Frauen" hält bis heute an. Die ARD widmete ihnen im Jahr 2018 einen Fernseh-Spielfilm und in einer jüngst eröffneten Ausstellung zur Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Arbeitskittel einer Laborantin zu sehen. Finanziell gelohnt hat sich das Gerichtsverfahren für die Frauen aber wohl nicht. Zwar verpflichtete sich ihr Arbeitgeber in einem Vergleich auf Nachzahlungen von insgesamt etwa 100 000 Mark, doch die Firma ging schon bald darauf in Konkurs. (dpa/ad)