Lieferantenmanagement, auch Supply Chain Management genannt, ist im heutigen Einkauf durch Entwicklungen wie der Globalisierung nicht mehr wegzudenken. Strategische Einkäufer werden mit einer Vielzahl von externen Faktoren, aber auch internen Faktoren, konfrontiert, die sich nur durch ein umfangreiches und strukturiertes Lieferantenmanagement kontrollieren lassen.
Damit Einkäufer diese Faktoren auch in angemessener Weise managen können, wird ein komplexes System benötigt, um den vielseitigen Anforderungen gerecht zu werden. Je nach Branche und Beschaffungsgütern sind diese Anforderungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Um die passende Systemlösung zu finden, gibt es fünf wesentliche Bestandteile, die in einem Lieferantenmanagement-System abgebildet werden. Teil dieser Bestandteile sind sowohl klassische Themenbereiche, aber auch neue Aufgabenbereiche, deren Bedeutung im modernen Einkauf des sogenannten Einkauf 4.0 stetig zunehmen.
Definition Lieferantenmanagement
Im Allgemeinen wird im Lieferantenmanagement das primäre Ziel verfolgt, Lieferanten in einer definierten Art und Weise zu bewerten, um darauf aufbauend zukünftige Entscheidungen zu treffen. Weitere Ziele sind dabei eine transparente Lieferantenbasis zu schaffen, in der Kostenpotenziale eingespart werden können und die geeigneten Güter (bzgl. Qualität) beschafft werden. Diese allgemeine Definition kann in strategische und operative Ziele weiter untergliedert werden.
Strategisches Lieferantenmanagement beinhalten die zukunftsorientierte Erhaltung der Lieferantenbasis mit einem geringen Supply-Chain-Risiko und einer optimalen (sowie sich steigernden) Lieferantenqualität. Operatives Lieferantenmanagement hingegen sieht als vorrangiges Ziel die Lieferantenbasis auf einem optimalen Qualitätsniveau durch Performance-Bewertungen und deren Wettbewerbsfähigkeit zu halten. Kostenoptimierungen gehören diesem kontinuierlichen Monitoring ebenso an.
Bedeutung des Lieferantenmanagements im Einkauf 4.0
Der Einkäufer im Unternehmen generell ist nicht mehr nur der interne Dienstleister, sondern hat sich weiterentwickelt zum Schnittstellenmanager, dessen Anteil am Wertschöpfungsprozess immer mehr zunimmt. Mit Lieferanten werden strategische Kooperationen eingegangen, sodass die Lieferantenqualität die eigene Wettbewerbsfähigkeit mitdefiniert. Sogar werden in einigen Supply-Chain-Modellen Lieferanten in die internen Prozesse integriert oder sogenannte "Supplier-Parks", die direkt beim Kunden vor Ort aufgebaut werden, sind heute keine Seltenheit mehr.
Auf der anderen Seite werden Lieferketten durch die Globalisierung und dem einhergehenden Global Sourcing in ihrer Komplexität erweitert. Globale Supply Chains und internationale Lieferanten müssen permanent überwacht werden, um Lieferketten aufrecht zu erhalten und Produktionsausfälle zu verhindern. Neben diesen externen Faktoren gibt es auch interne Faktoren, die vom Einkauf erfüllt werden müssen. Kostenreduzierungen müssen aufgrund des Preisdrucks von anderen Unternehmensbereichen, wie dem Vertrieb, erreicht werden, oder die Produktqualität erfordert eine Steigerung der Lieferanten-Performance. Um diese Prozesse im heutigen Einkauf 4.0 angemessen abzubilden, wird ein umfassendes Lieferantenmanagement-System benötigt.
Bei der Auswahl der Lösung ist die strategische Ausrichtung entscheidend, denn das Lieferantenmanagement bildet die Basis, auf der die weiteren strategischen und operativen Einkaufsaktivitäten aufbauen. Es ist der zentrale Knotenpunkt aller Lieferantenaktivitäten. Im Einklang mit der digitalen Transformation ist ein medienbruchfreier Prozess sowohl im Lieferantenmanagement, als auch darüber hinaus zu weiterführenden Prozessen und Aktivitäten anzustreben. Erfüllt der Einkauf diese Anforderungen, besitzt das Unternehmen ein relevantes Alleinstellungsmerkmal, welches nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, sondern auch die langfristige Unternehmensabsicherung gewährleistet.
Bestandteile eines Lieferantenmanagement-Systems
Lieferantenmanagement-Systeme benötigen bestimmte Komponenten, damit sie die strategischen und operativen Anforderungen in Unternehmen gewährleisten können. Diese bilden die funktionalen Bestandteile eines allumfassenden Lieferantenmanagements.
1. Lifecycle-Process (Onboarding / Phase-Out von Lieferanten)
Das Lieferantenmanagement-System bildet den zentralen Punkt, an dem Lieferanten in die Datenbank aufgenommen oder später auch ausgephast werden und ist die Basis für die weiteren Prozesse im Lieferantenmanagement der nachfolgenden Bestanteile. Der Onboarding-Prozess selbst kann durch verschiedene Aktionen gestartet werden. Etwa durch die externe Lieferantenanfrage auf der Homepage des Unternehmens oder durch interne Einkäufer und Mitarbeiter. Mit entsprechenden Genehmigungsworkflows kann der Eintritt in das System gesteuert werden.
Relevante Informationen können Lieferanten bereits bei der Anfrage in einen entsprechenden Fragebogen eingeben. Ungeeignete oder unerwünschte Lieferantenanfragen werden abgelehnt und somit nicht in das System aufgenommen. Da im Onboarding-Prozess der internen Lieferanten-Registrierung nicht nur Berührungspunkte im Einkauf vorhanden sind, sollte es durch einen elektronischen Prozess möglich sein, betroffene Unternehmensbereiche in diesen Genehmigungsworkflow ohne Medienbrüche mit einzubeziehen.
2. Lieferanten-Qualifizierung
Zur Überprüfung der Eignung von Lieferanten für bestimmte Warengruppen wird eine Lieferantenqualifizierung vorgenommen. Bei diesem Qualifizierungsprozess werden zusätzlich Defizite des Lieferanten aufgedeckt, die in einem Entwicklungsprozess behoben werden können. Eine Qualifizierung sollte periodisch vorgenommen werden. Einerseits um Lieferanten zu entwickeln und für weitere Warengruppen zu aktivieren, andererseits auch um konstant das Qualitätslevel aufrecht zu erhalten.
Qualifizierungen, die nach einem definierten Zeitrahmen ablaufen, müssen so erneut in eine wiederholte Überprüfung. Besonders wichtig bei diesem Bestandteil ist die Flexibilität des Qualifizierungsprozesses. In dem heutigen komplexen Einkauf gibt es nicht nur unterschiedliche Anforderungen in Warengruppen- oder Produkteigenschaften, sondern auch regional oder sogar innerhalb der eigenen Organisation. Eine Qualifizierung in Form eines Lieferantenfragebogens sollte daher passgenau erfolgen, damit dieser Detaillierungsgrad auch den Einkäufern oder End-Usern später im System entsprechend visuell geboten wird. Die Individualisierbarkeit der spezifischen Qualifizierung muss daher im Vorfeld bei der Erstellung durch das System gegeben sein.
3. Performance-Bewertung des Lieferanten
Durch eine strukturierte Bewertung der Lieferanten wird eine einheitliche Transparenz geschaffen, mit der strategische Entscheidungen getroffen werden können. Die Leistungen von einzelnen Lieferanten werden vergleichbar dargestellt. Im optimalen Fall werden sowohl quantitative, als auch qualitative Daten genutzt. Informationsquellen sind neben ERP-Daten - die eine gute Konnektivität voraussetzen - auch Fragebögen an interne und externe Adressaten.
Diese Informationen können in einer unternehmensweit einheitlichen Scorecard zusammengeführt werden. Defizite des Lieferanten werden durch die Bewertung aufgedeckt und können gemeinsam mit dem Lieferanten bearbeitet werden. Anspruch des digitalen Einkaufs ist dabei, dass der Lieferant systemseitig miteingebunden wird. Die Beschränkung seiner Sichtweise gewährt ihm aber nur auf bestätigte Bereich Zugriff. Durch diese Lieferantenentwicklung wird nachhaltig das Qualitätslevel erhöht. Die Bewertung der Lieferanten kann in zyklischen Zeitabständen oder auch fallweise erfolgen.
4. Lieferantensegmentierung
Basierend auf der erfolgreichen Qualifizierung und Bewertung der Lieferanten werden nun die Lieferanten klassifiziert. Durch diese Segmentierung unterscheiden sich Lieferanten in ihrer strategischen und operativen Verwendung für das Unternehmen. Diese Eigenschaften können nach Beschaffungstiefe (z.B. System-Lieferant, Rohmaterial-Lieferant, etc.) oder auch strategischer Eignung (Vorzugs-Lieferant, Neuer Lieferant, etc.) ausgerichtet sein. Neben einer transparenten Dokumentation und Entwicklungsmotivation für den Lieferanten, werden dabei auch strategische Handlungsbedarfe oder Konsequenzen in der Lieferantenentwicklung verdeutlicht.
So sollte an auszuphasende Lieferanten kein Neugeschäft vergeben werden. Daher ist es wichtig, dass ein entsprechendes Lieferantenmanagement-System diese Informationen für die End-User verarbeitet und ihnen bevorzugte Lieferanten vorschlägt und unqualifizierte Lieferanten nicht zur Auswahl stellt. Für den strategischen Einkäufer auf der anderen Seite ist es bedeutsam, dass er all diese relevanten Informationen im System schnell und einfach nachverfolgen kann. Eine sogenannte 360°-Lieferantensicht muss daher vom System gegeben sein.
5. Risikomanagement in der Supply-Chain
Wie zuvor dargestellt werden Lieferketten im heutigen Einkauf zunehmend komplexer und globaler. So steigt auch die Anfälligkeit der Lieferketten, einen Produktionsausfall zu verursachen. Entsprechend komplex die Lieferketten sind, desto schwieriger wird es für Einkäufer diese zu überwachen. Daher sollte ein umfassendes Lieferantenmanagement-System die Möglichkeit bieten, das Risikomanagement der Supply-Chain mitabzudecken.
Dabei sollten die generellen Prozesse des Risikomanagements in dem System enthalten sein. Die Risiko-Identifikation kann in der digitalen Welt über eine semantische Suche in einer Vielzahl von Nachrichtenportalen stattfinden. Auch die Anbindung von Drittanbietern, die ihre Daten bereitstellen ist notwendig. Für den weiteren Prozess ist es aber auch wichtig die darauffolgende Risiko-Analyse unternehmensspezifisch anpassen zu können, damit die Daten mit einer definierten Gewichtung zielführend in das Gesamtergebnis übergeben werden.
Identifizierte Risiken werden so in Kategorien eingeteilt und fließen je nach Gewichtung in diese strukturierte Risk-Score als Gesamtergebnis ein, die als Indikator für das spezifische Lieferantenrisiko dient. Um die entdeckten Risiken zu bearbeiten und zu überwachen, müssen in dem System ebenfalls entsprechende Funktionalitäten vorhanden zu sein, um den Prozess des Risikomanagements vollständig abzudecken. Ein erfolgreiches Risikomanagement in einem Lieferantenmanagement-System funktioniert nur dann, wenn es dort nahtlos eingebunden wird und Informationen in die anderen Bereiche, wie die Performance-Bewertung oder die Lieferantensegmentierung einfließen.
Technische Anforderungen an ein Lieferantenmanagement-System
Neben den funktionalen Bestandteilen eines Lieferantenmanagement-Systems sind auch die technischen Eigenschaften des Systems selbst von Bedeutung. Die Integration in die bestehende IT-Landschaft, von ERP-Systemen bis hin zu weiteren Schnittstellen ist ebenso relevant. Nur wenn die Konnektivität zu ERP-Systemen und anderen Systemen gegeben ist, lassen sich Ziele der digitalen Transformation wie Big Data oder Predictive Analytics erreichen.
Wie zuvor erwähnt, muss beispielhaft so im Risikomanagement die Möglichkeit gegeben sein, externe Informationen von Drittanbietern mit internen Performance-Daten aus dem ERP-System zentral in die 360°-Lieferantensicht des Lieferantenmanagement-Systems fließen zu lassen. Der Aufwand zur erfolgreichen Verknüpfung dieser elektronischen Prozesse sollte nicht unterschätzt werden. Daher ist auch die Wahl des Software-Anbieters zu beachten.
Dessen Portfolio der Produktfunktionalitäten sollte auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Unternehmens abgestimmt sein. Bei einem vollumfangreichen Lieferantenmanagement-System ist es bezüglich der Konnektivität von Vorteil, wenn ein Anbieter alle Bestandteile abdecken kann. In diesem Zusammenhang ist auch die Verfügbarkeit eines Lieferantennetzwerkes relevant, welches von vielen Anbietern mit angeboten wird und die Voraussetzung für den Datentransfer mit den genannten Einkaufsprozessen von Einkäufern und Lieferanten ist. Für den Einkäufer hat dies den Vorteil, dass er nicht mehr separat mit jedem Lieferanten eine "one-to-one" Beziehung eingehen muss, sondern durch die sogenannte einmalige Anmeldung an das Netzwerk eine "many-to-many" Beziehung eingehen kann.
Die Verbindung von weiteren Lieferanten wird so bedeutend vereinfacht. Natürlich kann der Einkäufer dabei noch steuern, welche Lieferantenverbindungen er zulässt und welche Daten transferiert werden sollen. Durch dieses Netzwerk ist es auch möglich, dass der Lieferant seine durchgeführten Prozesse und Daten im Lieferantenmanagement-Kreislauf selbst pflegt. Durch auslaufende Zeitperioden oder zyklische Termine können relevante Informationen ohne Eingriff und Handlungsbedarf des Einkäufers in das Lieferantenmanagement-System einfließen. Dieser Supplier-Self-Service sollte vom dem System im Netzwerk vorhanden sein.
Erfolgsfaktor Supply Chain Management
Das Thema Lieferantenmanagement ist somit eine wichtige Komponente im ganzheitliche Aufgabenspektrum des Einkaufs. Ein umfassendes Lieferantenmanagement-System benötigt die genannten Bestandteile, damit für alle Anforderungen eine erfolgreiche Steuerung der unternehmensweiten Lieferantenaktivitäten möglich ist. Durch technologische Fortschritte lassen sich diese Anforderungen im Einkauf 4.0 nahtlos einfügen und bedeuten für den Einkäufer keinen zusätzlichen Aufwand an Mehrarbeit.
Elektronische Prozesse und Supplier Self Services können diese auf ein Minimum reduzieren. Durch die zusammengefassten Informationen und individuell erstellten Auswertungen erhält der Einkäufer notwendige Informationen, um strategische Entscheidungen treffen zu können. Dabei sollte beachtet werden, dass Lieferantenmanagement kein einmaliger Prozess ist, sondern ein Kreislauf der konstant überwacht und gemanaged werden muss.
Durch ein entsprechendes Lieferantenmanagement-System kann dies gewährleistet werden und verhilft dem Unternehmen zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil, indem durch die aktive Zusammenarbeit mit den Lieferanten die Performance verbessert werden kann und durch spezifische Qualifizierungen und deren konstante Überwachung die Produktqualität erhalten bleibt.