Conergy führt SAP ein

5 Erfolgsfaktoren fürs Projektmanagement

24.06.2010 von Riem Sarsam
Die Conergy AG musste ihre Geschäftsprozesse im Jahr 2008 komplett neu ausrichten. Gleichzeitig stand die Einführung von SAP an. Beides gelang, weil Prozessdesign und IT-Umsetzung eng miteinander verflochten wurden.
Eine Conergy-Solaranlage in Kiel.

"Wir hatten nur diesen einen Wurf", sagt Roland Sakel. "und der musste gelingen". Sakel ist CIO der Conergy AG, einem Hamburger Spezialisten für Solarenergie. Die Branche ist jung und kämpft mit dem Erwachsenwerden. Nach einigen Turbulenzen musste das Unternehmen neue Strukturen und Prozesse aufsetzen, um sich fit für die Zukunft zu machen.

Sakel arbeitet damals seit knapp einem Jahr im Unternehmen. Im Projektmanagement. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist die Vereinheitlichung der ERP-Systeme. Denn über die Jahre war das Solarunternehmen auf rund 90 rechtlich eigenständige Einheiten angewachsen - mit individuellen Geschäftsabläufen und IT-Systemen.

Das Erwachsenwerden war bitter nötig: Dem Vertrieb fehlte beispielsweise der automatisierte Zugriff auf aktuelle Lagerbestände, so dass sich Liefertermine schwierig bestimmen ließen. In Großprojekten mit hohen Investitionssummen hatten es die Controller schwer, die Kostenentwicklung jederzeit im Blick behalten. Die verschiedenen Organisationseinheiten planten mit eigenen Tools und Kalkulationsmodellen. Nicht zuletzt forderte der Kapitalmarkt eine konzernweite Bilanzierung, die komplexen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen Rechnung tragen musste.

Die Frage nach dem einheitlichen ERP war bereits geklärt - SAP für die großen Geschäfteinheiten, Microsoft Navision für die kleinen - unter dem Namen "Business Process Excellence 08 (BPE 08)" lief das Projekt an - und wurde im Rahmen der Neuorganisation gleich wieder zurückgestellt. "Erst nach zwei bis drei Monaten haben wir den Faden wieder aufgenommen", erzählt Sakel. Doch dieses Mal unter völlig neuen Voraussetzungen, denn das Unternehmen Conergy war nicht mehr dasselbe wie vorher: statt in vielen Bereichen der erneuerbaren Energien aktiv zu sein, sei es Solarthermie, Wind, Biogas oder Photovoltaik, besannen sich die Hamburger auf einen Schwerpunkt und der heißt Photovoltaik.

Diese komplette Restrukturierung bedeutete, dass die ERP-Initiative eng mit der Veränderung des Geschäfts verknüpft werden musste. Zum einen sollte ein einheitliches Betriebsmodell künftig Rollen und Verantwortlichkeiten auf Basis durchgängiger, straffer Abläufe klar regeln. Zum anderen wollte Conergy dieses Modell in seiner IT-Landschaft abbilden. So wollte es die neue Geschäftsführung um den ehemaligen Tchibo-Manager Dieter Ammer.

Nur neun Monate Zeit

"Der Vorstand gab uns neun Monate Zeit, sämtliche Prozesse neu aufzusetzen und SAP in Deutschland einzuführen", berichtet Roland Sakel, seit Mitte 2008 auch CIO des Unternehmens: Bereits Anfang 2009 wollte der Konzern optimal aufgestellt sein, um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Geschäft vorantreiben zu können. Die Konzentration lag zunächst auf der Einführung von SAP ERP. Das System sollte dabei nicht nur die Prozesse optimal abbilden, sondern sich für dauerhaft niedrige Betriebs- und Upgrade-Kosten nah am SAP Standard orientieren.

Um dies zu erreichen und aufgrund enger Zeitvorgaben brachte Conergy alle Beteiligten - Fachabteilungen, Prozessberater und SAP-Spezialisten - vom Start weg an einen Tisch. Sakel: "IT- und Geschäftsprozesse sollten perfekt harmonieren und deshalb parallel geplant werden. Der Wille zur Kooperation und zu zweckmäßigen Kompromissen war deshalb mit ausschlaggebend für die Partnerwahl." Conergy beauftragte die Unternehmensberatung Booz & Company mit der Optimierung der Prozesse und HP mit der Implementierung von SAP.

Stand heute blicken alle Teilnehmer auf ein erfolgreiches Projekt zurück. Die Software ist seit gut einem Jahr im Einsatz, die Akzeptanz von Seiten der Anwender ist mit jeder Woche der Nutzung gestiegen, auch die Anbindung an Drittsysteme ist geschafft. Conergy setzt beispielsweise das Customer Relationship Management als Software-as-a-Service von Salesforce.com ein. Die Anwender können jetzt automatisiert Konto- und Kundendaten synchronisieren, Bestellungen initiieren, aber auch Verfügbarkeiten oder Bestandsgrößen abfragen.

Dass der straffe Zeitplan eingehalten wurde und die Nähe zum SAP-Standard gelang, geht eindeutig auf die klare Vorgehensweise im Projektmanagement zurück. "Ich könnte alle Grundsätze aus einem Lehrbuch für Projektmanagement zitieren, wenn ich den Erfolg erklären sollte", sagt Sakel. Entscheidend ist jedoch nicht nur, dass man weiß, wie es laufen sollte, sondern dass es auch gelingt, die Theorie in der Praxis umzusetzen.

Erfolgsfaktor 1: Zusammenarbeit von Beginn an

Durch eine enge Abstimmung der unterschiedlichen Parteien dürfte das Conergy-Projekt zwei bis drei Monate Zeit gespart haben. Im zweiten Quartal 2008 hatten die Fachabteilungen gemeinsam mit den Beratern sechs Kernprozesse als Säulen des künftigen Geschäfts definiert: Planung und Reporting, Marketing, Vertrieb, Auftragsabwicklung, Beschaffung, Finanzen und Datenmanagement. Daraus resultierten auch organisatorische Änderungen. So führte das Unternehmen alle weltweiten Marken unter dem Dach der Conergy zusammen.

Bereits während des Prozessdesigns liefen die Planungen für die Harmonisierung der IT-Landschaft. 16 unterschiedliche ERP-Systeme in diversen Versionsständen waren 2007 noch im Einsatz. Da die IT mit ihrem Dienstleister HP schon in der Phase der Prozessdefinition eingebunden wurde, konnte sie die Ablaufplanungen unmittelbar prüfen.

Beispielsweise konnte HP aufzeigen, wie sich in SAP ein unternehmensübergreifender, individueller Sales-Prozess mit verbindlichen Lieferterminen ohne Programmieraufwand aufbauen lässt, oder ein zentrales Beschaffungsmanagement mit definierten Genehmigungsverfahren. Schritt für Schritt näherte sich das Team in insgesamt 25 ein- oder mehrtägigen Workshops innerhalb von drei Monaten einer Lösung, die das Prozessmodell weitgehend im SAP-Standard abbildet.

Erfolgsfaktor 2: IT-Prototypen erleichtern den Prozessentwurf

Bereits während dieser Restrukturierungsphase im zweiten Quartal 2008 sammelten Conergy und HP mit kleineren Prototypen Erfahrungswerte, die direkt wieder in die Planung des Prozessmodells einflossen. Unter anderem konnte der Dienstleister anhand der "herausgeschnittenen Prozessteile" testen, ob sich auch Abläufe, die mehrere Buchungskreise umspannen, ohne teuren Programmieraufwand in SAP abbilden lassen. Beispielsweise weil die Conergy Deutschland GmbH zwar die Produkte verkauft und die Rechnung an den Endkunden stellt, das Material aber durch die Conergy AG geliefert wird. Diese interne Verrechnung sollte dabei vollständig automatisiert werden.

Erfolgsfaktor 3: Jeder wird in die Pflicht genommen

"Die Verantwortlichen aus den Fachbereichen mussten mit ihrer Unterschrift gegenzeichnen", erzählt CIO Sakel. Auch, oder vielleicht gerade im E-Mail Zeitalter besitzt eine altmodisch anmutende Signatur auf dem Papier ein ordentliches Gewicht. Sie ruft den Beteiligten die Ernsthaftigkeit des Projektes sowie ihre Mitverantwortung dafür ins Gedächtnis. Bevor das SAP-System in Betrieb gehen konnte, mussten die Fachbereiche nach einer ausgiebigen Testphase ihre Abnahme der Prozesse und IT-Funktionen erklären.

Für Sakel war das nur konsequent: "Alle haben sich von Anfang an in das Projekt eingebracht, alle tragen am Ende zusammen die Verantwortung." Jeder für einen Prozessausschnitt Verantwortliche gab damit zu Protokoll, dass er den beschlossenen Weg mitgeht. Auch der IT-Dienstleister blieb von dieser Formalie nicht verschont, denn die Implementierung der Abläufe im ERP wurde ebenfalls auf diese Weise bestätigt. "Ich habe HP nicht aus der Verantwortung gelassen, bevor unsere Business-Leute unterzeichnet haben", so Sakel.

Erfolgfaktor 4: Zwei haben den Hut auf

Das komplette SAP-System implementierte HP schließlich im zweiten Halbjahr 2008. Damit begann die Phase, in der der CIO die Hauptverantwortung für das Projekt übernahm. Denn das gesamte Projekt hindurch arbeitete das Team mit einer Doppelspitze. Für die Gestaltung des Betriebsmodell zeichnete der Chef der Unternehmensentwicklung bei Conergy verantwortlich, daneben stand Sakel für die Aufgaben der IT. "Auch wenn es mir als CIO schwer fällt das zu sagen: beim ERP-Projekt steht die IT am Ende der Kette", weiß Sakel. Denn letztlich geht es um die Prozesse der Fachbereiche. Der Schwerpunkt der Steuerung in der ersten Phase lag daher auf der Business-Seite.

Erfolgsfaktor 5: Mit Projektende ist noch nicht Schluss

Seit Anfang 2009 arbeiten die Mitarbeiter von Conergy mit dem SAP-System. Der damalige Geschäftsabschluss wurde zwar aus Zeitgründen noch mit den alten Anwendungen gemacht, doch die Anwender sind geschult und im Einkauf, Verkauf sowie der Logistik kommt das neue Programm voll zum Einsatz. Für viele Unternehmen beginnt in dieser Phase eine schwere Zeit. Die Mitarbeiter arbeiten zunächst nicht schneller, im schlimmsten Fall sogar erst einmal langsamer als zuvor, sie brauchen Zeit, sich an die Nutzung der Software und die Umstellung der Abläufe zu gewöhnen. Nicht so bei Conergy: "Es ging erstaunlich schnell", erinnert sich Sakel.

Denn selbst nach Ende der Implementierung von SAP, dessen Betrieb in die Hände von HPO gelegt wurde, behielt das Unternehmen die Berater weiter im Haus. Wenn es Schwierigkeiten gab, konnten diese sofort einschreiten. Erst ab April reduzierte man die Größe der Mannschaft sukzessive. "Ab Mai tauchten dann schon die ersten Änderungswünsche aus", erzählt Sakel. "Und das ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Software voll im Einsatz ist."

"Die neue Conergy-IT ist für die Zukunft gut aufgestellt", resümiert der CIO. Das Unternehmen vermeidet heute auf Basis eines durchgängigen "Lead-to-Cash"-Prozesses hohe Lagerbestände und gewährleistet gleichzeitig Liefertreue. Bestandsbewertungen sind per Mausklick abrufbar, ebenso Auftragsein- und -ausgänge. Gleichzeitig beinhaltet dieser Prozess ein System, mit dem sich Solarprojekte in SAP nach standardisierten Regeln kalkulieren und in verschiedenen Stadien überwachen lassen. Ein neuer "Planning & Reporting"-Prozess sorgt für die Transparenz und Konsistenz von Vertriebs-, Logistik- und Finanzplänen.

Parallele Projektmethodik spart Zeit

Letztlich spricht also das Ergebnis für die angewandte, parallele Projektmethodik, denn "der Balance-Akt zwischen individuellen Geschäftsprozessen und dem SAP-Standard ist gelungen", bringt es CIO Sakel auf den Punkt. "Mindestens drei Monate konnte Conergy durch die kombinierte Betrachtung von Prozessen und IT einsparen", meint Jens Steuer von HP.

Noch kämpft Conergy mit kräftigem Gegenwind am Markt. Allein die IT wird die Situation nicht richten können. Doch sie kann die Vorraussetzung weiter verbessern. Demnächst wird die Conergy AG geschäftliche Transaktionen zwischen den Tochtergesellschaften und das Forderungsmanagement noch weiter automatisieren. "Mit SAP haben wir wesentlich mehr Transparenz geschaffen", meint Sakel: "Jetzt wird das System schrittweise erweitert, aber nur dort, wo es messbaren geschäftlichen Nutzen bringt."

Conergy / SAP-Einführung

Branche

Energie

Zeitrahmen

2008

Produkte

SAP ERP

Dienstleister

HP, Booz & Comp.

Umfang

konzernweit

Internet

www.conergy.de