Folgen von Smart Grids

5 IT-Aufgaben für Energieversorger

02.09.2011 von Werner Kurzlechner
Laut einer Deloitte-Studie kommen Energieunternehmen nicht um erhebliche IT-Investitionen für Smart Grids herum. Datenvolumen und Sicherheit stehen ganz vorn.
Aufs Messen und Zählen kommt es bei Smart Grids an. Das darf nicht mehr umständlich mit Uralt-Instrumenten ablaufen, sondern muss automatisch mit eingebautem Datentransfer funktionieren.
Foto: Vattenfall

Deutschland hinkt beim Aufbau intelligenter Stromnetze im internationalen Vergleich deutlich hinterher, wie eine Studie der Wirtschaftsprüfer und Berater von Deloitte zeigt. Im Bereich der so genannten Smart Grids, die mit Hilfe moderner Messungen und Verknüpfungen ein Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch herstellen, besteht demnach hierzulande noch gewaltiger Nachholbedarf.

„Im internationalen Vergleich haben die USA eine Vorreiterrolle – hier war der Innovationsdruck wegen der völlig veralteten Infrastruktur besonders hoch“, heißt es in der Studie. „Aufgrund regulatorischer wie auch organisatorischer Fortschritte ist ein umfassender Smart-Grid-Rollout näher gerückt“. In Deutschland seien zwar einige rechtliche Voraussetzungen erfüllt – zum Beispiel durch die bevorstehende Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Aber ein umfassender Plan fehle, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern. „Italien ist ein gutes Stück weiter – die Installation von Smart Meters in den Haushalten ist dort obligatorisch“, so Deloitte. Auch Schweden habe bereits einen Smart-Meter-Rollout realisiert.

Die Herausforderungen bei der Gestaltung intelligenter Stromnetze sind vielfältig, wie die Studie zeigt. Deloitte nennt als Faktoren hierzulande den Trend zur Versorger-Dezentralisierung sowie zur Kooperation von Energie- und Telekommunikationsanbietern und als Ziel den Aufbau eines europäischen Verbundstromnetzes sowie die Angleichung der regulatorischen Rahmenbedingungen. „Der Gesamtinvestitionsbedarf in den nächsten Jahren wird auf etwa 200 Milliarden Euro geschätzt“, prognostizieren die Berater. Als Schlüsselaspekte führt die Studie ein verbraucherorientiertes Lastenmanagement zur Optimierung der Nachfragekurve sowie eine akzeptable Renditeperspektive für Investoren auf. Überdies müssten die Bürger vom Bau neuer Stromtrassen überzeugt werden.

Neben diesen energiewirtschaftlichen und -politischen Grundfaktoren erweisen sich offensichtlich IT-Fragen als besondere Herausforderungen. Die Energieunternehmen dürften nicht um erhebliche Investitionen im IT-Bereich herumkommen, wie die Lektüre der Deloitte-Studie zeigt. Und das gilt auf verschiedenen Ebenen.

Erneuerbare Energien sind klasse für die ökologische Bilanz. Ihr schneller Anstieg blockiert aber nach Deloitte-Einschätzung derzeit das rasche Umsatteln auf intelligente Netzwerke in Deutschland.
Foto: Stephan Leyk - Fotolia.com

Ersten: Explizit als eine der fünf Schlüsselherausforderungen nennen die Berater die Datensicherheit sowie die Bewältigung eines Datenvolumens, das bei Smart Grids im Vergleich zu heutigen Netzen deutlich höher ist. Dies sei bedingt durch die wechselseitige Kommunikation zwischen einer höheren Anzahl an Einspeisequellen und der ebenfalls wachsenden Zahl an Verbrauchsstellen. „Darüber hinaus führt die zunehmende Nutzung von intelligenten Messsystemen zu einem weiteren Anstieg der Datenvolumina und erhöht gleichzeitig die potenziellen Angriffspunkte für digitale Attacken exponentiell“, heißt es weiter in der Studie. IT-Systeme müssten sowohl durch ausreichende Kapazitäten als auch durch Anpassung der Sicherheitssysteme darauf vorbereitet werden.

5 Herausforderungen

Zweitens: Als technologischen Investitionsschwerpunkt führt Deloitte beispielhaft sogenannte Meter Data Management-Software an. Es handle sich um ein System, das die von intelligenten Zählern gemessenen und übermittelten Verbrauchsdaten empfange und verwalte. Die Software könne kundenspezifische Bedürfnisse berücksichtigten, was konkret allerlei bedeuten kann: Generierung von Reports und Visualisierung, Datenspeicherung, Anpassung von CRM-Software und Schnittstellen.

„Weitere Anwendungsfelder ergeben sich im Bereich der automatischen Erstellung von Kundenrechnungen, verbraucherdatenbasierten Kundeninformation wie Portallösungen sowie Software zu intelligenten Stromspitzenlaststeuerung“, so Deloitte weiter.

Drittens: Handlungsbedarf sehen die Analysten auch beim Monitoring. Primär haben sie dabei zwar die Überwachung der Höchst-, Hoch- und auch Niedrigspannungsnetze an sich im Blick.

Viertens: Auch ums Prozess- und IT-Monitoring muss sich laut Deloitte gekümmert werden.

Fünftens: Damit im Zusammenhang steht die Aufgabe, eine Advanced Metering Infrastructure (AIM) in SAP-Systeme zu integrieren. Einfach gesagt handelt es sich bei AIM um eine Zählerfernauslese. Für die Übertragung der Daten in die jeweilige Systemsoftware benötigt es Übertragungstechnologien. Der Markt biete hier bisher schon eine kleine Auswahl, so die Studie. „Durch die Verfügbarkeit verschiedener, den Unternehmen wahrscheinlich unbekannter Technologien ist die Auswahl der richtigen Technologie eine Herausforderung“, konstatiert Deloitte.

Für die Vorkonzeption des AMI-Netzwerks müsse zunächst die vorhandene IT-Infrastruktur analysiert werden, um darauf eine spätere Systemintegration aufsetzen zu können, schreibt Deloitte weiter: „Es ist noch nicht klar, welche Stakeholder für die Installation der Messsysteme verantwortlich sind.“

Hemmfaktoren: Wasser und Wind

Kurz zusammengefasst lautet das Fazit für die IT: „Die Informationssysteme müssen so konfiguriert werden, dass sie effizient mit dem erhöhten Datenvolumen umgehen können sowie Datensicherheit gewährleisten und diese vor externen Systemangriffen geschützt sind.“

Allein in der IT sind die Hürden also hoch – und diese ist zwar ein wichtiger Baustein, aber bei weitem nicht der einzige. Insbesondere komme es auf operative Exzellenz, Change Management und adäquate Governance samt intensiver Risikoanalyse an, sagt Ludwig Einhellig, Energy & Resources-Experte bei Deloitte. Darüber hinaus müssten alle Stakeholder einschließlich der Öffentlichkeit eingebunden und Einführungsszenarien erarbeitet werden. „Deutschland könnte bei Smart Grids die Technologieführerschaft übernehmen, wenn die Akteure Tempo und Qualität optimieren“, so Einhellig.

„Die Energiewende bedingt einen hohen Veränderungsbedarf bei der Stromversorgungs-Infrastruktur“, verdeutlicht Hans Günter Wolf, Leiter Energy & Resources, das Ausgangsproblem. „Dabei geht es vor allem um das Management der Lastflüsse, aber auch um Dezentralisierung, Investitionsanreize und das regulative Rahmenwerk.“

Das Eneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zeitigt dabei offenbar Probleme. Der Anteil regenerativer Energien an der Strombilanz 2010 sei gegenüber dem Vorjahr deutlich auf 17 Prozent gewachsen. Der Nachteil aus Wind- und Wasserkraft laut Deloitte: Die Netzstabilität, also die gesicherte Abweichung von nicht mehr als 0,5 Hertz, könne nicht mehr gewährleistet werden. Inwieweit und unter welchen Bedingungen Smart Grids einen raschen Ausweg darstellen, ist in der Studie „Smart Grid. Markt und Regulierung“ nachzulesen, die bei Deloitte erhältlich ist.