Rund 5,1 Millionen Männer und Frauen im Alter zwischen 15 und 74 Jahren wollten im vergangenen Jahr mehr arbeiten, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden berichtete. Allerdings waren das 373.000 Menschen oder 6,9 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, weil in der guten Konjunktur auch insgesamt mehr Jobs vergeben werden. Das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial schmilzt also.
Die größte Teilgruppe von rund 2,4 Millionen Menschen sind sogenannte Unterbeschäftigte. Sie haben zwar Jobs, würden aber nach eigenen Angaben gern mehr arbeiten. Das trifft beispielsweise auf jeden achten Teilzeitbeschäftigten zu.
Unterbeschäftigung
Laut Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat es bei Frauen vor allem familiäre Gründe, warum sie - oft ungewollt - in die Unterbeschäftigung rutschen: Kindererziehung, Haushalt, Pflege. "Man müsste hier Bedingungen schaffen, dass man auch mit Kindern mehr arbeiten kann", sagt Weber.
Bei den Männern mit Teilzeitjob sei der häufigste Grund für die Unterbeschäftigung: "Sie haben schlicht nichts anderes bekommen." Dies treffe aber besonders auf junge Menschen zu - deren Situation müsse also nicht dauerhaft so bleiben.
Zudem sei es im jeweiligen Betrieb, in dem die Leute arbeiten, oft nicht möglich, dass mehr Stunden gearbeitet werden kann. Eine fehlende oder nicht ausreichende Qualifikation sei dagegen "kein wesentlicher" Faktor, in die Unterbeschäftigung zu rutschen.
Einer kürzlich veröffentlichten IAB-Studie zufolge würden teilzeitbeschäftigte Frauen gern um die 26 Stunden pro Woche arbeiten - drei Stunden mehr als vor etwa 15 Jahren. Viele junge Frauen stecken unfreiwillig in der "Teilzeit-Falle", nachdem sie ihre Arbeitszeit zuvor reduziert haben. Bei Männern mit Teilzeitjob stieg der Arbeitswunsch laut dieser Untersuchung im gleichen Zeitraum von 27 auf fast 30 Wochenstunden. Männer und Frauen mit Vollzeitjob wollen gemäß den IAB-Daten heute ungefähr genauso viel arbeiten wie früher.
Bei Mini-Jobbern herrsche die "heftigste Unterbeschäftigung", erklärt Weber. "Diese Menschen wünschen sich im Schnitt deutlich mehr Stunden - hier liegt ein großes Potenzial und auch Problem."
Erwerbslose
Und es gibt noch weitere Menschen, die gern mehr arbeiten würden. Laut dem Statistischen Bundesamt kommen zu den Unterbeschäftigten 1,6 Millionen Erwerbslose hinzu sowie eine Million Menschen, die zur sogenannten stillen Reserve gezählt werden: Sie haben keine Jobs, gelten aber auch nicht als erwerbslos, weil sie beispielsweise kurzfristig keine Arbeit übernehmen können.
Denjenigen Menschen, die mehr arbeiten möchten, stehen 1,4 Millionen Erwerbstätige gegenüber, die bei der Arbeit lieber kürzer treten und dafür auch Gehaltseinbußen akzeptieren würden. Die Zahl dieser sogenannten Überbeschäftigten hat sich binnen Jahresfrist um 234.000 oder satte 20 Prozent erhöht. Eine hohe Qualifikation und eine hohe berufliche Stellung - etwa als Führungskraft - sind nach Webers Angaben die wesentlichen Gründe für Überbeschäftigung.
Bei einer Arbeitslosenzahl von knapp 2,3 Millionen Menschen in Deutschland waren im Juni bei der Bundesagentur für Arbeit 805.000 offene Stellen gemeldet. In manchen Berufen, Branchen und Regionen dauert es inzwischen lange, bis offene Stellen besetzt werden können. Fachkräfte-Engpässe gibt es vor allem in technischen Berufen sowie in einigen Gesundheits- und Pflegeberufen. (dpa/rs)