Eine "gläserne Decke" nennt die Boston Consulting Group (BCG) das, was Frauen am Aufstieg an die Firmenspitze hindert. Die Münchener Analysten wollten wissen, woran es denn nun liegt, dass so wenige Frauen im Top-Management vertreten sind. Der Hauptgrund lässt sich salopp zusammenfassen: Die sogenannten Old-boy Networks und ihre männlich-dominierte Firmenkultur blocken Frauen ab.
Für die Studie "Shattering the glass ceiling" hat die BCG 44 internationale Großkonzerne - darunter Adidas und Cisco, Huawei und Unilever - untersucht. Dabei wurden insgesamt 1.700 Menschen befragt. Die Autoren wollen ihre Analyse im größeren Zusammenhang von Diversity verstanden wissen. Unternehmen hätten noch "einen langen Weg vor sich", wenn sie talentierte Mitarbeiter unabhängig von Geschlecht, Nationalität und Herkunft oder anderen Merkmalen fördern wollen.
Chefs befördern, wer ihnen ähnlich ist
Die BCG hat sich angesehen, wie Unternehmen ihre Stellen besetzen und wer intern welche Aufstiegsmöglichkeiten hat. Die Analysten kommen zu demselben Ergebnis wie beispielsweise ihre Kollegen von Roland Berger: Führungskräfte stellen nicht unbedingt die am besten geeigneten Bewerber ein, sondern solche, die ihnen selbst ähnlich sind.
Dieses Phänomen wird mittlerweile unter dem Stichwort "Self-Cloning" diskutiert. Roland Berger beziffert das Einsparpotenzial, das sich deutsche Unternehmen durch den Verzicht auf Vielfalt bei Einstellungen und Beförderungen entgehen lassen, auf bis zu 21 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Bosten Consulting Group hat ihre Studienteilnehmer nach möglichen Gründen für den Frauenmangel im Top-Management befragt. Die Teilnehmer sollten diese Gründe auch einschätzen.
Dabei zeigte sich denn auch, dass Klischees wie die "weibliche Persönlichkeit" - demzufolge Frauen einfach nicht nach Macht strebten - von vergleichsweise wenigen Befragten genannt wurden. Öfter kam die männlich-dominierte Firmenkultur zur Sprache, wonach die Führungsriege Frauen zu wenig unterstütze.
Fünf irrige Annahmen über Chancengleichheit
Auf Basis der 44 untersuchten Konzerne hat die BCG für Europa beispielhaft einen "typischen Fall" entwickelt. Klischee und Wahrheit über Frauen in diesem Beispiel-Fall lesen sich wie folgt:
Mythos 1: "Im Branchenvergleich ist unser Unternehmen in puncto Frauenförderung sehr gut aufgestellt." Faktisch liegt der Frauenanteil im Top-Management mit Blick auf internationale Vergleichszahlen um sieben Prozent unter dem Schnitt.
Mythos 2: "In unserer Firmenkultur gibt es kein Problem mit Frauen in Führungspositionen." Eine Einschätzung, die nur etwa jeder zehnte Befragte (unabhängig vom Geschlecht) bestätigt.
Mythos 3: "Unsere Beförderungsprozesse sind transparent und neutral." Faktisch halten nur 18 Prozent der weiblichen und 40 Prozent der männlichen Befragten die Beförderungsprozesse für geschlechtsneutral. Männer werden doppelt so häufig befördert wie Frauen.
Mythos 4: "Es gibt zu wenig qualifizierte Frauen, vor allem in den technischen Disziplinen." Das stimmt nur zum Teil. Beispiel Ingenieure: 23 Prozent der Hochschulabgänger sind Frauen. Aber nur jeder zehnte Neueingestellte ist weiblich.
Mythos 5: "Unser Unternehmen tut schon genug, um Frauen zu fördern." Faktisch sehen 40 Prozent der Befragten erheblichen Verbesserungsbedarf.
Zusammenfassend schreibt Rainer Strack, Senior Partner und bei der BCG weltweit für Personalthemen verantwortlich: "Der Mangel an weiblich besetzten Führungspositionen ist vor allem ein Problem des internen Talent-Managements."
Die BCG rät zum Gesundheits-Check
Die BCG rät Unternehmen zu einem "Gesundheits-Check" in Sachen Diversity. Der Begriff umschreibt eine umfassende Analyse, die zunächst die Ursachen des Ungleichgewichts bei der Mitarbeitervielfalt aufdecken und Akzeptanz für das Thema schaffen soll. Anschließend muss das Unternehmen Ziele und Maßnahmen definieren, die den Geschäftserfolg fördern können.
Susanne Dyrchs, Co-Autorin und Expertin für Diversity- und Talentmanagement bei BCG, konkretisiert das wie folgt: Im ersten Schritt sollten die drei Faktoren Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterförderung anhand von definierten Leistungskennzahlen analysiert werden, etwa durch eine Aufschlüsselung nach männlichen und weiblichen Neueinstellungen und Beförderungen pro Geschäftsbereich oder Firmenstandort.
Den Vorurteilen auf der Spur
In der zweiten Stufe sollen Umfragen und Gespräche mit männlichen und weiblichen Mitarbeitern Aufschluss über die Kernprobleme und Vorurteile geben. Dabei soll es auch um Maßnahmen gehen, die im Unternehmen bereits erfolgreich angewandt werden.