Die alt-ehrwürdige britische Royal Shakespeare Company gibt sich modern: Das Theaterunternehmen unterzog den Ticketverkauf der vergangenen sieben Jahre einer gründlichen Untersuchung mit dem Ziel, mehr Eintrittskarten an vorhandene Kunden zu verkaufen und neue Zielgruppen zu erschließen. Mit großem Erfolg: Die Analyse und anschließend erstellten Marketingpläne schraubten den Verkauf allein in Shakespeares Heimat Stratford-upon-Avon um satte 70 Prozent in die Höhe.
Nicht immer verlaufen Business-Analytics-Projekte dermaßen erfolgreich. Aber jedes Unternehmen hat wertvolle Daten im Fundus, die beim Ausbau des Geschäfts helfen können.
So hat die Elektronik-Kette Best Buy zum Beispiel durch Analysen seines Loyalty-Programms herausgefunden, dass ganze sieben Prozent ihrer Kunden für 43 Prozent des Umsatzes verantwortlich zeichnen. Die Konsequenz: Best Buy passte seinen Online-Shop an die Bedürfnisse dieser Power-Buyer an. Das Ergebnis der Bemühungen ist leider nicht überliefert, aber man liegt sicher richtig mit der Annahme, dass die sieben Prozent nun noch mehr Umsatz in die Kassen spülen.
Olive Garden, eine Kette italienischer Restaurants in den USA und Kanada, nutzt seine Restaurant-Daten unter anderem für das Ermitteln der Anforderungen an die Vorratshaltung sowie zur individuellen Menugestaltung und Zutatenverteilung. Nur eins der Ergebnisse: Die Menge des "Essens auf Rädern" (die der Mülltonne) konnte innerhalb von zwei Jahren signifikant gesenkt werden.
Für Unternehmen, die solchen Beispielen folgen möchten, hat Accenture ein Fünf-Stufen-Modell entwickelt und es DELTA getauft (Data, Enterprise, Leadership, Targets and Analysts). Es definiert die Basisanforderungen an den erfolgreichen Gebrauch von Business Analytics im Unternehmen.
1. Data: Was ist einzigartig an meinen Daten?
Nur wenige Firmen wissen Accenture zufolge um die Exklusivität ihrer vorhandenen Daten. Satte 88 Prozent gehen einer Umfrage zufolge davon aus, dass ihre Daten höchstens genau so gut sind, wie die ihrer Mitbewerber.
Stimmt nicht, meint Accenture. Mit Daten sei es wie mit Fingerabdrücken: Kein Datenbestand der einen gleicht exakt dem einer anderen Firma. Das Problem ist nur: Viele dieser Daten fallen eher nebenbei an und werden bei der Analyse von Geschäftsprozessen und -ergebnissen erst gar nicht berücksichtigt.
Die erste Aufgabe, meint Accenture, sei es also zu analysieren, worin die Einzigartigkeit der Unternehmensdaten besteht. Allerdings ist die Einzigartigkeit der Daten nicht das einzige Kriterium. Für die Qualität sind auch Struktur, Integrität, und Zugriffsmöglichkeiten wichtig. Jedes Unternehmen, dass sich von Analysen einen Mehrwert erhofft, muss seine einzigartigen Daten identifizieren und den Wert dieser Daten erkennen.
2. Enterprise: Wie viel Integration ist quer durchs Unternehmen notwendig?
Eine unternehmensweite Sicht auf die Daten ist essenziell für den Erfolg von Business Analytics, meint Accenture. Die Mehrheit der von der Unternehmensberatung befragten Firmen zeigt sich diesbezüglich aber eher kurzsichtig: Nur 20 Prozent praktiziert eine Rundumsicht, während 31 Prozent die Analyse von Business-Prozessen in einzelnen Einheiten oder - wenn abteilungsübergreifend - nur in einem einzelnen Prozess betreibt.
Allerdings räumt Accenture ein, dass die Integration von Daten, Analysen und Prozessen in einem weltweit aktiven Unternehmen mit unterschiedlichsten Kunden und Produkten in einer Vielzahl von Märkten und ökonomischen Umfeldern eine "große Herausforderung" ist. Und eine nicht immer sinnvolle dazu.
Da gibt es das weltweit agierende Handelshaus. Sollen Daten über die Kunden von Wind-Turbinen in Europa und Versicherungen in Asien im ganzen Unternehmen erreichbar sein? Auf den ersten Blick vielleicht nicht. Auf den zweiten aber möglicherweise doch, zum Beispiel beim Großkundengeschäft, wo ein Unternehmen alle Daten benötigt, um noch bessere Angebote machen zu können.
Wer sich um die unternehmensweise Sicht auf die Daten kümmern möchte, muss die Frage beantworten, ob jeder in der Firma dieselben Daten und Analysen benötigt. Dabei sollte jede Einheit im Unternehmen, die Daten über Kunden und Märkte erhebt und jede Abteilung, die von Analysen dieser Daten profitiert, berücksichtigt werden.
Bleiben Zweifel, hilft Accenture mit sechs analytische Grundfragen:
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Was ist passiert (Reporting)?
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Was passiert gerade (Alerts)?
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Was wird passieren (Extrapolation)?
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Wie und warum ist es passiert (Modeling)?
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Was ist die nächste beste Aktion (Recommendation)?
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Was passiert im besten und schlechtesten Fall (Prediction)?
Die Antworten auf diese Fragen, meint Accenture, sind auf jeden Fall ein gutes Argument für das Zusammenbringen allgemeiner Daten, Infrastrukturen, Analysen und Entscheidungsprozesse.
3. Leadership: Was macht einen Datenarbeiter zum Chef-Analysten?
Um mit Business Analytics effektiv zu arbeiten, muss die oberste Führungsebene, speziell der CEO, eingebunden sein. Top-Teams verstehen das, wie Accenture-Umfragen aus dem Jahr 2009 zeigen: Mehr als 70 Prozent der Verantwortlichen gaben zu Protokoll, dass die oberste Führungsebene entweder vollständig oder mindestens "sehr" in die Analyse-Aktivitäten und Fakten-basierten Entscheidungsprozesse eingebunden waren.
Dennoch ist Analytical Leadership nicht einfach das Aufgabengebiet des CEO und der Führungsebene, warnt Accenture. Es sollte vielmehr das Anliegen jedes Managers oder Mitarbeiters sein, der nach Verbesserungen strebt.
Chef-Analysten - das sind nicht (mehr) die "sozial herausgeforderten" Zahlenversessenen mit Kappe und Ärmelschoner, die man aus den Klischees kennt. Es handelt sich Accenture zufolge tatsächlich um vielseitig begabte Individuen mit analytischen und sozialen Fähigkeiten.
Ein guter Chef-Analyst ist auch sonst ein guter Chef. Neben seinen sozialen und kommunikativen Fähigkeiten muss er aktiv daran arbeiten, dass Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und Analysen getroffen werden. Sobald der Anschein entsteht, strategische Ziele werden intuitiv festgelegt, wird er energisch widersprechen.
Es ist selbstverständlich, dass der Chef-Analyst bei der Planung seines Geschäfts selbst mit gutem Beispiel vorangeht und seine Kollegen im Gebrauch von Analysetechniken schult.
4. Targets: Wie definiert man die Ziele von Investition in Business Analytics?
Unternehmen müssen sich ständig entscheiden, in welchen Bereich sie wie viel investieren. Das ist bei Analyse-Projekten nicht anders. In seiner 2009-Umfrage hat Accenture Business-Verantwortliche gefragt, welche Analyseziele vorrangig sind und welche warten können.
Auf kurze Sicht gesehen, steht der Wunsch, auf Ereignisse oder Kundenaktivitäten differenziert antworten zu können, im Vordergrund (64 Prozent). Fast genau so viele (62 Prozent) äußerten das simple Ziel, ihre Daten in Ordnung zu bringen. Langfristig dominiert der Wunsch, Daten für valide Vorhersagen nutzen zu können (72 Prozent).
Investitionen in Business Analytics lassen sich auch funktional begründen. So zielen 35 Prozent der Befragten auf eine Verbesserung im CRM-Bereich, je 27 Prozent erhoffen sich Vorteile im operativen Geschäft und bei Finance.
Accenture zufolge lohnt es sich bei der Suche nach der Antwort, einen systematischen Blick auf die Business-Prozesse zu werfen: Wie funktionieren sie, wie sind sie strukturiert, wie werden innerhalb dieser Prozesse Entscheidungen getroffen und wo liegt das Potenzial für Verbesserungen?
Dabei eignen sich besonders die Prozesse, die unter Druck stehen und die am meisten von einer Verbesserung der Performance profitieren würden. Dazu gehören alle Prozesse, die als datenintensiv, informationsintensiv und arbeitsintensiv gelten.
5. Analysts: Wer ist ein Analyst?
Führungskräfte in Analyse-Projekten sind auf Fachleute unterschiedlicher Provenienz angewiesen. 53 Prozent der von Accenture Befragten nutzen dafür externe Kräfte, 60 Prozent Kräfte einer zentral organisierten Gruppe, zwei Drittel einer speziellen Abteilung, Einheit oder Funktionsgruppe. Für Accenture sind Analysten zunächst einmal Mitarbeiter, die Statistiken sowie quantitative oder qualitative Analysen und Modelle für Vorhersagen verwenden - also fast alle. Innerhalb dieser großen Gruppe unterscheidet Accenture aber verschiedene Typen: Champions, Profis, Semi-Profis und Amateure.
Bei den Champions handelt es sich laut Accenture um Analyse-Profis, die ins Senior-Management aufgestiegen sind. Sie kombinieren einen hervorragenden Geschäftssinn mit ihrem Verständnis für gängige Analysetechniken. Sie etablieren Langzeit-Strategien und stehen anderen beratend beim Einsatz von IT-Systemen und Prozess-bezogenen Themen zur Seite. Die Profis sind die kompetentesten Mitarbeiter mit einer großen Bandbreite an Fähigkeiten. Sie wirken an fortgeschrittenen Analyse-Techniken durch die Entwicklung statistischer Modelle und Algorithmen mit.
Die Semi-Profis setzen die Modelle und Algorithmen der Profis um. Ihre Hauptaufgabe ist es, die Analysetools auf Probleme und Teilaufgaben einzelner Bereiche anzuwenden.
Die Amateure schließlich beschäftigen sich in ihrem Job eigentlich nicht mit Analysen, brauchen aber mindestens ein Verständnis dafür, um ihre Aufgaben besser erledigen zu können. Sie sind als die eigentlichen Konsumenten in der Lage, die Ergebnisse auf ihre Arbeit anzuwenden.
Nicht jedes Unternehmen, schließt Accenture seine Analyse, sei in der Lage, seine Strategie sofort auf die Basis tiefschürfender Analysen zu stellen. Aber der Einsatz des DELTA-Modells in der Praxis, zeigen sich die Berater überzeugt, könne der Weg hin zum Aufbau solch analytischer Fähigkeiten sein.
Der Artikel ist eine Adaption von Analytics at Work: Smarter Decisions, Better Results von Thomas H. Davenport, Jeanne G. Harris und Robert Morison (Harvard Business Press, 2010).