Wer regelmäßig mehr als 50 Stunden in der Woche arbeitet, bringt seine Work-Life-Balance in eine Schieflage. Das haben Forscher in einer Studie herausgefunden.
Fällt das Schlagwort Work-Life-Balance, denkt man zuerst an die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Diese Sicht greift zu kurz, sagen Wissenschaflter der TU Dresden und weisen auf einen dritten Aspekt hin, der oft vergessen wird, aber genauso wichtige für die richtige Balance ist: Die Zeit für sich selbst und eigene Interesen haben. In einer Studie mit 800 Teilnehmern hat sich für die Forscher bestätigt: Work-Life-Balance ist "die alltägliche Herausforderung der Menschen, den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden, die sich aus dem Arbeitsleben, sozialen Verpflichtungen und persönlichen Interessen heraus ergeben."
So gelingt Work-Life-Balance
Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder: "Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen."
Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind: "Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten."
Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind: "Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden."
Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder: "Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie."
Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge: "Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten."
Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder: "Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden."
Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind: "Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind."
Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder: "Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."
Aussagen zur Life-Balance eines Arbeitnehmers lassen sich auch dann treffen, wenn man die Wochenarbeitszeit dieser Person kennt. Um dies zu demonstrieren, haben die Wissenschaftler Arbeitnehmer gebeten, im Fragebogen zusätzlich zur Life-Balance auch Angaben zu ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit zu machen. Die Ergebnisse bestätigen, dass Personen, die im Schnitt 50 Stunden und mehr pro Woche arbeiten, eine signifikant geringere Life-Balance erleben, als Personen, die im Schnitt weniger als 50 Stunden pro Woche arbeiten. Die Forscher erklären das so: "Eine zeitlich intensive Arbeitstätigkeit lässt also wenig Zeit für die Dimensionen Soziales und Persönliches und resultiert damit in einer geringeren Life-Balance."
Ruhe- oder Fitnessräume erhöhen Motivation
Auch Arbeitgeber können diese von den Wissenschaftlern so bedeutend eingestufte Dimension der Zeit für einen selbst berücksichtigen, zum Beispiel durch die Einrichtung von Ruheräumen, Fitness- und Wellnessangeboten oder einen freien Nachmittag pro Woche. Solche Angebote können dazu beitragen, die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen. Unterstützen können auch individuelle Coachingmaßnahmen oder Achtsamkeitstrainings. Das Fazit der Wissenschaftler: Die Studienergebnisse würden deutlich darauf hinweisen, dass eine positive Einflussnahme auf die drei Dimensionen Arbeitszeit, Zeit für Soziales und Zeit für einen selbst sowohl in einer besseren Gesundheit als auch in einer besseren Arbeitsleistung resultieren wird.
Ein Artikel zur Studie ist unter dem Titel "Beyond Work and Life: What Role Does Time for Oneself Play in Work-Life Balance?" in der Zeitschrift für Gesundheitspsychologie erschienen. Autoren sind Pia Grisslich, Antje Proske und Hermann Körndle von der Fachrichtung Psychologie an der TU Dresden.