Die Überschrift verhieß nichts Gutes: "Computer werden dir den Job wegnehmen", titelte unsere US-Schwesterpublikation PC World vor einigen Monaten. In dem Artikel ging es um die Zukunft der künstlichen Intelligenz, um die Frage, wann Maschinen in der Lage sein werden, den Menschen das strukturierte Denken abzunehmen.
Anlass der Geschichte war eine Podiumsdiskussion in Washington D. C. Peter Bock, emeritierter Prozessor der George Washington-Universität, äußerte die Ansicht, in längstens 12 Jahren seien Computer so schlau wie Menschen.
Paul Cohen, Programm-Manager für künstliche Intelligenz bei der DARPA, der Forschungsagentur der US-Verteidigungsministeriums, äußerte sich weniger optimistisch (bzw. pessimistisch, je nach Standpunkt). "Bisher sind die Experten auf diesem Gebiet noch nicht in der Lage, Maschinen so etwas wie gesunden Menschenverstand einzuimpfen, jene Art von Vernunft, die jeder Fünfjährige besitzt."
Die beiden Zitate markieren sozusagen die Sollbruchstelle der Diskussion um Künstliche Intelligenz, um das Maschinenlernen. Unstrittig ist, das Computer schon heute schneller als Menschen strukturierte, das heißt standardisierte, vergleichbare Daten zu was auch immer verdichten können.
Schwieriger wird es beim gesunden Menschenverstand
Der gesamte Google-Konzern lebt im Wesentlichen von dieser Fähigkeit, Banken entscheiden anhand solcher Analysen über Kreditvergaben und über die Konditionen.
Schwieriger wird es beim erwähnten gesunden Menschenverstand. Wenn es nicht darum geht, Antworten zu geben, sondern die richtigen Fragen zu stellen. Genau das aber, also das Lösen komplexer Business-Aufgaben durch lernfähige Computer, ist Ziel aller aktuellen Business Intelligence-Konzepte.
Wie sich Unternehmen am effizientesten diesem Ziel nähern, das hat McKinsey jetzt in einem "Führungskräfte-Guide zum Maschinenlernen" zusammengefasst.
Um das Ob geht es dabei übrigens nicht. Schon zu Beginn des Papers zitiert McKinsey den Management-Autor Ram Charan mit dem Satz: "Jedes Unternehmen, das nicht schon heute eine Art mathematischer Think-Tank ist oder plant, in Kürze ein solcher zu werden, hat im Grunde schon den Anschluss verpasst."
Wie also am Ball bleiben? McKinsey stellt dazu 6 praktische Fragen; und gibt natürlich auch gleich die Antworten.
1. Wie nutzen traditionelle Branchen Maschinenlernen, um frischen Input für ihr Business zu erhalten?
McKinsey bringt an dieser Stelle ein Beispiel aus dem Basketball - einer in den USA durchaus traditionellen Branche. Deren Mitglieder - als die Mannschaften - bedienen sich des Know-hows von Second Spectrum, einem Start-up aus Kalifornien. Das Analysiert die Spielverläufe mehrerer Saisons bis ins kleinste Detail. Mit den Ergebnissen ist es dann zum Beispiel möglich, so Second Spectrum-CEO Rajiv Maheswaran, "einen schlechten Werfer, der zufällig gerade mal trifft, von einem guten Werfer, der gerade mal nicht trifft, zu unterscheiden."
2. Was passiert außerhalb von Nordamerika?
In Europa, das jedenfalls ist die Kernbeobachtung von McKinsey, haben mehr als ein Dutzend Banken ihre alten, statischen Statistik-Modelle durch selbstlernende Systeme ersetzt. Das Ergebnis seien durchschnittlich zehn Prozent mehr verkaufte Finanzprodukte bei um 20 Prozent geringeren Kosten.
Konkret geschah das durch besseres Empfehlungsmanagement und bessere Prognosemethoden. Die erlauben es den Banken, zum Beispiel früher als bisher festzustellen, welcher Bankkunde unzufrieden ist und entsprechend gegenzusteuern.
3. Wie ist "Machine Learning" entstanden?
Die zentralen Ideen für das, was wir heute als künstliche Intelligenz bezeichnen, stammen aus den 1930er und 1940er Jahren, allerdings blieben sie so lange Theorie, bis um 1980 die ersten leistungsfähigen Computer zur Verfügung standen. Ihre Möglichkeiten voll ausspielen können die Ideen seit etwa fünf Jahren, weil sich seitdem auch mit vergleichsweise preiswerten Rechnern in überschaubarer Zeit komplexe Rechenoperationen ausführen lassen.
4. Wie steige ich am besten in das Thema ein?
Nach Ansicht von McKinsey sollten C-Level-Chefs künstliche Intelligenz vor allem als Werkzeug begreifen, um ihre strategische Vision umzusetzen. Ohne den Nutzen genau zu definieren, bliebe jeder entsprechende Ansatz (nur) ein Tool unter vielen.
Data Scientists, also die Entwickler vonMachine-Learning-Systemen, bräuchten dabei Führung durch CxOs. Konkret spricht McKinsey von zwei Machertypen, die vonnöten seien: "Quants", also die Entwickler, und "Translators", die die Brücken bauen zwischen Lösungen und ihrer Nutzbarmachung.
Und noch einen wichtigen Rat hat McKinsey parat: "Fang klein an, konzentriere dich auf die niedrig hängenden Früchte und posaune jeden kleinen Anfangserfolg laut heraus. Das hilft, schon frühzeitig ein Unterstützernetzwerk aufzubauen."
5. Welche Rolle spielt das Top-Management?
Echte Verhaltensänderungen sind schwierig und dauern lange. Sie zu begleiten und anzuregen, ist die Kernaufgabe des Top-Managements im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz.
Gleichzeitig müssen die Chefs loslassen und sich damit abfinden, dass durch die breite Verfügbarkeit leistungsfähiger Systeme viele datenbasierten Entscheidungen sozusagen eine Etage unter ihnen, will sagen im Mittelmanagement, getroffen werden. McKinsey nennt das die "Demokratisierung von Analytics".
6. Werden in Zukunft Maschinen wirklich auch Manager ersetzen?
Natürlich interessiert sich in diesem Zusammenhang absolut jeder für die Frage: Werde ich irgendwann überflüssig? An dieser Stelle hat McKinsey eher tröstende Worte parat. Sinngemäß in etwa: Egal, wie schlau Computer werden, es werden immer Manager gebraucht, um die wichtigen Entscheidungen zu treffen.
Resümee: In ein paar Jahren, sagt McKinsey, wird es keine Diskussionen mehr darüber geben ob Menschen dauerhaft schlauer sind als Maschinen oder umgekehrt.
Künstliche Intelligenz wird in der Praxis aus bereitgestellten Prozessen und Services bestehen, die wir nutzen wie andere auch. Bis es so weit ist, müssen sich Manager überlegen, welche Funktionen sie an solche Systeme übertragen wollen und wie ihr Unternehmen mit ihnen zusammenarbeiten will.