Heute kochen noch viele Cloud-Anbieter ihr eigenes Süppchen: „Die Anbieter versuchen, über Lock-in ihre Kunden an sich zu binden, um so ihre Investitionen zu refinanzieren“, sagt Ricco Deutscher, Projektleiter der Open Cloud Business Initiative bei der OSBF, „Man kann heute im Cloud-Markt noch keine Offenheit erwarten.“ Das aber sei völlig normal für die Anfangsphase einer neuen Technologie, in der es typischerweise noch an Standards fehle und die Anbieter den Markteinstieg mit hohen Entwicklungskosten in innovative Technologien und Geschäftsmodelle bezahlt hätten.
Erste Phase: Vendor Lock-in
Deshalb herrschten in dieser ersten Phase häufig Geschäftsmodelle vor, die den technischen Lock-in des Kunden in die proprietäre Technologie ausnutzen. „In der späteren Reifephase, wenn sich offene Standards herausgebildet haben, entstehen dann andere Geschäftsmodelle, die nicht auf Lock-in, sondern auf hohe Marktverbreitung durch Offenheit setzen“, sagt Deutscher. Er zieht eine Parallele zum Software-Markt: So bildete der traditionelle Softwaremarkt in seinen ersten Jahrzehnten das Lizenzgeschäftsmodell heraus (wie etwa Microsoft oder Oracle), während im letzten Jahrzehnt Open Source-Software mit Red Hat/JBoss oder MySQL den Markt grundlegend verändert hätte.
So biete beispielsweise Amazon heute einen proprietären Messaging-Service Amazon SQS an, den andere Public Cloud-Anbieter wie Microsoft, Google und VMware nicht unterstützen – ein typisches Beispiel für Vendor-Lock-in. „Die Open Cloud stellt einen Zukunftsmarkt dar, von dem wir noch einige Jahre entfernt sein dürften“, vermutet OCBI-Projektleiter Deutscher.
Dennoch gäbe es auch heute schon Vordenker – hauptsächlich aus der Open Source-Szene – die sich Gedanken darüber machen, wie eine „offene Cloud“ beschaffen sein sollte. So haben etwa Open Cloud Manifesto oder die Open Cloud Initiative konkrete technische Anforderungen und Prinzipien für offene Cloud-Architekturen formuliert. Danach müssen Open Cloud Services folgende Bedingungen erfüllen:
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alle User- und Metadaten in einem offenen Standard-Format darstellen
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ihre Funktionalität über offene Standard-Schnittstellen exponieren sowie
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Eigentums- und Zugriffsrechte für alle verarbeiteten Daten vom Benutzer festlegbar halten.
„Die Anforderungen der vor kurzem gegründeten, technisch orientierten Open Cloud Initiative sind richtig und notwendig, aber aus Sicht der OSBF sind sie nicht hinreichend, weil sie rechtliche und soziale Aspekte nicht berücksichtigen“ erklärt Richard Seibt, Vorstand der OSBF.
Rechtliche und soziale Prinzipien
Deshalb nimmt die OSBF zwar sinngemäß die Forderungen der Open Cloud Initiative auf, geht aber mit der Formulierung weiterer Prinzipien darüber hinaus. Der Kriterienkatalog der OSBF für offene Cloud Services lautet:
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Alle User- und Metadaten eines Service werden in einem offenen Standardformat dargestellt.
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Die Funktionalität eines Service wird über offene Standard-Schnittstellen exponiert.
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Jeder Service-Konsument kann den Service ohne jede Diskriminierung nutzen.
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Eigentums- und Zugriffsrechte sind für alle verarbeiteten Daten durch den Benutzer selbst festlegbar.
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Der Service-Provider achtet die Rechte an den Daten des Benutzers/Service-Konsumenten, die dieser Benutzer ihm gewährt.
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Alle Veränderungen und Erweiterungen von Open Cloud-Services werden mittels geeigneter Prozesse und einer geeigneten Infrastruktur durch eine Community abgestimmt.
„Im Cloud-Markt ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten, wie sie im Software-Markt stattgefunden hat“, sagt OSBF-Vorstand Seibt. In dessen Reifephase werde sich das Prinzip der Offenheit wiederholt durchsetzen und Open Cloud werde zur Commodity. Mit der „Open Cloud Business Initiative“ will die OSBF einen Beitrag leisten, diese Market Adoption der Open Cloud zu beschleunigen.
Zu diesem Zweck ist bereits ein „Open Cloud Zertifikat“ der OSBF in Planung, mit der Anbieter von Cloud-Services ihre Übereinstimmung mit den OSBF-Prinzipien für offene Cloud-Services erklären können. Ebenfalls geplant ist ein „Open Cloud Award“, der anlässlich einer Open Cloud-Konferenz der OCBI im nächsten Jahr an Projekte verliehen werden soll, die beispielhaft die Standards für offene Cloud-Architekturen umgesetzt haben.
Anbieter zertifizieren sich selbst
Das Zertifikat soll ohne bürokratischen Aufwand allen Cloud-Providern offen stehen: Anbieter von Cloud-Services, die sich mit diesen Prinzipien in Übereinstimmung sehen, sollen das Open Cloud Zertifikat ohne weitere Prüfung führen dürfen. Dabei behält sich OSBF allerdings das Recht vor, bei Verstößen das Zertifikat wieder zu entziehen.
Das Ziel der OSBF und der „Open Cloud Business Initiative“ ist es, für alle drei Cloud-Layer – für SaaS, IaaS und PaaS – konkrete Rahmenbedingungen einer Open Cloud zu diskutieren und Beispiel-Implementierungen voranzutreiben. Im Bereich Open SaaS sind Rahmenbedingungen bereits in der Diskussion. Für Open IaaS und Open PaaS sucht die „Open Cloud Business Initiative“ derzeit OSBF-Mitglieder und Anwender, die zu einer Mitwirkung bereit sind. Interessierte sind eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen und über die über die Website (www.ocbi.org) Kontakt mit der OSBF aufzunehmen..
Die Open Source Business Foundation ist eine Interessenvertretung der Open Source Industrie. Mit mehr als 150 Mitgliedern unterstützt die OSBF Open Source Unternehmen beim Aufbau erfolgreicher Geschäftsmodelle. Darüber hinaus will die OSBF die Nutzung von Open Source Software vorantreiben und agiert als Vertreter der Open Source Branche, um den Dialog mit Organisationen, Ministerien und politischen Parteien zu führen. Zu den Gründern der von der OSBF ins Leben gerufene „Open Cloud Business Initiative“ (OCBI) zählen unter anderem die OSBF-Mitglieder: Open-Xchange, Microsoft, Zimory, Talend und Suse Linux.