Laut der "Global Talent Trends 2020"-Studie von LinkedIn erklärt nur jeder zweite Arbeitnehmer, seine Erfahrungen im Betrieb seien gut. Unternehmen müssen sich also bemühen. Dem Mangel an IT-Fachkräften kontern Entscheider mit neuen Maßnahmen. Einige setzen auf Technologie, andere richten den Blick nach innen und ändern die Firmenkultur. In der Praxis zeichnen sich folgende Trends ab:
1. Datengetriebene Besetzungen: Chris Bergh, CEO von DataKitchen, beobachtet eine steigende Nutzung von Analytics. Die Tools sollen rechtzeitig neu aufkommende Bedarfe und entstehende Rollen in den Unternehmen identifizieren. Solche Werkzeuge können Daten analysieren, die in verschiedenen Silos liegen, und Human Resources-Managern detaillierte Informationen bereitstellen. Dazu gehört auch, was ein Einstellungsprozess kostet. Das bezieht sich auf die Kosten für die Einstellung selbst, den Onboarding-Prozess und die Kosten für die Fälle, in denen Mitarbeiter nicht gehalten werden können.
2. Entwickeln interner Kandidaten: Becca White, Director of People Analytics bei LinkedIn, rät, Programme für das Finden und Entwickeln interner Mitarbeiter aufzusetzen. Ein Beispiel dafür liefert AT&T. Die Mitarbeiter des Konzerns können eigene Profile anlegen, in denen sie ihre Fähigkeiten und Interessen beschreiben. Das unterstützt sie bei der Auswahl geeigneter Qualifizierungsmaßnahmen. White erklärt, dass solche internen Besetzungen kostengünstiger sind.
Neues Ziel Talent Mobility
Laut Joseph Quan, CEO von Twine, sollten Unternehmen mit solchen Maßnahmen in kleinen Schritten starten. Ziel kann es sein, umfassende Mentoring-Programme, Datenbanken mit internen Skills, Cross-Training-Programme und Ein-Tages-Hospitanzen zu etablieren. Lauren Smith, Vice President der HR-Practice beim US-Marktforschungsinstitut Gartner, spricht in diesem Zusammenhang von "Talent Mobilität". Unternehmen könnten zum Beispiel Managern das Entwickeln von Talent Mobility in die Ziele schreiben.
3. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Personalwesen: KI-Systeme können Personaler entlasten. Eric Sydell, Executive Vice President of Innovation bei Modern Hire, empfiehlt den Einsatz von KI bei der Analyse von Bewerbungen, die abgebrochen wurden oder in irgendeiner Weise offen geblieben sind.
Allerdings birgt KI Stolperfallen. So geriet Amazon negativ ins Gespräch, als deutlich wurde, dass eine KI-basierte Recruiting Machine Frauen benachteiligte. Sydell setzt deswegen auf Transparenz und betont, dass Kandidaten ein Recht auf Auskunft darüber hätten, warum sie abgelehnt wurden. Unternehmen dürften hier keine "Black Box Mentalität" pflegen.
Die Entwicklung "wahrhaft agnostischer" Algorithmen ist schwer
Ignacio Cantalupo, Chief Capacity Officer bei Globant, erklärt, es sei sehr schwer, "wahrhaft agnostische" Algorithmen zu entwickeln. Unternehmen müssten aber ausschließen können, dass etwaige Vorurteile der Entwickler in das KI-System einfließen.
4. Plattformen für Online-Bewerbungen: Online-Bewerbungen ermöglichen Kandidaten, mit ein paar Klicks ihre Unterlagen einzureichen. Das ist einerseits praktisch, birgt aber andererseits die Gefahr, dass der Einzelne in der Masse untergeht. "Blind-Bewerbungen", so Liz Mann, Cyber Security Leader bei EY Americas Life Science and Health, könnten HR-Teams Zusatzarbeit aufbürden. Bewerber sollten daher immer die Möglichkeit haben, Dokumente hochzuladen. Letztlich fordern Bewerbungs-Plattformen sowohl von Bewerbern als auch von Personalern viel Sorgfalt beim Schreiben und Lesen der Unterlagen.
5. Mobile First - aber mit dem persönlichen Touch: Cliff Milles, Lead Technical Recruiter bei Sungard AS, empfiehlt Unternehmen, den Kommunikationsweg zu wählen, den der Kandidat bevorzugt. Seiner Beobachtung nach ist das oft Text Messaging per Smartphone. Dieser Kanal erweist sich als sehr flexibel. Ein potenzieller Kandidat muss nicht erst am Computer sitzen.
Kräfteverschiebung zu Gunsten der Kandidaten
Sumir Karayi, CEO von 1E, bestätigt das. Er spricht von "sehr viel digitaler Kommunikation", bevor sich Kandidaten persönlich vorstellen. Dennoch könnten Kommunikations-Tools die menschliche Seite immer nur ergänzen, aber nie ersetzen.
6. Kräfteverschiebung hin zu den Kandidaten: LinkedIn empfiehlt Entscheidern in der "Global Talent Trends"-Studie, sich auf vier Felder zu konzentrieren: die Menschen, die Orte, die Produkte und die Prozesse. Unternehmen müssten sich zunehmend um Bewerber bemühen. In der Studie geben 77 Prozent der rund 7.000 befragten Personal-Experten an, die Arbeitsplatz-Erfahrungen ihrer Mitarbeiter immer stärker in den Fokus zu holen. Weiterqualifizierungs-Chancen sind ein Teil davon. (cp)