Die These, wonach Entscheider weltweit zu wenig gegen den Mangel an digitalen Talenten unternehmen, analysiert der Berater Capgemini in der Studie "The digital talent gap". Global gesehen sprechen 55 Prozent der Entscheider von einer wachsenden Kluft zwischen Bedarf und Angebot. Deutschland liegt genau im Schnitt hinter den USA (70 Prozent), Indien (64 Prozent) und Großbritannien (57 Prozent). Am geringsten ist das Problem in den Niederlanden (34 Prozent).
Capgemini hat mehr als 750 Angestellte und über 500 Entscheider (Director-Level oder höher) befragt. 25 Gespräche mit Experten ergänzen die Angaben. Die Studienteilnehmer üben sich in Selbstkritik: 50 Prozent (Deutschland: 60 Prozent) erklären, dass sie zwar über die digitale Talentlücke sprechen, aber nicht viel tun, um sie zu überbrücken. 62 Prozent aller Befragten halten es für geboten, stärker in die Entwicklung von digitalen Talenten zu investieren - gleichzeitig beobachten 52 Prozent, dass die Budgets für Trainingsangebote stagnieren oder sinken.
Skills in vier Jahren nicht mehr gefragt
Das scheinen die Mitarbeiter zu merken. 38 Prozent (Deutschland: 27 Prozent) erwarten, dass ihre jetzigen Fähigkeiten in vier bis fünf Jahren nicht mehr gefragt sein werden. Von den Qualifizierungsangeboten ihres Arbeitgebers haben sie nicht unbedingt eine hohe Meinung: 45 Prozent erklären, diese helfen ihnen nicht. Weitere 42 Prozent halten sie für sinnlos und langweilig.
Folge: Knapp jeder Zweite (48 Prozent) qualifiziert sich auf eigene Kosten in der Freizeit weiter. Fast ebenso viele (47 Prozent) verbinden damit offenbar Pläne. Sie erklärten gegenüber Capgemini, in eine andere Firma mit besseren Bildungsangeboten rund um die Digitalisierung wechseln zu wollen.
Wünsche an den Arbeitgeber
Capgemini identifiziert unter den Befragten diejenigen, die aufgrund ihrer Skills als "digitales Talent" gelten können. Die Berater kommen auf einen Prozentsatz von 56 Prozent. Diese Studienteilnehmer wurden nach ihren Wünschen an den Arbeitgeber befragt. Die Top fünf lesen sich so: flexible Work-Life-Balance (79 Prozent), flache Hierarchien und eine zugängliche Firmenleitung (75 Prozent), offene Büroräume, die Kollaboration fördern (ebenfalls 75 Prozent), klar definierte Karrierepfade (74 Prozent) und ein Image als Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter weiterqualifiziert (73 Prozent).
Die Studienautoren erstellen außerdem eine Liste der zurzeit meistbegehrten digitalen Job-Rollen. Es sind in absteigender Reihenfolge Data Scientist, Full Stack Developer, Data Engineer, Data Architect, Information Security Consultant, Enterprise Architect, Digital Project Manager, Solutions Architect und Technology Architect.
Wie Unternehmen digitale Talente entwickeln
Capgemini rät zu sechs Schritten, um digitale Talente zu entwickeln:
Eine "Digital Talent Strategy" entwickeln: Stakeholder sind Geschäftsführer, Personalentscheider, ein Team für Learning & Development (L&D) sowie vorhandene digitale Talente.
Mehrere Recruiting-Ansätze verfolgen: Zurzeit kreisen Entscheider um die Frage, welche Talente sie suchen. Stattdessen sollten sie sich fragen, wo sie Talente finden können. Diese Orte - virtuell und haptisch - müssen sie besuchen. Das können zum Beispiel Hackathons sein, Universitäten und Startups. Capgemini spricht vom "Acqui-Hiring", damit ist das Akquirieren anderer Firmen (wie etwa Startups) gemeint, um deren Mitarbeiter zu bekommen.
Eine Firmenkultur schaffen, die um Lernen und Entwicklung kreist: Die in der Studie zitierten Digitalen Talente legen selbst viel Wert darauf, sich ständig weiterzuentwickeln. Firmen sollten Mitarbeiter beispielsweise dafür belohnen, dass sie neue Zertifikate erwerben. Bisherige Ergebnisse legen nahe, dass schneller lernt, wer oft lernt. Der Zeitaufwand für die Weiterqualifizierung sinkt also.
Karrierepfade und Entwicklungswege definieren: Auch dies ist ein Wunsch, der direkt von talentierten Mitarbeitern kommt. Unternehmen können zum Beispiel mappen, welche digitalen Skills auf welchem Job-Level nötig sind.
Digital versierte Mitarbeiter als Treiber für Change verstehen: Das Wissen und die Erfahrungen digitaler Talente verändern das Unternehmen. Die Geschäftsführung muss diese Kollegen mitreden lassen. Das erfordert eine Kultur, die Experimentierfreude und Scheitern erlaubt. Digitale Talente selbst bezeichnen dies als "Startup-Kultur".
Flexibles und kollaboratives Arbeiten fördern: Offene Bürokonzepte und viel Austausch sind Kriterien für die Arbeitgeberwahl digitaler Talente.
Gesuchte Jobprofile in den kommenden Jahren
Capgemini wirft einen Blick in die nahe Zukunft. Die Consultants erwarten, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren folgende digitale Profile besonders stark gefragt sein werden: Information Security/Privacy Consultant, Chief Digital Officer/Chief Digital Information Officer, Data Architect, Digital Project Manager, Data Engineer, Chief Customer Officer, Personal Web Manager, Chief Internet of Things Officer und Data Scientist sowie Chief Analytics Officer/Chief Data Officer.