Das Arbeiten mit Kennzahlen ist eine komplexe Sache, wie verschiedene Studien und Experten feststellen. So heißt es zum Beispiel in einer Experton-Studie zum IT-Management, dass IT-Messmethoden nur sporadisch zum Einsatz kämen und die unterlegten Zielsetzungen zudem oft zu kurz griffen.
Auch Hartmut Lüerßen, Partner beim Marktforscher Lünendonk, hebt die Möglichkeiten des Einsatzes von Business Intelligence-Tools für die Analyse betriebswirtschaftlicher Kennzahlen wie Umsatzentwicklung, Lagerauslastung oder Umschlaghäufigkeit hervor. Er kritisiert aber, dass die Verbindung dieser Daten mit technischen Prozess-Kennzahlen aus dem IT-Service-Management „meist nicht“ stattfindet.
Kritik an den Kennzahlensystemen haben auch die Unternehmen selber. So zeigten sich einer Umfrage des Beratungshauses Coretelligence zufolge viele Business-Entscheider nur „ selten zufrieden“ damit. Die Begründung: Es komme immer wieder zu Fehlentscheidungen mit weitreichenden Folgen.
Nur jeder Fünfte der 316 befragten Manager gibt den internen etablierten Verfahren für Kennzahlen gute Noten, weitere 31 Prozent urteilen immerhin noch mit befriedigend. Die fehlende Hälfte ist entweder „weniger zufrieden“ (41 Prozent) oder gar „sehr unzufrieden“ (10 Prozent).
Die schlechten Noten hängen für 56 Prozent der Befragten vor allem mit der „zu abstrakten Aussagekraft der Kennzahlen“ zusammen. Ebenfalls eine Mehrheit kritisiert zudem die „isolierten Betrachtungen sowie den mangelnden Einblick in die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kennzahlen.
Als Konsequenz beklagen 58 Prozent, dass sich aus den analysierten Kennzahlen zu wenige Entscheidungshilfen ableiten lassen und für ähnlich viele ein hohes Risiko von Fehlentscheidungen entsteht.
Dennoch hält Coretelligence an der Einschätzung fest, dass Kennzahlensysteme als „zentrales Element der Unternehmenssteuerung und der Kommunikation, weil sie das intuitive Urteil durch nachprüfbare Daten ergänzen und Vergleichbarkeit schaffen.“ Richard Vizethum, Managementberater bei Coretelligence, sieht aber ebenfalls die Schwächen beim Umgang mit den Messmethoden: „Es besteht inzwischen faktisch eine hohe Kennzahlen-Gläubigkeit, obwohl den Entscheidern vielfach nicht ausreichend bekannt ist, wie die Kennzahlen entstanden sind und welche Aussagekraft sie haben“, problematisiert er.
Durch die Fixierung auf Kennzahlen suggeriere man eine sichere Grundlage für Entscheidungen, so Vizethum. „Tatsächlich bergen mangelhafte Kennzahlensysteme hohe Entscheidungsrisiken in sich.“
Mangelhafte Kennzahlen bergen hohe Entscheidungsrisiken
Der Coretelligence-Berater hat daher „Indizien“ zusammengestellt, über die sich typische Schwächen bestehender Kennzahlensysteme erkennen lassen.
1. Die Interpretation der Kennzahlen obliegt subjektiven Einschätzungen
Obwohl auf Basis von Kennzahlen Unternehmensentscheidungen von weitreichender Bedeutung getroffen werden, fehlt für eine sachgerechte Bewertung häufig ein klarer Orientierungsrahmen mit übergreifenden und am Geschäftsmodell ausgerichteten Unternehmenszielen. Als Folge bleibt die Interpretation der Kennzahlen dem sehr spezifischen Verständnis sowie der Sichtweise einzelner Personen oder Gruppen (Teams/Abteilungen) überlassen. Dadurch werden Entscheidungen möglicherweise von sehr subjektiven Sichtweisen statt von gesamtheitlichen Interessen geprägt.
Entwicklungen von Kennzahlen sind selten transparent
2. Es besteht Unklarheit, wie eine Kennzahl entstanden ist
Die Analyse von Sachverhalten im Business – etwa die Ermittlung einer bestimmten Stornoquote für ein Produkt – hilft nur begrenzt bei Entscheidungen. Die Frage, warum es zu diesem Sachverhalt gekommen ist, lässt sich nämlich nicht allein aus einer Kennzahl heraus beantworten. Das Wissen um die Herkunft einer Kennzahl ist jedoch eminent wichtig, weil nur anhand einer Ursachenbetrachtung, die notwendigen Maßnahmen zur Optimierung eingeleitet werden können.
3. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich eine Kennzahl verändert hat
Die kontinuierliche Veränderung von Kundenverhalten oder Wettbewerbsbedingungen drückt sich auch in der positiven oder negativen Entwicklung der Kennzahlen aus. Um jedoch daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen zu können, muss man die Einflussfaktoren für die Veränderungen verstanden haben. Ist diese Transparenz nicht oder nur unzureichend gegeben, stellt dies ein ganz wesentliches Indiz für Schwächen im Kennzahlenkonzept dar und verweist ebenfalls auf den Mangel an substanziellem Wissen über die Herkunft der Kennzahlen.
4. Kennzahlen werden isoliert betrachtet
Business-Verhältnisse sind in der Regel sehr komplex. Dadurch ist die Aussagekraft einer einzelnen Kennzahl meist sehr begrenzt, weil sie in einem größeren Kontext betrachtet werden und eine Bewertung der Gesamtsituation erfolgen müsste. Fehlt diese Kenntnis, dann besteht die Gefahr, durch einen zu isolierten Blick bei den Rückschlüssen auf eine falsche Fährte geschickt zu werden.
5. Die Zusammenhänge von Kennzahlen sind nicht transparent
Die Bewertung von Kennzahlen selbst in einem größeren Kontext hat ihre Grenzen, wenn die mitunter sehr komplexen Wirkungsbedingungen verschiedener Kennzahlen unbekannt sind. Solche Wirkungsverhältnisse zu verstehen, muss jedoch Ziel sein, damit ein gesichertes Verständnis der zu bewertenden Gesamtsituation von Wertschöpfungsprozessen möglich wird.
Abweichende Kennzahlen für den gleichen Sachverhalt
6. Die analysierten Kennzahlen bieten keine praktischen Handlungsempfehlungen an
Die Beschränkung auf bloße Zahlen in den Reports lassen den Entscheider allein, weil sie im günstigen Fall zwar einen hinlänglich verständlichen Status beschreiben, jedoch im Regelfall frei von Hilfestellungen für die daraus resultierenden Entscheidungserfordernisse sind. Handlungsempfehlungen und Interpretationshilfen könnten hingegen positiv bewirken, dass sich die Entscheidungen durchgängig an übergreifenden Geschäftszielen orientierten.
7. Kennzahlen sind widersprüchlich
In der Praxis sind oft inhaltlich identische Kennzahlen in verschiedenen Datenbankanwendungen mit unterschiedlichen dimensionalen Ausprägungen und unterschiedlichen Granularitäten vorhanden. Die Folge sind abweichende Kennzahlen für den gleichen Sachverhalt. Solche Inkonsistenzen bewirken hohe Koordinationsaufwendungen, aber auch Unsicherheit, Missverständnisse und Misstrauen, so dass sie ein erhebliches Risikopotenzial in den Entscheidungsprozessen erzeugen.
Einen Ausweg aus dem Kennzahlen-Dilemma hat der Coretelligence-Berater auch: Das in seinem Hause entwickelte Kennzahlen-Profiling. Dahinter verbirgt sich ein neuer methodischer und „Tool-freier“ Ansatz, um den Kennzahlen in ihren diversen Anwendungsbereichen eine deutlich höhere Aussagekraft zu verleihen. Beim Profiling werden die Hintergründe und Wirkungsverhältnisse der bloßen Zahlen aus den Analysesystemen transparent und verständlich gemacht, um zu einer gesicherteren Entscheidungsbasis gelangen zu können.
Diskussionen um IT-Kennzahlen gibt es auch im CIO-Netzwerk. Hier hat der Consultant Paul G. Huppertz eine interessante Übersicht über die Relevanz unterschiedlicher Service-Kennzahlen sowie Links zur weiteren Verfolgung des Themas zusammengestellt.