Für die meisten Unternehmen ist der Einsatz von sozialen Medien bereits selbstverständlich. Die Notwendigkeit eines professionellen Auftritts beispielsweise bei Facebook, Twitter oder Xing ist aus Kommunikations-, Marketing- und Recruiting-Zwecken unumstritten. Auch intern werden internetbasierte und interaktive Web 2.0-Plattformen eingesetzt, um beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen oder Lieferanten zu verbessern, Innovationen zu fördern und effiziente Kommunikationsformate anzubieten.
In der öffentlichen Verwaltung sind ebenfalls erste Initiativen und Projekte, vor allem auf kommunaler Ebene, gestartet worden. Gleichzeitig gibt es eine Fülle von abgekapselt wirkenden Argumenten, warum soziale Netzwerke, beispielsweise aus rechtlicher Sicht, zum Auftrag der öffentlichen Verwaltung im Widerspruch stehen - oder gerade nicht.
Diese teils vehement geführten Argumentationen machen aber auch deutlich, dass eine vorgelagerte Vision dessen, was soziale Medien in der öffentlichen Verwaltung an Veränderungen bewirken könnten, bislang fehlt. Dies ist insofern erstaunlich, da Prozesse und Vorgänge zum Beispiel in der Ministerialverwaltung durch ein hohes Maß an Interaktion und Kollaboration gekennzeichnet sind und damit für den Einsatz sozialer Medien prädestiniert wären.
Auf Grundlage von Gesprächen mit Führungskräften in der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung wurden sieben Thesen gebildet. Diese bilden das Grundgerüst einer Diskussion, um die Lücke zwischen ersten Praxisbeispielen und einem übergreifenden Konzept für soziale Medien und Netzwerke in der öffentlichen Verwaltung zu schließen.
These 1 bis 5
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1. Die wesentliche Bedeutung von sozialen Medien für die öffentliche Verwaltung liegt nicht in der Kommunikation nach außen. Es geht vielmehr um die Veränderung der Kernprozesse der Verwaltung, die Nutzung für die internen Arbeitsprozesse und die Interaktion mit den Kunden, die insbesondere Unternehmen darstellen.
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2. Der Wert sozialer Medien und Netzwerke bemisst sich entlang klarer Anwendungsszenarien. Wenn diese nicht klar definiert und Mehrwerte quantifiziert werden können, lohnt sich der Aufwand einer Einführung nicht. Denkbar sind in diesem Bereich viele Szenarien: Die Beteiligung mehrerer Stellen der kommunalen Verwaltung könnte beispielsweise bei Bauanträgen über eine Plattform von einer sequenziellen zu einer parallelen Bearbeitung verbessert werden.
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3. Die Anwendungen sozialer Medien passen nicht auf das "normale" Verwaltungshandeln. Gleichberechtigte Teilnahme in Echtzeit ist etwas ganz anderes als hierarchisches Verwaltungshandeln mit sogenannten Mitzeichnungsleisten. Daher gilt es Verantwortung neu zu definieren und eine erfolgreiche Einführung durch ein aktives Veränderungsmanagement abzusichern.
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4. Sicherheit ist eine große, aber lösbare Herausforderung. Die Kommunikation nach außen kann und sollte auf gesonderten Plattformen erfolgen, während intern alle Sicherheitsfragen systematisch erfasst und beantwortet werden müssen.
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5. Die technische Umsetzung erfordert in aller Regel neue Lösungen, aber keine IT-Revolution. Die Infrastruktur kann in den meisten Fällen weiter genutzt werden und mit den erforderlichen neuen Applikationen, die verfügbar und vergleichsweise leicht einzuführen sind, erweitert werden.
These 6 bis 7
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6. Die Analyse und Einführung sozialer Medien erfordert eine klare Verantwortlichkeit. Die IT-Abteilung und der CIO sind gefordert zusammen mit den Organisationsbereichen in den Lead zu gehen. Anforderungen müssen wie bei jeder IT-Implementierung erfasst und auf ihre Realisierbarkeit hin bewertet werden. Vor allem geht es darum, klar zu definieren welche Ziele erreicht werden sollen.
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7. Ein verbindlicher Umsetzungsplan mit Meilensteinen und einem effektiven Controlling zur Überprüfung der Erreichbarkeit der avisierten Verbesserungen ist wichtig, um Aufwand und Nutzen gegeneinander abwägen zu können. Zudem hat es sich bewährt, mit einem Piloten zu beginnen, um Erfahrungen zu sammeln und die Akzeptanz der neuen Medien sukzessive zu erhöhen.
Soziale Medien und Netzwerke bieten erhebliche Chancen für die öffentliche Verwaltung, da Informationen auf diese Weise bedarfsgerecht und interaktiv aufbereitet werden können, wodurch Transparenz und Partizipation steigen. Auch bietet sie die Grundlage für eine effizientere Zusammenarbeit.
Damit soziale Medien für die öffentliche Verwaltung zum Erfolg werden ist eine abgestimmte Zukunftsvision notwendig, aus der konkrete Ziele und Maßnahmen abgeleitet werden können. Die oben dargestellten Thesen unterstützen dabei, diesen Weg zu gestalten.
Sebastian Paas ist Partner bei KPMG im Bereich Consulting, Information Technology.