Viele Unternehmen setzen in ihrer digitalen Transformation auf agile Software-Entwicklung und DevOps-Struturen. Zu oft aber stellen sie dafür zu kleine Teams ab und setzen ihrem Erfolg damit von vornherein Grenzen. In der Praxis haben sich sieben Vorgehensweisen bewährt.
1. Am Kulturwandel arbeiten: Die Veränderung der Firmenkultur muss darauf abzielen, Verantwortung und Ownership für die Software-Entwicklung auf mehrere Schultern zu verteilen. Das rät jedenfalls Herve Coureil, Chief Digital Officer (CDO) bei Schneider Electric. Sein Unternehmen verfolgt eine Vision, die das gesamte Betriebsmodell betrifft. Agile Methoden sollen die Kommunikation zwischen Portfolio-Management, Finance, Produkt-Management, Produkt-Entwicklung, Architektur, Services und Endkunden erleichtern. Dafür hat Schneider Electric 2019 ein "Agile Transformation Office" eingerichtet. Außerdem bietet das Unternehmen Scrum-Workshops und Trainings an.
2. Fortschritte messen: Unternehmen sollten den Nutzen ihrer Agile- und DevOps-Initiativen messen, so Coureil weiter. Dafür müssen sie zunächst einmal Metriken entwickeln. Sein Tipp: mit den bestehenden Team-Rollen und Arbeitsweisen anfangen. Wer sie versteht, entdeckt Potenzial für Verbesserungen. Dabei kann den Teams ein Self-Assessment-Template helfen.
Entscheider müssen neue Metriken entwickeln
Jonathan Parnell, Senior Digital Transformation Architect beim Service Provider Insight Enterprises, misst technologische Fortschritte, Produktpipeline-Trends, Ressourcenverbrauch, Produktqualität, Performance und Unternehmensergebnisse. Gegebenenfalls kontrolliert Insight Enterprises auch die Prozessdauer und die Frist, innerhalb derer Probleme gelöst werden, sowie die Kosten, die für Fehlerbehebungen anfallen.
3. Sich auf wenige Tools beschränken: "Sind zu viele Tools im Einsatz, gewöhnt sich jedes Team eigene Vorgehensweisen an. Das schränkt die Kultur des Teilens ein", gibt Coureil zu bedenken. Bei Schneider Electric achten die DevOps-Architekten auf den Tool-Stack. Sie sorgen dafür, dass es für jeden neuen Use Case die richtigen Werkzeuge gibt. Coureil spricht von einem "permanenten Technology Watch".
4. Für Sicherheit und Governance sorgen: Insight-Enterprises-Manager Parnell bezeichnet Sicherheit im Rückblick nicht nur als möglichen "Flaschenhals", sondern als "Hemmnis für Geschwindigkeit und Skalierbarkeit". Sein Unternehmen habe Security anfangs nicht ausreichend einbezogen. Das habe der Service-Provider nachgeholt: Die Software-Entwicklung folgt jetzt Policies, die beispielsweise Threat-Modeling einbeziehen, außerdem einem "Security-by-design"-Ansatz und Sicherheitsempfehlungen.
Steve Bagby, CTO bei Mastercard, betont außerdem die Wichtigkeit von Governance: "Fallen sie nicht auf den Irrtum herein, agil im Sinne von 'Jeder macht, was er will' zu verstehen", sagt er.
Schneider Electric setzt auf Präsenz-Schulungen
5. Die Mitarbeiter richtig trainieren: "Schulen sie die Mitarbeiter früh und oft", empfiehlt Coureil. Schneider Electric versammelt die Kollegen zu einem Präsenzunterricht. Dann werden Szenarien durchgespielt. Das Unternehmen ergänzt diese Maßnahmen um kleinere Coachings, in denen bestimmte Lerninhalte vertieft werden. Zusätzlich stehen den Mitarbeitern alle Lerninhalte in einem Portal zur Verfügung. Dort kann jeder den Stoff kommentieren und ergänzen.
Insight Enterprises hat cross-funktionale Teams aus zwölf bis 15 Mitarbeitern gebildet, darunter Entwickler, Datenbank-Administratoren, Vertreter aus dem IT-Betrieb, dem Netzwerk, Sicherheit und den Fachabteilungen. Dabei wurden Mentalitätsunterschiede sichtbar. "Insbesondere die Entwickler wollten Tempo und Beweglichkeit, während die Security-Vertreter auf Stabilität und Sicherheit abzielten", sagt Parnell. Diesen Balanceakt musste das Unternehmen meistern.
6. Best Practices teilen: Die Versicherung Liberty Mutual hat ein Agile Enablement Office gegründet, das die Entwickler unterstützen soll. Außerdem bringen externe Spezialisten, darunter Scrum Master, die Transformation voran. Mark Cressey, Senior Vice President und General Manager Hosting Services, bezeichnet es als "Schlüssel zum Erfolg" wenn externe Fachleute hinzugezogen werden. Dabei verläuft der Austausch von Wissen und Kenntnis nie linear. Es gibt immer wieder Unterbrechnungen, um das Feedback der Mitarbeiter einzuholen. Diese äußern sich kritisch, wenn etwas nicht funktioniert.
"Jeder sagt, er wolle agil sein"
7. Unterstützung von der Firmenleitung einholen: "Jeder sagt, er wolle agil sein oder sei es bereits", beobachtet Mark Mathewson, CTO Small Business und International beim Finanzdienstleister Capital One. Wolle ein Unternehmen das aber wirklich umsetzen, brauche es die Unterstützung durch das Top-Management. Das gelte auch für die Budgetierung und Kapazitätplanung. Seine Firma habe drei Jahre gebraucht, um in die Cloud zu migrieren, DevOps skalierbar zu machen und Open Source einzuführen. Jetzt beginne Capital One, von der entstandenen Flexibilität zu profitieren. Das nächste Ziel laute Continuous Delivery. (cp)