Dass Cloud Computing den Unternehmen zu flexibleren IT-Infrastrukturen - vor allem aber zu Kostenreduzierungen - verhilft, ist lange bekannt. Nahezu alle Studien zu diesem Thema nennen diese beiden Gründe - Flexibilisierung und Kostenreduktion - als ausschlaggebend für die Einführung von Cloud-Technologien. Dass der vermehrte Einsatz von Cloud Computing sich auch makro-ökonomisch auswirkt, liegt auf der Hand. Das Ausmaß dieser Auswirkungen ist allerdings schwer zu beziffern.
Diesen Versuch hat jetzt das Londoner Centre for Economics and Business Research (Cebr) unternommen. Im Auftrag des Speicherherstellers EMC haben die Marktforscher in einer groß angelegten Studie die Auswirkungen auf die fünf größten Wirtschaftsnationen Europas (Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien) errechnet. Der "2011 Cloud Dividend Report" untersucht erstmals systematisch die makroökonomischen Implikationen von Cloud Computing in Europa.
Danach ergeben sich beeindruckende Zahlen, wenn sich die Marktdurchdringung von Cloud-Technologien wie erwartet fortsetzt. So wachsen die Volkswirtschaften in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien durch Cloud-Technologien bis 2015 um zusammen 177,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die englischen Forscher sprechen von der „Cloud Dividend“. Allein Deutschland wird demnach im Zeitraum von 2010 bis 1015 mit 221 Milliarden Euro oder jährlich gut 55 Milliarden von der Cloud-Technologie profitieren. In allen untersuchten Ländern zusammen ergibt sich im untersuchten Fünfjahreszeitraum ein volkswirtschaftlicher Gewinn von 763 Milliarden Euro. Zudem wird laut Cebr Cloud Computing zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen – insgesamt fast 2,4 Millionen in allen fünf betrachteten Ländern bis 2015.
Deutschland profitiert mit 55 Milliarden jährlich
Die Studie geht von den Einsparungen bei Unternehmen aus, die bereits Cloud Computing einsetzen, und setzt die ermittelten Effekte in Beziehung zu betriebswirtschaftlichen und makroökonomischen Variablen. Neben Geschäftszuwachs, neuen Geschäftsmodellen und direkten Kostensenkungen durch geringere Kapital- und Betriebskosten sowie Einsparungen bei Energie und Kühlung, sind unter anderem auch steuerliche Aspekte in die Modellrechnung eingeflossen. Dadurch konnte der Euro-Wert von Cloud-Technologien auch landesindividuell bewertet werden.
Unternehmen erreichen durch Cloud Computing signifikante Kostenvorteile: Das rein nutzungsorientierte Abrechnungsmodell senkt sowohl den Investitionsbedarf als auch laufende Betriebskosten. Hinzu kommen Einsparungen aufgrund verbesserter Ressourcenauslastung sowie bei Energie und Kühlung. „Alles in allem werden dadurch beträchtliche finanzielle Mittel frei, die zum Beispiel für Innovationen eingesetzt werden können – auch dies habe einen messbaren Einfluss auf die jeweilige Volkswirtschaft“, schreiben die Studienautoren.
Der „Cloud Dividend Report“ hebt in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Cloud-Technologien für die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas hervor – insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden globalen Konkurrenz. Allein in Deutschland beträgt der jährliche Effekt aus „Geschäftsentwicklungsmöglichkeiten und Neugeschäftgenerierung“, durch Cloud Computing knapp 21 Milliarden Euro (von 49,6 Mrd. Euro jährlicher Effekt insgesamt).
Dabei fokussiert die Studie auf die derzeit dominierenden Cloud-Varianten: Public, Private und Hybrid Clouds. Die Forscher veranschlagen die ökonomischen Gesamteffekte privater Clouds in den fünf Ländern auf über 60 Milliarden Euro pro Jahr. Darin enthalten sind auch indirekte Effekte, die aus steigendem Bedarf nach Waren und Dienstleistungen sowie den damit zusammenhängenden Investitionen resultieren.
Kritischer Wachstumsfaktor für Europa
„Höhere Agilität und Wettbewerbsfähigkeit durch private und hybride Clouds bieten echte Chancen – für das Wachstum von Unternehmen ebenso wie für den landesweiten Aufschwung“, kommentiert Rainer Erlat, EMEA-President bei EMC. Es sei eine akzeptierte Tatsache, dass wirtschaftliche Erholung durch eine Kombination von Schuldenabbau und gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erreicht und gehalten werde. „Cloud Computing trägt dazu bei, denn durch das Modell werden bestehende Technologien durch effizientere, flexiblere und weniger komplexe Lösungen ersetzt.“
„Unsere Studie zeigt, dass Cloud Computing nicht nur für Effizienz und Produktivität einzelner Unternehmen relevant ist, sondern vor allem auch unter makroökonomischer Perspektive“, sagt Oliver Hogan, Chef-Ökonom beim Centre for Economics and Business Research. Cloud Computing werde gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Lage zu einem kritischen Wachstumsfaktor für Europa. Denn Cloud-Technologien würden auch als Ertragstreiber und Exportmotor in Zukunft eine wichtige Rolle für die internationale Handelsbilanz europäischer Staaten spielen. „Weil man beim Cloud Computing mehr Leistung für sein Geld bekommt, fördert dieses IT-Modell nicht zuletzt Investitionen, die Europas Volkswirtschaften ebenfalls weiter nach vorne bringen können,“ resümiert Hogan.
Der „2011 Cloud Dividend Report“ ist der erste von zwei Berichten zum Thema Cloud Computing. Der zweite Teil, der im Februar 2011 veröffentlicht werden soll, untersucht den Einfluss von Cloud Computing auf bestimmte Wirtschaftszweige in den fünf betrachteten Ländern.