Das eine große Thema aus den zahlreichen Bewerbungen zum CIO des Jahres zu destillieren, ist ein schwieriges Unterfangen. IT-Chefs treiben die digitale Transformation in ihren Unternehmen auf unterschiedlichen Wegen voran.
Das sind meine persönlichen (und sehr subjektiven) Take-Aways:
Change- und Transformationsprogramme werden breiter angelegt
Auch diesmal drehten sich etliche Bewerbungen um umfassende Transformations-Initiativen. Mehr noch als bisher beziehen sie nicht nur technische, sondern auch organisatorische, kulturelle und Führungsaspekte ein. Die Projekte sind ebenso ambitioniert wie anspruchsvoll und zeigen im Idealfall, wie die IT zum Treiber des Business-Erfolgs werden kann.
Doch es scheint da noch ein Problem zu geben:
"Alignment" bleibt ein Dauerbrenner
Das Thema "Business-IT-Alignment" klingt heute schon fast altmodisch. Es kommt gerne mal im neuen Begriffsgewand daher und wird dann von schlauen Beratern als etwas gänzlich Neues verkauft. In den meisten Bewerbungen zieht es sich durch wie ein roter Faden, vielleicht auch als die Mutter aller oder vieler Probleme.
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Ja, es tut sich viel in den Unternehmen: Neue Operating-Modelle in und außerhalb der IT entstehen, agile Methoden werden über Abteilungsgrenzen hinweg genutzt. In der "Product-oriented IT" gibt es eine End-to-end-Verantwortung für Systeme, Techniker und Business-Kollegen sitzen an einem Tisch. CIOs berichten in ihren Bewerbungen von innovativen Organisationsmodellen, die die Silos zwischen IT und Business aufgebrochen hätten. Und doch hat man das Gefühl: Es hört nie auf, Alignment bleibt eine Daueraufgabe.
Vor rund 25 Jahren startete die COMPUTERWOCHE-Redaktion in München das Event-Format "IT meets Business", ein Vorläufer der späteren CIO-des-Jahres-Konferenzen. Das Motto hat seitdem nichts an Aktualität eingebüßt.
Gen AI Uses Cases - der Weg zum RoI ist noch lang
Künstliche Intelligenz ist seit Jahren Kernbestandteil vieler Transformationsprogramme, häufig kombiniert mit komplexen Data- und Analytics-Projekten. Das wird auch in den Bewerbungen zum CIO des Jahres 2024 deutlich.
Anders sieht es beim Thema generative künstliche Intelligenz aus. Zwar wird nun häufiger beispielsweise über unternehmenseigene AI-Chatbots oder -Voicebots berichtet. Die Praxisbeispiele für Generative AI sind aber deutlich weniger präsent und fortgeschritten als es professionelle Auguren seit 2022 predigen. Eine "Explosion" an Uses Cases für Gen AI ist bislang nicht erkennbar. In vielen Fällen handelt es sich um Pilotprojekte oder Proofs of Concepts. Die oft geforderte "Skalierung" der Gen-AI-Pflänzchen im Unternehmen scheint noch in weiter Ferne.
Gartners berüchtigte Hype-Cycle-Kurve zeigt für Gen AI jedenfalls schon wieder nach unten, und man stellt sich die Frage: Wann kommt das lang ersehnte Plateau der Produktivität, der breite Einsatz generativer KI mit nachweisbarem Return on Investment (RoI)?
Und: Kommt es tatsächlich in "KI-Geschwindigkeit" oder doch eher im Deutschland-Tempo?
Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass viele in den Bewerbungen präsentierte (Gen-)AI-Projekte noch aus dem Jahr 2023 stammen. Meine Prognose für 2025: Da kommt noch viel mehr.
Die Cloud etabliert sich als Grundlage großer Transformationsprogramme
Nicht nur der CIO des Jahres 2024, Sebastian Weber von Eon, stellt in seiner Bewerbung eine umfassende Cloud-Transformation in den Mittelpunkt. Auch Deutsche-Bank-Vorstand Bernd Leukert, Gewinner des Cloud Excellence Awards, berichtet eindrucksvoll, wie Cloud Computing zur Grundlage einer tiefgreifenden Transformation und Modernisierung geworden ist.
Ähnliches gilt, allen Widrigkeiten zum Trotz, zunehmend auch für den Public Sector. Das zeigen etwa die Beispiele der Bundesanstalt für Arbeit oder des Landes Niedersachsens.
Man darf davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt, nicht zuletzt wegen des rasant steigenden Compute-Bedarfs durch künstliche Intelligenz. Dennoch wird die Kritik an allzu ehrgeizigen Cloud-Strategien lauter (siehe unten: "Kosten….").
Diversity wird als Erfolgsfaktor (ein bisschen) sichtbarer
Das Thema Diversity spielt in den Bewerbungen zwar eine größere Rolle als in den Jahren zuvor. In den meisten Fällen finden sich dazu jedoch eher allgemein gehaltene Bekenntnisse. Herausragende Bewerbungen wie die von Petra Clemens, die das Thema mit konkreten Zielen, Maßnahmen und Ergebnissen unterlegen, sind leider die Ausnahme. Dass Petra damit den Diversity Award gewann, schafft ein bisschen mehr Sichtbarkeit und sorgt hoffentlich dafür, dass sich mehr BewerberInnen trauen, in den Ring zu steigen.
Security hat Priorität
Ungleich mehr Konkretes berichten die CIOs zum Thema IT-Sicherheit. Sie setzen etwa Zero-Trust-Strategien um, richten Security Operations Center (SoCs) ein und versuchen, alle Mitarbeitenden für das Thema zu sensibilisieren.
Doch wird das reichen? Die stetig wachsende Zahl und Intensität schwerwiegender Security-Incidents sorgen nicht nur bei IT-Chefs für ein mulmiges Gefühl. Klar scheint nur: Die Bedrohungen werden weiter zunehmen, auch durch den Einsatz von (generativer) KI. Deshalb fällt die Prognose für 2025 leicht: Es wird auch hier noch viel mehr passieren (müssen).
IT und Sustainability: da geht noch mehr
Ähnlich dünn wie beim Thema Diversity sieht es in Sachen Sustainability aus. Zwar mangelt es auch hier nicht an allgemeinen Bekenntnissen und diversen Einzelmaßnahmen. Ganzheitliche Ansätze, wie sie Award-Gewinner Wolfram Nötzel von der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister oder auch Isabelle Droll von der TUI verfolgen, sind aber die Ausnahme. In vielen Unternehmen scheint Nachhaltigkeit in der IT und durch IT dagegen keine herausragende Rolle zu spielen.
Kommt da noch was?
Kosten, Kosten, Kosten …
Natürlich ist das Thema ein Dauerbrenner und irgendwie ein No-Brainer, egal wie gut oder schlecht die Zeiten gerade sind. In den diesjährigen Bewerbungen war das nicht anders. Zu den neueren Entwicklungen gehört zum Beispiel, dass (generative) KI zunehmend auch als Hebel für mehr Produktivität und Kosteneffizienz gesehen und genutzt wird.
Doch wie so oft gibt es zwei Seiten der Medaille: Die Cloud, gerne auch in Verbindung mit aufwändigen KI-Initiativen, kommt als potenzieller und häufig schwer kalkulierbarer Kostentreiber nun häufiger auf den Prüfstand. Nicht wenige Analysten prophezeien schon die große "Cloud Repatriation", also eine Rückführung von Workloads aus der Public Cloud, vorwiegend aus Kostengründen.
In den Bewerbungen zum CIO des Jahres 2024 sind solche Moves die große Ausnahme. Wenn Ressourcen aus der Cloud zurückgeholt werden, erfährt man davon eher im persönlichen Gespräch. Oder von IT-Anbietern, die mit On-Premise-Equipment ihr Geld verdienen.
Fazit
Die To-Do-Liste wird für CIOs 2025 eher länger. Ob die viel beklagten Rahmenbedingungen sich bald verbessern, ist aus heutiger Sicht mindestens ungewiss.
Klar ist aber: Nach dem CIO des Jahres ist vor dem CIO des Jahres. Die Vorbereitungen für 2025 laufen, die Bewerbungsphase startet im ersten Quartal. Wer sich jetzt schon Gedanken macht, ist klar im Vorteil! (jd)