Wo können CEOs und ihre Top-Teams ansetzen, um sich heute im Dschungel der technologischen Durchbrüche, die sich auf das Geschäft auswirken, zu orientieren? Wie schätzen sie die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz für die Zukunft ihrer Unternehmen ein, etwa im Vergleich zum Internet der Dinge oder der virtuellen Realität?
Unternehmensführer besorgt wegen Geschwindigkeit
Angesichts der zunehmenden Dynamik des technologischen Fortschritts in den letzten Jahren ist es Wirtschaftsführern nachzusehen, wenn sie sich überfahren fühlen oder gar etwas entmutigt sind. Als PwC im Rahmen der jährlichen globalen CEO-Umfrage mit Unternehmensführern sprach, sagten 61 Prozent, dass sie die Geschwindigkeit des technologischen Wandels in ihren Industrien besorgt verfolgen.
Gewiss besitzen mehr und mehr Top-Manager eine hohe technische Kompetenz und sind sogar zunehmend effektive Treiber der Technologie-Vision ihrer Unternehmen - und eine beständig anwachsende Anzahl von ihnen ist sich darüber klar, dass der digitale Umbruch Freund und Feind zugleich sein kann. Man kann aber durchaus feststellen, dass die meisten von ihnen sich schwertun, die Zeit und Energie aufzubringen, um mit den Technologien Schritt zu halten, die den Wandel in allen Branchen und in jedem Teil der Welt vorantreiben.
Kein einzelner Auslöser, sondern viele
Die Veränderungen in den Rankings der führenden Unternehmen im Laufe der Jahre zeigen, dass unzählige Unternehmen, die die 'nächste Neuheit' im Glauben, dass es sich nur um einen kurzfristigen technologischenTrend ohne große Bedeutung für ihre Branchen in den kommenden Jahrzehnten handelt, aussitzen und damit verpassen. Umbrüche kommen jedoch vor.
Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Umbrüche ist - ein Fluss von Innovationen, die sich für Innovatoren als äußerst günstig erwiesen haben. In diesem Sinne sind bahnbrechende technologische Entwicklungen der allererste Megatrend überhaupt. Einzigartig ist im 21. Jahrhundert jedoch die Allgegenwart der Technik sowie ihre Erreichbarkeit, Reichweite, Tiefe und Wirkung.
Die Gründe für schnelle technologische Veränderungen
Führungskräfte in aller Welt erkennen diese Veränderungen und sind sich deren Bedeutung bewusst. Technologische Fortschritte treten schnell und gleichzeitig in sehr unterschiedlichen Bereichen auf, wie beispielsweise im Gesundheitswesen und in der industriellen Fertigung. Das liegt an einer Reihe von Faktoren, die Industrie-übergreifende Wirkungen entfalten:
Günstigerer Zugang zu Technologie: sowohl Endgeräte zum Lesen und Verwerten der Daten, erforderliche Speichertechnologien wie auch Datenleitungen werden zunehmend leistungsfähiger, zugleich erschwinglicher und führen zu mehr Informationen und einer deutlich höheren Kommunikationsfrequenz
Einfachere Handhabung von Technologie: während noch vor kurzer Zeit die Nutzung von Technologien einigen Wenigen vorbehalten war, die die entsprechende Ausbildung genossen hatten und wussten, welche Programmier-Befehle oder Datenbank-Abfragen für welche Zwecke am besten geeignet sind, werden Technologien heute "jedermann" zugänglich gemacht. Gängige Benutzeroberflächen sind aus dem Alltag bekannt (Consumerization), auch komplexer Sachverhalte werden zunehmend einfacher gestaltet. Gamification drückt den Anspruch aus, den Umgang mit Technologien spielerisch einfach zu bewerkstelligen.
Globalisierung der Technologie: weltweite Standards auf Software- und Hardware-Ebene aber auch bei z.B. Kommunikationsprotokollen führen zu einer weltweit möglichen Nutzbarkeit von Lösungen.
Wettbewerbsvorteil von Technologie: spätestens mit der durch die Digitalisierung gewonnenen Dynamik ist dieser Punkt unstrittig. Eine rapide steigende Informationsflut durch Internet 2.0, aber auch durch Sensorik in der Produktion und Logistik (Industrie 4.0) werden nutzbar durch innovative Speichertechnologien wie In-Memory Computing oder moderne Analyse-Techniken. Der gleichzeitig fast überall mögliche Zugriff auf die Daten durch breitbandige Leitungsnetze und leistungsfähige Endgeräte bietet neue und sich zunehmend verändernde Möglichkeiten zur Kostensenkung und gleichzeitigen Differenzierung im Wettbewerb.
Multiplikator-Effekt von Technologie: Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der originäre Nutzen von Technologie weiteren Nutzen in anderen Bereichen induziert. So führt die Anbindung von Kunden an die eigenen Prozesse im Unternehmen über ein Kundenportal nicht nur zu einer effizienteren Kommunikation und reibungsloser verlaufenden, ineinander greifenden Prozessen, sondern typischerweise auch zu einer höheren (Kauf-) Treue angebundener Kunden.
Die grundlegenden 8 Technologien, die heute von Bedeutung sind
In ihrer Gesamtheit fördern diese Faktoren die Fragestellung an die Oberfläche, welche Technologien nun besonders wichtig sind und damit in der Strategie berücksichtigt werden sollten. Um bei der Suche nach Antworten behilflich zu sein, haben wir mehr als 150 Technologien unter die Lupe genommen und eine Methodik entwickelt, um die wichtigsten Technologien darunter zu ermitteln.
Dabei wurde ein ausreichend großer Filter gesetzt, um eine Skalierung von einer Geschäftseinheit zum gesamten Unternehmen, zu einer Branche oder sogar zur globalen Unternehmenslandschaft als Ganzes zu ermöglichen. Die Multifaktor-Filterung berücksichtigt die Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser technologischen Durchbrüche über die nächsten fünf bis sieben Jahren hinweg.
Die spezifischen Technologien, die für ein Unternehmen die größte Wirkung erzielen können, sind natürlich unterschiedlich. Dennoch traten bei der Analyse der Technologien mit der spürbarsten branchenübergreifenden und globalen Auswirkungen in den kommenden Jahren acht Technologien in den Vordergrund. Sie befinden sich in verschiedenen Stadien der Reife. Einige gibt es schon seit vielen Jahren, kommen aber erst jetzt groß heraus, andere erlangen äußerst rasch die Marktreife. Diese acht wichtigsten Technologien sind:
Künstliche Intelligenz (KI): Softwarealgorithmen, die in der Lage sind, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung, Entscheidungsfindung und Sprachübersetzung. KI ist ein Dachbegriff der eine Vielzahl von Teilgebieten einschließt, wie etwa maschinelles Lernen, das auf die Entwicklung von Programmen ausgerichtet ist, die sich selber zum Lernen, Verstehen, Argumentieren, Planen und Handeln anleiten (d.h. immer 'intelligenter' werden), wenn ihnen neue Daten in der richtigen Menge vorgelegt werden.
Augmented Reality (AR): Das Hinzufügen von Informationen oder Bildern zu einer physischen Umgebung mittels einer Grafik- und/oder Audioüberblendung, um die Benutzererfahrung für eine Aufgabe oder ein Produkt zu verbessern. Diese 'Erweiterung' der realen Welt wird durch ergänzende Geräte erreicht, die diese Informationen wiedergeben und anzeigen. AR unterscheidet sich von der virtuellen Realität (VR), die konzipiert und verwendet wird, um die Realität innerhalb eines eingeschränkten Erlebnisrahmens abzubilden.
Virtuelle Realität (VR): Die computergenerierte Simulation eines dreidimensionalen Bildes oder einer vollständigen Umgebung innerhalb eines definierten und beschränkten Raums (im Gegensatz zu AR), mit dem der Betrachter in realistischer Weise interagieren kann. VR ist als immense Erfahrung ausgelegt und erfordert in der Regel Ausrüstung, am häufigsten Helm/Headset.
Blockchain: Eine verteilte elektronische Dokumentenverwaltung, die Softwarealgorithmen verwendet, um Transaktionen mit hoher Zuverlässigkeit und Anonymität zu erfassen und zu bestätigen. Das Ereignisprotokoll wird von vielen Parteien geteilt, und Informationen können, wenn sie einmal eingegeben wurden, nicht mehr geändert werden, da die nachgelagerte Kette Upstream-Transaktionen durchsetzt.
Drohnen: Luft- oder wasserbasierte Vorrichtungen und Fahrzeuge, z.B. unbemannte Luftfahrzeuge (UAV), die ohne einen an Bord befindlichen menschlichen Piloten fliegen oder sich bewegen. Drohnen können autonom (über Bordcomputer) auf einem vorgegebenen Flugplan betrieben oder ferngesteuert werden. (Hinweis: Diese Kategorie unterscheidet sich von autonomen landgestützten Fahrzeugen.)
Internet der Dinge: Das auch als Internet of Things (IoT) bezeichnete Netzwerk von Objekten (Geräte, Fahrzeuge usw.) mit integrierten Sensoren, Software, Netzwerkkonnektivität und Rechenleistung die Daten mittels Internet sammeln und austauschen können. IdD-fähige Geräte können aus der Entfernung verbunden und überwacht sowie gesteuert werden. Der Begriff IdD schließt mittlerweile alle Geräte ein, die 'verbunden' sind und auf die über eine Netzwerkverbindung zugegriffen werden kann. Das industrielle IdD (IIdD) ist ein Teilbereich des IdD und bezieht seinen Namen aus seinem Einsatz in der Fertigung und Industrie.
Roboter: Elektromechanische Maschinen oder virtuelle Agenten, die menschliche Tätigkeiten selbstständig oder nach festgelegten Anweisungen (in der Regel ein Computerprogramm) automatisieren, ergänzen oder unterstützen. (Hinweis: Drohnen sind auch Roboter, aber wir weisen sie als eigenständige Technologie aus.)
3D-Druck: Additive Fertigungstechniken, die verwendet werden, um dreidimensionale Objekte auf der Grundlage digitaler Modelle zu erschaffen, indem Materialien Schicht für Schicht aufgebracht oder 'gedruckt' werden. Der 3D-Druck basiert auf innovativen 'Tinten' wie Kunststoff, Metall oder neuerdings auch Glas und Holz.
Einfluss auf das Geschäftsmodell
Diese acht Technologien werden die (Geschäfts-) Welt verändern und damit auch signifikanten Einfluss auf das Geschäftsmodell von Unternehmen haben. Einige werden mit unmittelbarem Nutzen verbunden sein, andere benötigen mehr Zeit und können auch mit einigen unerfreulichen Herausforderungen auf dem Weg zum erfolgreichen Einsatz verbunden sein. Wie kann dieser Einfluss aussehen?
Alles beginnt bei der Strategie: Wenn in der Unternehmensstrategie definiert wird, welche Geschäftsfelder das Unternehmen künftig adressiert, dann zeigen diese (und andere) Technologien neue Handlungsmöglichkeiten auf. Wird beispielsweise bei einem Maschinenbauer eine Niedrig-Kosten-Strategie verfolgt, dann können 3D-Drucker bei der Herstellung von Maschinenkomponenten deutliche Kostenvorteile beinhalten und somit einen Hebel zur Umsetzung der Strategie darstellen.
Kundenbeziehungen verändern sich schon
Bei der Kundenbeziehung (Customer Engagement) verändern die acht Technologien bereits heute fast alle Dimensionen der Interaktion unserer Unternehmen mit ihren Kunden - von Marketing und Vertrieb bis hin zu Abrechnung und After-Sales- Unterstützung. Werden zum Beispiel Datenbrillen gemeinsam mit einer erklärungsbedürftigen Anlage ausgeliefert, dann können über Virtuelle Realität bei Störungen im Rahmen der Selbsthilfe viele Probleme gelöst werden, ohne dass telefonische Betreuung erforderlich ist oder gar ein Techniker zum Kunden geschickt werden muss. Die After-Sales-Unterstützung wird schneller und günstiger.
In der Leistungserbringung können Künstliche Intelligenz, Roboter, Drohnen und 3D-Druck allesamt die operative Effizienz verbessern. Diese Effizienzverbesserungen führen zu günstigeren Kostenstrukturen und sogar kürzeren Reaktions- und Lieferzeiten. Alles in allem wird die Wettbewerbsposition signifikant gestärkt.
Was bedeuten die Technologien für Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten? Die acht Technologien lassen neue Arbeitsfelder entstehen, die auch neue Fähigkeiten erfordern. Die Befürchtung, dass die Technologien über eine höhere Automatisierung ausschließlich Arbeitsplätze kosten könnten, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: neue Technologien haben neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze überhaupt erst entstehen lassen.
Was bahnbrechende technologische Entwicklungen zu Megatrends macht
Was ist nun die Empfehlung an das Management von Unternehmen? Eine einfache Delegation an den CIO oder CTO ist augenscheinlich der falsche Weg. Erfahrungsgemäß sind die Unternehmen besonders stark, deren Top-Management in die Initiative eingebunden ist. Identifizieren und Bewerten von Technologien sowie die Entwicklung einer umfassenden Strategie - Technologie, Business Impact, Organisation - stehen dabei am Beginn. Vor allem sind die folgenden Fragen zu beantworten:
Gibt es eine nachhaltige Innovationsstrategie und einen effektiven Innovationsprozess?
Wurde der Impakt von neuen Technologien quantifiziert? Wenn nicht - wie kann das zügig bewerkstelligt werden?
Gibt es eine Roadmap für neuartige Technologien? Wenn ja - wird diese ständig aktualisiert?
Antworten auf diese fundamentalen Fragen führen zu den Meta-Aktionen - Dinge, die die Geschäftsleitung dazu befähigen den Nutzen aus der rasanten Entwicklung der besten Technologien zu ernten.
Der CIO ist das Rückgrat der Projekte
Der eigentliche Prozess sollte zwar durch die Geschäftsleitung getrieben werden, der CIO ist aber ein wesentlicher Kontributor. Wenn der CEO der Treiber ist, dann ist der CIO das Rückgrat der Initiativen. Neben der zumeist anspruchsvollen Herausforderung, im Tagesgeschäft als Partner der Fachbereiche deren Prozesse mit möglichst effektiven IT-Systemen zu unterstützen, gilt es, ausgehend von der Gesamtinitiative, eine schlagkräftige CIO Agenda zu formen.
Technologie-Scouting wichtig
Erste Grundlage dafür ist ein Technologie-Scouting - bahnbrechende technologische Entwicklungen müssen identifiziert und verstanden werden. Der CIO hat hier als Technik-Experte alle Voraussetzungen, wichtige Beiträge zu leisten. Aber das ist nur die Pflicht. Denn:
Welche Technologie besitzt denn wirklich "Wert" für ein Unternehmen und "rechnet sich" im Sinne eines substanziellen Business Cases?
Wie reif sind die Technologien und wie stehen Ertrag und Risiko zueinander?
Ist es für das eigene Unternehmen sinnvoller, ein "Innovator" zu sein oder doch besser ein "Follower"?
Die Kür besteht also darin, die Relevanz für das eigene Unternehmen zu bewerten und damit die Frage der Geschäftsleitung zu beantworten: welches sind denn nun die Megatrends für unser Unternehmen?