Agile hat sich zum Buzzword entwickelt. Russ Riggen und Mayank Agarwal haben es entzaubert und sich die Praxis in den Unternehmen angesehen. These der PwC-Analysten: Die Mehrheit der Firmen kann das Potenzial agiler Methoden nicht heben. Unter "Nine reasons your enterprise is not agile yet" führen sie das in einem PwC-Blog aus.
Riggen und Agarwal stützen sich auf PwCs Studie "Digital IQ Survey". Demnach hält fast jede zweite IT-Abteilung, die sich agile auf die Fahnen geschrieben hat, eben doch am Wasserfall fest. Folgende neun Punkte sind den Analysten aufgefallen, sie fokussieren sich dabei auf Testing:
1. Das Fehlen einer Testing-Strategie
Viele Unternehmen erwarten von ihren neuen Agile-Team so etwas wie einen "Big Bang". In Sachen Testing kann das nicht funktionieren. Denn üblicherweise binden Entscheider die Tester nicht oder erst zu spät in agile Prozesse ein. Das erzeugt Unklarheit bei den Testern. Riggen und Agarwal betonen, dass häufige Veränderungen am Code auch häufigeres Testen erfordern.
2. Silo-Denken
Tester und Entwickler arbeiten oft in komplett verschiedenen Teams. Ein hausgemachter Fehler, der sich ganz einfach beheben ließe, so PwC. Schließlich gehören Kommunikation und Zusammenarbeit zum Kern von Agile.
3. Fehlende Skills für agiles Testing
Das Grundproblem beginnt laut Riggen und Agarwal schon damit, dass Testing als "unsexy" gilt, anders als Entwickeln. Davon abgesehen sind die Anforderungen an Mitarbeiter, die agiles Testing beherrschen sollen, sehr hoch. Nicht nur müssen sie Testen können und sich an agile Methoden halten, sie brauchen auch Domain-Wissen und Kenntnisse des Fachbereichs, also etwa über Finanzsysteme. Das hochgesteckte Ziel lautet, automatisierte, integrierte Test-Umgebungen zu schaffen.
4. Nutzlose User Storys
User Storys gelten als wichtigste Methode zur Steuerung agiler Projekte. Sie dienen zusammen mit Akzeptanztests der Spezifikation von Anforderungen, Autor der Story sollte jeweils der Kunde des Software-Projektes sein. Bleiben diese Berichte vage oder berücksichtigen nicht alle Kriterien, schreiben die Entwickler im schlimmsten Fall den falschen Code.
5. Kein Testing auf allen Levels
Je früher Fehler entdeckt werden, umso besser. Wie PwC beobachtet, kämpfen viele Unternehmen dabei nicht nur mit schlechten Tools und fehlenden Skills. Hier wirkt sich wiederum das Silo-Denken von Entwicklern und Testern negativ aus.
6. Mangelhaftes Daten-Management in Sachen Test-Daten
Daten-Management erfordert strikte Präzision. Andernfalls leiden Wiederholbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Effizienz. Laut Riggen und Agarwal investieren aber viele Unternehmen zu wenig in virtualisierte Testing-Umgebungen. Damit blockieren sie das Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Testing-Phasen, was eine Grundvoraussetzung agilen Arbeitens ist.
7. Falsche Priorisierung
Widersprüche in der Priorisierung können das ganze Agile Team blockieren. PwC berichtet von einem Fall, in dem Produkt-Owner und IT-Team unterschiedliche Prioritäten setzten. Das Agile Team hatte vor, im kommenden Sprint alle sogenannten Open Defects des vorigen Sprints anzugehen. Auf der Liste der Product Owner jedoch wurde das als weniger dringlich ausgewiesen. Vorrang hat, schreibt PwC, die Produkt-Roadmap.
8. User Storys gehen in die Breite statt in die Tiefe
Dieser Punkt berührt das Thema Integration. Werden User Storys horizontal beschrieben, statt vertikal durch die verschiedenen Layers, verzögert das die Integration. Denn die funktioniert nicht "along the way", sondern geht in die Tiefe.
9. Der Unterschied zwischen "Qualität" und Business-Wert ist unklar
IT-Abteilungen wollen qualitativ gute Arbeit liefern. Damit treffen sie nicht unbedingt die Vorstellungen des Produkt-Owners und auch nicht zwingend die der Kunden. Hier steht der Business Value im Vordergrund. Sollte er auch, betont PwC. Agile Methoden an sich dienen in erste Linie dem Business Value.