In den vergangenen Jahren haben viele Websites und Internet-Services versucht international Fuß zu fassen. Manche sind schnell wieder verschwunden, andere werden mittlerweile von vielen Menschen fast täglich besucht. Immer neue technische Möglichkeiten führen dazu, dass immer neue Angebote möglich werden. Doch selbst die beste, innovativste Idee ist kein Garant für den Erfolg einer neuen Seite. Man kann sich sicher sein, dass in den nächsten Monaten wieder einige Kämpfe ausgetragen werden, aus denen dann Gewinner und Verlierer hervorgehen. Durch die große Konkurrenz ist es heute schon etwas Besonderes, wenn eine Seiten nicht sofort wieder verschwindet.
Im Folgenden lesen Sie von Internetseiten und Online-Services, die eine gute Chance haben, sich einen Namen zu machen. Einige davon kennen Sie sicher schon, andere dürften Ihnen noch unbekannt sein. Einen (zweiten) Blick wert sind sie aber alle.
Von Vorteil ist es für Internetangebote immer, wenn Sie auch für den mobilen Bereich gemacht sind – denn der ist momentan stark auf dem Vormarsch. Tauchen Sie ein in die spannende Welt des Internets, das sich momentan schneller verändert als jemals zuvor. Globale Player wie Google bekommen Konkurrenz …
1. Microsoft Bing
Als Microsoft Bing Mitte 2009 erschien, waren viele Leute skeptisch. Man fragte sich, ob Microsoft überhaupt die Vision und das Talent haben kann, um es mit Google aufzunehmen. Der Ansatz von Google ist für die meisten Menschen zu einem de-facto-Standard geworden, und das ziemlich unbestritten. Aber Bing hat sich nun durch die Beachtung vieler neuer Aspekte bei der Web-Suche hervorgetan: Bildersuche mit neuen Betrachtungsmöglichkeiten, Twitter Tweets können durchsucht werden und Suchergebnissen aus der semantischen Suchmaschine Wolfram Alpha sind integriert.
Nach der Freigabe von Bing fiel schnell eine beträchtliche Anzahl von Suchanfragen an und man wurde so tatsächlich zu einem legitimen Konkurrenten von Google. Auch wenn Google immer noch weit voraus ist mit mehr als 70 Prozent aller Web-Suchen, steigt der Bing-Anteil weiter: Heute entfallen auf Bing bereits etwa 10 Prozent der Web-Suchanfragen.
Ich glaube, dass der Stern von Bing noch immer am aufsteigen ist, denn in diesem Jahr wird Bing erst richtig gegen Google antreten. Man sollte auch daran denken, dass Microsoft Office 2010 mit Web-basierten Komponenten (Windows Live) kommt, die eine Vielzahl von Benutzern erreichen werden.
2. Android Market
Heute findet sich das Android-Betriebssystem auf nur 3,5 Prozent der Smartphones weltweit. Aber Kenner sagen, dass Android das zweit beliebteste Smartphone-Betriebssystem der Welt wird - bis zum Jahr 2012, hinter dem iPhone OS. Obwohl im Jahr 2009 nur 10 Android Handys veröffentlicht wurden, sagt CCS Insight, dass im Jahr 2010 bereits etwa 50 neue Android Handys kommen werden. Gemessen an der Aufregung unter Telefonherstellern und Software-Entwicklern bezüglich Android, könnten sich diese Prognosen sogar noch als konservativ erweisen. Und die Beachtung dieses Betriebssystems wird sich innerhalb dieses Jahres noch weiter ausbreiten, nämlich auf die Verbraucher.
All das summiert sich: Eine Menge von Menschen wird die verschiedensten Anwendungen für Android-Handys suchen. In den meisten Fällen werden sie ihre Anwendungen dann im Android Market finden. Der Market bietet derzeit "nur" etwa 20.000 Apps, weit weniger als die 100.000, die man für das iPhone findet. Aber das wird sich schnell ändern.
3. Grooveshark/Spotify
Wenn Groovesharks Wachstum in den vergangenen beiden Quartalen ein Hinweis auf seinen Weg im neuen Jahr ist, sollte 2010 eine groovy Zeit für die junge Musik-Website werden. Was ist das Besondere? Auf Grooveshark.com können Sie gratis und in ziemlich hoher Qualität so ziemlich jeden Song den Sie sich denken können suchen und abspielen. Zusätzlich kann man zum Erstellen eigener Playlists mit anderen Mitgliedern des Grooveshark-Netzwerks Kontakt aufnehmen und so neue Musik kennenlernen – im besten Fall von "Trendsettern", die den eigenen Geschmack genau treffen. Sie können Ihre eigene Musik mit anderen teilen, indem sie diese hochladen. Wenn jemand ein Lied kauft, das Sie hochgeladen haben, können Sie sogar daran verdienen. Insgesamt handelt es sich um ein sehr interessantes Konzept.
Zu schön, um wahr zu sein? Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Business-Modell von Grooveshark verdächtig klingt – zu viel Blut im Wasser für die Haie, die in den Rechtsabteilungen der Plattenfirmen lauern. Aber Grooveshark bietet auch für die Labels einige verlockende Köder: Wenn Sie einen Stream hören, können Sie ihn bequem online bei iTunes oder Amazon in höherer Klangqualität erwerben. Und in der Theorie hält der Aspekt des Social-Networking von Grooveshark das Gespräch über die Musik am Laufen und fördert damit unter Umständen gerade die Umsatzrendite der Plattenlabels.
Konkurrenz für Grooveshark wird die viel-gehypte Musik-Website Spotify bringen, die momentan nur für Europa zur Verfügung steht. Von Deutschland aus kann man die Seite aber momentan nicht aufrufen. Mit etwa dem gleichen Service wie Grooveshark (aber mit mehr Musik und mehr Mitgliedern, die eine Software installieren müssen – Grooveshark ist browserbasiert) will Spotify bald auch in den Vereinigten Staaten richtig durchstarten - aber ohne dafür von den US-Labels verklagt zu werden. Die Musikindustrie ist in den USA besonders empfindlich, weil dort viel Geld verdient wird. Wenn Spotify in den Vereinigten Staaten einschlägt, könnte das sich natürlich negativ für Grooveshark auswirken. Aber was die Anwälte der Plattenlabels hier noch in der Hinterhand haben, muss vorher abgewartet werden. Die rechtlichen Fragen könnten auch die Zukunft von Grooveshark bestimmen.
4. Google Voice
Google Voice wurde im Jahr 2009 sehr kontrovers diskutiert, nachdem Apple das Google Voice app für das iPhone nicht in das App Store aufgenommen hat. Apple - oder wahrscheinlich ist der Geschäftspartner AT & T – hatte einen guten Grund für die Sperre, weil Google Voice bereit ist, das Geschäft rund um die Sprachkommunikation zu revolutionieren. Google Voice vereint Ihre verschiedenen Telefone unter einer Nummer und verwaltet alle Aspekte Ihrer Kommunikation. Der Faktor, der den Namen Google Voice bekannt machen könnte, sind kostenlose oder sehr preiswerte Ferngespräche.
Die Sterne stehen gut für Google Voice. Das Unternehmen hat vor kurzem Gizmo5 gekauft, einen VoIP-Service-Provider, der Nutzern kostenlose oder preiswerte VoIP-Anrufe direkt vom Handy ermöglicht. Und die Software könnte letztlich nur auf einem Mobiltelefon laufen, das wiederum von Google kommt: Das viel diskutierte Google-Phone soll zwar in jedem Mobilfunknetz funktionieren, aber wann immer möglich auf VoIP setzen. Werbeanzeigen auf dem Gerät könnten das finanzielle Konzept sein, ganz im Gegensatz zu heutigen Strategien. Die Nutzer müssen dann einen Vertrag mit einem Anbieter von mobilen Internetdienstleistungen abschließen.
Das ist alles ist bisher Spekulation, aber eine solche Diskussion ist genau das, was Google sich wünscht, um den Markt aufzumischen. Schlecht war Google diesbezüglich noch nie. Das Unternehmen entwickelt und kauft offensichtlich Technologie für den Einstieg in das Voice-Geschäft - es bleibt nur noch abzuwarten, wie spektakulär der Auftritt letztlich wird. Unabhängig davon wird Google Voice aber sicher der Motor der eigenen Ambitionen sein.
5. Justin.tv
Es gibt Anhaltpunkte dafür, dass der nächste große Schritt in Sachen Internet Live-Videos werden (anders als die aufgezeichneten Videos etwa bei YouTube), die direkt von mobilen Geräten aus dem Zentrum des Geschehens kommen. Auf Justin.tv können Sie Live-Video-Streams aller Art finden, die jeweils in Echtzeit durch einen Nutzer von Justin.tv mit einer Videokamera aufgezeichnet werden. Ähnliche Seiten wie UStream und Qik ermöglichen ebenso Video-Stream direkt von einem Smartphone auf die Internetseite. Die Idee, dass aufgenommene Videos zu Gunsten von Live-Material weichen, mag man noch für eine reine Zukunftsvision halten - aber wenn die drahtlosen Netzwerke schneller werden, werden solche Ideen immer realistischer.
Welchen Nutzen hat man davon? Wenn man etwa von einem Sportereignis ausgeht, dass nicht im Fernsehen übertragen wird, kann man den Nutzen erkennen: Ein Fußballspiel auf der anderen Seite der Welt wird von einem Nutzer live gefilmt und ins Internet gestellt und man selbst kann es ebenfalls live genießen. Doch damit nicht genug, man kann sogar mit anderen Fans chatten und das Spiel mit anderen diskutieren.
Bereits jetzt hat Justin.tv eine große Community – wenn diese weiter wächst, könnte 2010 ein richtiges Erfolgsjahr werden. Natürlich sind die Rechteinhaber nicht allzu glücklich darüber, dass Benutzer Inhalte live im Internet verbreiten. In den USA fand diesbezüglich vor Kurzem eine Anhörung statt. Justin.tv arbeitet nun mit Eigentümern von Inhalten (etwa Fox) zusammen, um diese Bedenken auszuräumen. Diese rechtlichen Aspekte dürften auch hier wieder ausschlaggebend dafür sein, wie erfolgreich die Internetseite international werden kann.
6. Clicker
Auf den Punkt gebracht: Das Online-Video-Geschäft ist noch immer eher eine Baustelle. Lange Zeit waren TV-Sendungen und Filme im Internet Mangelware. In diesen Tagen tut sich hier aber viel: Bald wird das Internet die alleinige Quelle für aktuelle oder populäre Videos sein, man kann das schauen was man möchte, wann immer man möchte. Das Problem ist, dass die Video momentan auf den verschiedensten Websites verstreut sind, was die Suche nicht gerade einfach macht.
Eine gutes zentrales Verzeichnis wäre hier die Lösung. Clicker ist hier momentan der Vorreiter. Diese Website gibt auf Suchanfragen aus, auf welcher Seite sie die entsprechenden Videos finden und stellt einen direkten Link zur Verfügung.
Die Reichweite der Suche von Clicker ist schon jetzt beeindruckend – auch wenn das nur für englischsprachiges Material gilt. Die Website bietet Links zu aktuellen und populären Videos auf den verschiedensten Seiten, nicht nur im Mainstream-Bereich. Wenn man bedenkt, wie beliebt Onlinevideos sind und wie viele neue Seiten nach und nach entstehen, kann man sich vorstellen, welche Bedeutung der Seite Clicker bald zukommen könnte.
7. Yammer
Yammer ist Twitter für Arbeitsgruppen. Es sieht aus und verhält sich wie Twitter, konzentriert sich aber auf die Frage, woran man gerade arbeitet und nicht darauf, was gerade so los ist. Mittlerweile kennt Twitter jeder, das Konzept dahinter gehört für viele Menschen bereits zum Lebensgefühl. Diese Idee greift Yammer nun für den privaten bzw. geschäftlichen Bereich auf, was dem Mikro-Blogging einen ganz neuen Sinn geben könnte. Der Service ist in der Variante „Basic“ kostenfrei.
Die Redakteure von PCWorld etwa nutzen Yammer bereits jetzt als wichtigsten Kanal für die Kommunikation während des Tages – egal, ob man zu Hause, bei einer Veranstaltung oder im Büro ist. Dadurch kann man anderen mitteilen, woran man gerade arbeitet, technische Fragen diskutieren oder seinen Kollegen einfach nur schreiben, wie der Kaffee gerade schmeckt. An so etwas gewöhnt man sich sehr schnell und kann sich dann die Arbeit ohne einen solchen Dienst kaum noch vorstellen. Es verwundert nicht, wenn im Jahr 2010 noch viele andere Unternehmen Yammer für sich entdecken.
8. Wikitravel.org
Wenn man an unbekannte Orte reist, wünschen sich viele genaue Informationen darüber, was sie erwartet – Überraschungen unerwünscht. Inspiriert von Wikipedia bietet Wikitravel Unmengen von Informationen über Orte rund um den Globus - und gibt Empfehlungen für gute Websites zum Reiseziel und Tipps für den Aufenthalt vor Ort. Wikitravel beruht auf dem Nutzerprinzip: Alle Inhalte werden von Menschen geschrieben (und bearbeitet), die wirklich an diesem Ort waren und genau wissen, wovon sie reden.
Das Wiki-Konzept ist heute aus dem Internet nicht mehr wegzudenken. Beachtenswert ist, dass unrichtige oder unklare Informationen durch die Nutzer selbst bereinigt werden. Das funktioniert, weil der Mensch einfach gerne das verbessert, was er selbst besser weiß. Sicher findet man dabei auch viele Egoisten, die nur an sich selbst denken – weil dieser Mechanismus aber zu sauberen und informativen Web-Angeboten führt, ist der Wiki-Trend sicher noch nicht zu Ende.
9. Postabon
Team-Shopping, Social-Shopping – interessante Konzepte. Postabon ist die Heimat einer Gemeinschaft von Schnäppchenjägern, die Angebote aller Art veröffentlichen, die sie in ihrer Stadt entdeckt haben. Bei Postabon nennen sich diese Stellen dann "Bons". Die Preisjäger, die viele „Bons“ posten, werden auf der Seite besonders geehrt. Für Preisbewusste dürfte ein solcher Service der Himmel sein.
Ob die Seite nun über den heimischen PC oder ein mobiles Gerät besucht wird (etwa über ein iPhone App), Postabon zeigt den Nutzern die „Bons“ auf einer Karte der unmittelbaren Umgebung an (Postabon erkennt dabei automatisch den ungefähren Standort des Nutzers). Natürlich gibt es verschiedene Arten von Bons (Essen und Trinken, Einkaufen usw.), und man kann wählen, welche Schnäppchen angezeigt werden.
Auf diesem Weg zu einem richtig gutem Angebot zu kommen, fühlt sich gut an und macht Spaß. Postabon bietet eine sinnvolle Möglichkeit, aus der Schnäppchenjagd einen Mannschaftssport zu machen. Der Service ist momentan nur in New York ausgebaut – aber man kann sich hoffentlich darauf freuen, auch in der eigenen Stadt im Jahr 2010 auf die Jagd gehen zu können.
Das Internet verändert sich
Google Wave ist ein unglaubliches Produkt - und es könnte die Web-Kommunikation wie wir sie heute kennen völlig verändern - nicht aber im Jahr 2010. Halten Sie die Augen auf, was sich im Internet in der nächsten Zeit alles so tut, dann verpassen Sie keinen Trend.
Probieren Sie doch einfach jede der hier vorgestellten Internetseiten einmal aus – und lassen Sie sich überraschen, wie gut gestaltet und durchdacht sie sind. Ob den Kandidaten wirklich ein gutes Jahr bevorsteht, bleibt abzuwarten, jedenfalls hätte jede von ihnen das Potenzial dazu. Schade ist, dass oft rechtliche Streitigkeiten das Aus besiegeln – an mangelndem Interesse oder fehlender Mitarbeit von Nutzern liegt es jedenfalls in den wenigsten Fällen.
Dieser Artikel beruht auf einer Veröffentlichung unserer Schwesterpublikation PC World (Mark Sullivan).