Datenschützern stellen sich beim Stichwort Quantencomputer vermutlich die Nackenhärchen auf. Die Entwicklung der superschnellen Rechner schreitet rasant voran. Sie dürften eines Tages so leistungsstark sein, dass sie heute gängige Verschlüsselungsverfahren im Nu knacken. Schon in 10 bis 15 Jahren könnten Quantencomputer Experten zufolge womöglich entschlüsseln, was heute gesichert ist: Bank- und Gesundheitsdaten im Privatbereich, aber auch hochsensible Informationen von Regierungen und Militärs. Verschlüsselungstechnik-Experten suchen deshalb nach Alternativen. Eine davon macht sich Satelliten im All zunutze.
Erste Quantenrechner gibt es schon. Bis wann einer mit ernstzunehmender Größe entwickelt sein wird, sei schwer abzuschätzen, sagt der Bereichsleiter Software beim Digitalverband Bitkom, Frank Termer. Die neuen Computer sind kleine Wunderwerke. "Rechenvorgänge können so dramatisch beschleunigt werden", sagt Termer. "Statt Jahre dauern sie vielleicht nur noch Stunden oder weniger." Das mache aktuelle Sicherheits- und Verschlüsselungsverfahren angreifbar.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) schreibt zu Fortschritten bei Quantencomputern: "Um von dieser Entwicklung nicht irgendwann überholt zu werden, muss bereits heute mit den Vorbereitungen für die Post-Quanten-Zeit begonnen werden." Die Herausforderung nehmen Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für die Physik des Lichts in Erlangen an. "Unser Ziel ist es, dass wir schneller sind als die Entwicklungen, die uns bedrohen", sagt Christoph Marquardt von der Max-Planck-Gesellschaft. Mit Kollegen forscht er deshalb an der sogenannten Quantenkryptografie.
Dieses Verfahren basiert auf den Gesetzen der Quantenphysik. Demnach kann ein Photon - auch Lichtquant genannt - nur ein einziges Mal vollständig vermessen werden. Der Grund: Die Messung selbst verändert den Zustand des Teilchens, eine zweite Messung würde ein anderes Ergebnis liefern. Diesen Umstand kann man für die Verschlüsselung von Informationen nutzen.
Dabei schickt ein Sender Photonen an einen Empfänger. Gemeinsam können sie dann einen geheimen Code erzeugen, mit dem verschlüsselte Informationen gelesen werden können. Diese Technik gilt als sicher gegen Lauschangriffe, weil jeder Versuch, den Code heimlich abzulesen, Spuren in den Signalen hinterlassen und somit sofort auffliegen würde.
Quantenkryptografie im Kommen
Das Problem war bislang die Distanz, über die mit der Quantenkryptografie Informationen übermittelt werden können, wie Marquardt erklärt. Es gibt zwar schon Firmen, die Quantenkommunikation über Glasfaserkabel anbieten. Doch nach rund 100 Kilometern wird das Signal so schlecht, das es verstärkt werden müsste. Nur funktioniert das bei Quanten nicht. Aber man kann einen Umweg durch möglichst störfreien Raum machen, dem All.
"Da gibt es zwar auch Absorption in der Atmosphäre", sagt Physiker Marquardt. "Aber die ist nur zehn Kilometer dick. Danach kommt ein Vakuum." Das machten sich die Forscher zunutze: Sie haben den Kommunikationssatelliten Alphasat I-XL Laserstrahlen im Infrarotbereich zu einer 38 000 Kilometer entfernten Messstation auf der Ferieninsel Teneriffa schicken lassen.
Mit der Firma Tesat-Spacecom aus Backnang (Region Stuttgart) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt analysierten Marquardt und sein Team dann die Lichtquanten des Laserstrahls - und erzeugen damit den Code, mit dem man eine verschlüsselte Nachricht lesen kann.
Marquardt macht deutlich, dass Alphasat I-XL ursprünglich gar nicht für die Quantenkommunikation vorgesehen war. Dass sie die Tests durchführen konnten, verdanken die Forscher gewissermaßen dem Zufall: Ein Kollege sei vom MPI zu Tesat-Spacecom, einem Anbieter für lasergestützte Satellitenkommunikation, gewechselt. Er habe bemerkt, dass die dortige Technik zu Laborversuchen des MPI passe. "Wir können also vorhandene Systeme nutzen", sagt Marquardt. Nun gehe es darum, Quantenkryptografie mit Satelliten bezahlbar zu machen.
In fünf bis zehn Jahren könnte ein ganzer Schwarm an Satelliten auf Quantenbasis kommunizieren - sowohl untereinander als auch mit Basisstationen. Eine wichtige Grundlage dafür bei all den heiklen Fragen rund um den Datenschutz: "Dem Betreiber des Satelliten muss man vertrauen." (dpa/rw)