In dem Maße, in dem ihre Programmierung intelligenter wird, dürften sich hochautomatisierte Systeme, vielleicht sogar Humanoide, in unterschiedlichen Branchen durchsetzen. Das wird Folgen haben für die Arbeitswelt.
Tödliche Sätze
Es gibt Sätze, die man nicht einmal denken, auf keinen Fall aber aussprechen sollte. Für Manager und Führungskräfte sind sie sogar ein absolutes No-Go. Terry Gou, der CEO des chinesischen Auftragsfertigers Foxconn, ist diesbezüglich schmerzfrei. Anlässlich eines Besuchs in einem Zoo räsonierte er einmal, Menschen seien letztendlich Tiere. Und da bereite es ihm Kopfschmerzen, "eine Million Tiere zu managen".
Dazu muss man wissen, dass Foxconn etwa 1,2 Millionen Angestellte - Hunderttausende davon auf dem chinesischen Festland - beschäftigt, um Produkte unter anderem für Apple, Hewlett-Packard, Dell, Microsoft, Intel, Sony und Nintendo zusammenzukleben und -zuschrauben. Foxconn hat in den vergangenen Jahren wegen seiner teils desaströsen Arbeitsbedingungen in seinen chinesischen Dependancen Shenzhen, Kunshan und Wuhan weltweit für negative Schlagzeilen gesorgt.
Roboter ersetzen Menschen
Da mag es zynisch klingen, wenn man schreibt, dass Foxconn-Gründer Gou mittlerweile eine technische Entwicklung in die Hände spielen dürfte: Robotersysteme werden zunehmend intelligenter und können immer häufiger menschliche Arbeitskraft ersetzen. Wenig überraschend traf dann auch im Juli 2014 die Nachricht ein, dass Foxconn in Kürze einen Teil seiner Belegschaft durch Fertigungsroboter ersetzen werde. Rund 10.000 dieser elektronischen Hilfskräfte zum Stückpreis zwischen 20.000 und 25.000 Dollar wolle man anschaffen.
Wie die chinesische Website "IT Home" berichtete, würden die "Foxbot" genannten Maschinen schon für die Fertigung der sechsten iPhone-Generation eingesetzt. Das iPhone 6 wird aller Voraussicht nach am Freitag, den 19. September 2014, in die Läden kommen. Prompt schrieben die ersten Blogger, sie würden keine iPhones mehr kaufen, wenn diese von Robotern gebaut würden und Menschen deshalb ihren Arbeitsplatz verlören.
Tatsächlich werden in der Fertigung schon seit Langem Robotersysteme eingesetzt. Dabei handelt es sich in der Regel allerdings noch nicht um Maschinen, die mit intelligenter Software arbeiten und immer besser in der Lage sind, sich selbst zu optimieren. Das ändert sich nun. Das Foxconn-Beispiel zeigt, welche gravierenden Auswirkungen die Verwendung automatisierter Systeme für die noch verbliebenen Fabrikarbeitsplätze haben kann.
Doch nicht nur der Blue-Collar-Arbeiter ist betroffen. Auch typische Büroangestellte können sich nicht mehr sicher fühlen. Gerade erst hat Bertelsmann bekannt gegeben, dass die Brockhaus-Enzyklopädie in der gedruckten Version nicht mehr produziert wird. In Zeiten von Google und Wikipedia ist das nicht weiter verwunderlich. Immerhin, so der Verlag, sei die redaktionelle Aktualisierung von rund 300.000 Artikeln in der Online-Ausgabe noch einige Jahre sichergestellt. Gute Jobs für fleißige Wissensarbeiter, könnte man meinen, aber das ist gar nicht so sicher.
In Schweden schreibt für die landessprachige Ausgabe der Wikipedia der Autor "Lsjbot". Er ist außergewöhnlich produktiv. In einem einzigen Monat des vergangenen Jahres hat er für die Wikipedia 216.664 Texte verfasst. Umgerechnet entspricht das rund 7200 Artikeln - pro Tag. Lsjbot durchsucht alle möglichen weltweit verfügbaren Datenbanken und schreibt dann, oft mit Fotos aufgepeppt, seine Texte.
Lsjbot ist kein Mensch. Lsjbot ist ein Computerprogramm, das der Schwede Sverker Johansson programmiert hat. Man kann sich also vorstellen, wie menschliches Wissen künftig aufbereitet wird - und von wem. Der Mensch ist dabei zunehmend entbehrlich.
Automatisierten Journalismus
Das Gleiche gilt für eine andere Branche. Deren Tätigkeit ist sogar in Grundgesetzen oder Verfassungen als unantastbar kodifiziert: der Journalismus. Nicht nur US-amerikanische Zeitungen experimentieren mit der automatisierten Nachrichtengenerierung. Auf der re:publica 2014 referierte der Datenjournalist Lorenz Matzat zum Thema Roboterjournalismus und stellte Beispiele aus der Praxis vor.
Schon vor fünf Jahren gab es Projekte wie "Stats Money", entwickelt an einer Universität. Das Programm schrieb automatisiert über Softball- und Baseballspiele. Die Firma Narrative Science hat einen Algorithmus entwickelt, der im US-Magazin "Forbes" einen Blog über Marktentwicklungen verfasst. Ebenfalls ein großer Spieler am Markt für automatisch erstellte Texte ist die US-Firma Automated Insights.
Hierzulande treten in diesem Metier Unternehmen wie Aexea und Text-on.de auf. Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter von Text-on.de ist Cord Dreyer. Der arbeitete früher bei Nachrichtenagenturen wie dpa, dpa-AFX und dapd - ist also ein Profi. Auf dem European Newspaper Congress 2014 in Wien stellte Dreyer sein Projekt vor. Der Algorithmus von Text-on durchsucht weltweit rasant wachsende Datenbanken auf Informationen. Die Fundstücke werden nicht nur klassischen Medien, sondern auch Unternehmen und Verbänden angeboten. Inhalte lassen sich aus Zahlenmaterial ziehen und in Form leichter konsumierbarer Texte aufbereiten.
Da Deutsch nicht unbedingt eine einfach zu lernende Sprache ist - das gilt auch für Maschinen beziehungsweise Software -, arbeitet Text-on hier mit Wissenschaftlern des Fraunhofer-Instituts zusammen. Ziel ist es, eine menschliche Sprachbildung nachzuempfinden. Auf dem Weg zu einem automatisierten Journalismus hat Text-on einen Prototypen entwickelt, der Meldungen aus der Sportbranche, und hier der Fußball-Bundesliga, produziert. Wie Dreyer sagt, sind Narrative Science und Automated Insights Vorbilder für die Text-on-Aktivitäten.
Ebenfalls auf dem Eurpean Newspaper Congress stellte Johannes Sommer, Geschäftsführer der Retresco GmbH, sein Projekt vor. Sommer war als Journalist bei der "Südwest Presse Online" tätig. Dort leitete er etwa den Bereich Digitale Medien. Retresco verspricht, Redaktionstätigkeiten zu automatisieren - mit dem Effekt, dass Rechner zu Medienschaffenden werden.
Automatisch zusammengestellt
Der Retresco-Algorithmus sucht dabei im Netz sowie in anderen Quellen Themen und Begriffe, um sie semantisch auszuwerten. Die aggregierten Inhalte werden automatisch zusammengestellt und verbreitet.
Retresco bewirbt seine Lösung damit, dass Inhalte kundenspezifisch aufbereitet werden könnten. So ließen sich Themenseiten für Medien genauso gestalten wie beispielsweise Leserbriefseiten, bei denen Antworten auf die Fragen automatisch erzeugt werden.
Wer glaubt, dass die Verlage und Medienschaffenden gegen automatisierte Inhaltsgenerierung Vorbehalte hätten, der sollte sich die Medien-Kundenliste von Retresco durchlesen: "N24", "FAZ.net", "Rheinische Post Digital", "Augsburger Allgemeine" und "Südwest Presse Online" bedienen sich der Dienste der Sommer-Company.
Datenjournalist Matzat reflektierte bei seinem re:publica-Vortrag auch über das Buch "The Second Machine Age" der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) forschenden Professoren Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee. Sie hatten sich Gedanken über die Folgen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaften gemacht, wenn verschiedene Technologien zusammenfinden und daraus Synergieeffekte erwachsen, die einen enormen Entwicklungsschub erzeugen.
Matzat gab sich illusionslos: Die Betroffenen würden "natürlich nicht andere tolle Jobs bekommen". Es sei nicht auszuschließen, dass sie zumindest zum Teil in prekären Arbeitsverhältnissen landeten oder gar keine Jobs mehr fänden. Das sei "die Schattenseite dieser ganzen Automatisierung".
47 Prozent aller Jobs gefährdet
Welche Auswirkungen die fortschreitende Automatisierung haben und welche Berufsgruppen betroffen sein könnten, haben der Wirtschaftswissenschaftler Carl Benedikt Frey und der Informatiker Michael A. Osborne, beide in Oxford tätig, herausgearbeitet. Sie nennen den Automatisierungstrend "Computerisation". Die Effekte dieser Computerisation auf die Arbeitswelt untersuchten sie im September 2013 anhand von 702 Berufsfeldern in den USA. Sie wollten wissen, wie viele Jobs durch Computertechniken überflüssig zu werden drohen.
Das Ergebnis stimmt nachdenklich: 47 Prozent aller Beschäftigten in den USA sind laut der Studie der beiden britischen Wissenschaftler bedroht. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert diesbezüglich den Direktor für Arbeitsmarktpolitik in Europa am Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Werner Eichhorst. Der trat den vor allem in Deutschland verbreiteten Befürchtungen entgegen, Arbeitsplatzautomatisierung könne massenhaft Jobs kosten: "Man kann sich auch täuschen, aber ich denke, wir müssen keine Angst vor Robotern haben."
Geteilte Meinungen
Allerdings erwähnt das Frankfurter Blatt auch die Untersuchung des Washingtoner Pew Research Center. Es hatte mehr als 2500 Analysten, Hochschullehrer und Wissenschaftler aus Internet-Unternehmen zu dem Thema befragt. Einigkeit herrschte vor allem in einem Punkt: Innerhalb der kommenden zehn Jahre würden Roboter und künstliche Intelligenz "das alltägliche Leben transformieren".
In Bezug auf die Folgen für die Arbeitsplätze gehen die Meinungen der Befragten allerdings stark auseinander. Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer (48 Prozent) glaubt, für "Massen von Menschen" werde auf dem Arbeitsmarkt kein Platz mehr sein. 52 Prozent der Befragten vertreten dagegen die Ansicht, die Menschen würden sich auf die veränderten Verhältnisse einstellen und in neue Arbeitsfelder drängen.