Wer nun aber glaubt, die Britin würde bei Problemen auf Tauchstation gehen, irrt gewaltig. Eines ihrer Glaubensbekenntnisse, das der Reporter einmal live einen Tag lang auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen konnte, lautet Kommunikation! 70 Prozent ihrer Arbeitszeit spricht die IT-Chefin des Pharmakonzerns mit ihren Kolleginnen und Kollegen.
Ihr Credo: Kommunikation ist die unabdingbare Voraussetzung, um zu führen. Na, das klingt noch wie aus einem der bescheideneren Coaching-Handbücher.Wie wär's aber mit folgender Aussage: Kontrolle braucht es nicht. Solch eine Einstellung muten sich dann schon nicht mehr so viele Manager zu. Allerton aber kann glaubwürdig vermitteln, dass Kommunikation keine irgendwie schwurbelig geratene Führungsfloskel, sondern eine Frage des Stils ist - und des Erfolgs.
Wenn man Allerton nun trotzdem als Abtauchexpertin ausweist, muss man eine weitere Charaktereigenschaft erklären, die von Bedeutung ist, um die Managerin, ihren Führungsstil, ihre Persönlichkeit richtig einschätzen zu können: Allerton ist ein geradezu besessener Wissensfreak. Ihr Motto: Lernen macht Spaß.
Eines ihrer Hobbys macht beispielhaft klar, wie Allerton Doing by Learning betreibt: Die Managerin ist eine begeisterte Tiefseetaucherin. Andere Menschen würden sich nun mit bei derlei Tauchgängen erlebten Sinneseindrücken begnügen. Nicht so Allerton. Bei ihr hört der Spaß nicht auf Augenhöhe mit diversem Meeresgetier auf. "Ich wollte verstehen, was ich unter Wasser sehe", sagt sie. Also schnappte sie sich nicht einfach ein Buch, um sich ein Bild von der Unterwelt der Meere zu machen. Sie absolvierte an der Open University in Großbritannien gleich ein sechsjähriges Geowissenschaften-Fernstudium. Innerhalb dessen beschäftigte sie sich ein Jahr lang mit Ozeanografie und Marine-Biologie.
Kapitänin zur See oder Bridgespielerin
Tiefgang mit Vorteilen
Solch ein Tiefgang birgt Vorteile. Etwa dann, wenn Allerton beispielsweise einem Torpedinidae in die Quere kommen sollte. Im Gegensatz zu vielen anderen ambitionierten Tauchern weiß sie nämlich, dass man um dieses Vieh möglichst einen großen Bogen machen sollte. Was nämlich wie ein schwebender Pfannkuchen anmutet, besitzt ein Organ namens Elektroplax. Damit kann Torpedinidae, vulgo der Zitterrochen, elektrische Spannungen erzeugen und bei Unwillen schon mal Stromschläge von bis zu 230 Volt und über 30 Ampere austeilen. Allerton weiß das.
Mittlerweile - wie war das mit dem lebenslänglich Lernen? - studiert sie Kunstgeschichte. Und um das noch einmal zu betonen: Allerton absolviert auch dieses Studium neben ihrem stressigen Job als oberste IT-Verantwortliche des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche. Einem IT-Alltag in Basel, der ihr eine über das normale Maß hinausgehende Belastung abverlangt.
Ganz schön selbstbewusst: IT als Katalysator der Veränderung
Das Projekt "ForWard", mit dem sich Allerton beim diesjährigen Wettbewerb "CIO des Jahres" bewarb, belegt dabei, welchen Zuschnitts die Aufgaben sind, die sich die Britin zumutet und die sie - man ist versucht zu sagen natürlich - auch bewältigt. Allerton schreibt in ihrer Bewerbung, ForWard "führte ein neues Geschäftsmodell mit vereinfachten und harmonisierten Geschäftsprozessen und SAP-Systemen in den Bereichen Supply-Chain, Finanzen, Verkauf und Logistik sowie Human Resources in Europa ein".
Den Wert dieses in zwei Jahren gestemmten Großprojekts schätzt die CIO so ein: "Der wohl innovativste Aspekt des Projekts war die Fokussierung auf eine Veränderung von Geschäftsprozessen durch die Anwendung von IT." Vor allem die Formulierung: "Die Informatikabteilung hatte dabei die entscheidende Funktion, alle Geschäftsbereiche an einen Tisch zu bringen und als Katalysator der Veränderung zu wirken", klingt ganz schön selbstbewusst. Aber sie kommt wohl nicht zu Unrecht. Einer der sechs hochrangigen Juroren des Wettbewerbs stufte die Befähigung Allertons, zwischen IT und Business zu vermitteln, unter allen Bewerbern am höchsten ein.
Übrigens spricht jemand auch deshalb mit so viel Selbstvertrauen, weil er sich seiner Sache und seiner selbst sicher ist. Nicht von ungefähr urteilte denn auch ein anderer Juror, Allerton habe "ein komplexes, globales Projekt erfolgreich" bewältigt. Der Wertbeitrag, "den die IT dem Business (von Hoffmann-La Roche, Anm. d. Red.) liefert", komme klar zum Ausdruck.
Wieder ein anderer Juror hebt nicht nur die "gelungene Durchführung des Projekts ForWard zur Verbesserung und Vereinfachung der Geschäftsprozesse und der Harmonisierung der SAP-Systeme in Europa und in Osteuropa" hervor. Er weist ausdrücklich auf die "gute Kommunikation mit den Fachabteilungen durch die Beschäftigung von Kommunikationsspezialisten" und die "hohe Mitarbeiterverantwortung" hin - also exakt auf solche Befähigungen, die einem als außenstehender Betrachter im Kooperationsverhalten von Allerton sofort auffallen.
Spürbare Effekte
Fragt man nach den Vorteilen, die dem Unternehmen aus dem 220 Millionen Schweizer Franken teuren IT-Projekt mit je nach Projektphase zwischen 120 und bis zu 270 Mitarbeitern erwuchsen, wird das Ausmaß von ForWard klar: "Das Programm führte zu einer kompletten Umstellung des europäischen Pharmageschäfts von Roche mit einer neuen Arbeitsweise, die auf harmonisierten Arbeitsprozessen beruht." Die Zusammenarbeit der einzelnen Funktionen und Ländergesellschaften sei heute "merklich besser", bilanziert Allerton.
Nicht verschwiegen werden sollte in diesem Zusammenhang, dass das IT-Projekt auch erhebliche Herausforderungen zeitigte. O-Ton Allerton: "Die stark dezentralisierten Strukturen in Europa (von Hoffmann-La Roche, Anm. d. Red.) erschwerten die Einführung eines einheitlichen Geschäftsmodells."
Unschwer lässt sich nachvollziehen, dass Vorhaben wie ForWard den Mitarbeitern ein Umdenken und einen Veränderungsprozess abverlangen. Dass letztlich alles erfolgreich geschultert werden konnte, mag damit zusammenhängen, dass Allerton als oberste IT-Verantwortliche des Konzerns ihrer Belegschaft ein gutes Beispiel vorlebt: Ständiges Lernen und die Bereitschaft, sich neuen Dingen zu öffnen, sind nicht nur gut für die persönliche Entwicklung, sie können auch der Lebensqualität sehr förderlich sein.
Jennifer Allerton, F. Hoffmann-La Roche