Der Kampf ist beendet und die Kommunikationslinie geklärt. Beim Hamburger Forschungszentrum Desy singen IT-Leitung und Betriebsrat einstimmig das Loblied auf den jeweiligen Verhandlungspartner. Kein Wunder: Nach jahrelanger Arbeit liegen endlich ein Rahmenvertrag und fünf Vereinbarungen zur EDV in den Schreibtischen der Forscher; allein drei davon befassen sich mit SAP.
"Eine relativ konstruktive Zusammenarbeit" bescheinigt Michael Behrens, Fachgruppenleiter IT-Betrieb, dem Betriebsrat. Natürlich habe es manche Auseinandersetzung gegeben, aber schließlich könne man Erfolge vorzeigen. Thomas Finnern, Betriebsratsmitglied und im Rechenzentrum der Desy beschäftigt, spricht von "einer hart erarbeiteten Zusammenarbeit". Mittlerweile sei es so, dass das Direktorium den Betriebsrat rechtzeitig über anstehende neue Projekte informiere.
So effektiv ist die Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern selten. Welcher IT-Chef denkt bei der Planung eines neuen Projekts schon daran, dass der Betriebsrat oft ein Wörtchen mitzureden hat? "Das ist besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen ein Problem; viele kennen die Vorschriften einfach nicht", sagt Reinhard Bechmann von der DGB-Technologieberatung in Berlin.
SAP wichtiges Thema für Betriebsräte
Rund 300 Beratungen jährlich führen allein die gewerkschaftsnahen Experten in Deutschland zum Thema IT-Systeme durch; hinzu kommen die Unterweisungen durch unabhängige Fachleute. Der größte Informationsbedarf besteht in Sachen SAP, Skill- und Dokumenten-management. Demgegenüber gibt es bei Internet- und E-Mail-Einführung sowie ISDN-Telekommunikationsanlagen deutlich weniger Nachfragen als noch vor einigen Jahren: "Das haben viele Firmen schon geregelt", weiß Bechmann.
Dafür tauchen neue Problemfelder auf: Wie sieht es etwa mit der Einführung der digitalen Signatur aus? "Vieles spricht für ein Mitbestimmungsrecht", meint Ulrich Pordesch vom Institut für Sozialverträgliche Technikgestaltung (Sovt) in Darmstadt. Schließlich sei der Betriebsrat auch für Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 BetrVG) zuständig; und im Zusammenhang mit der Signaturkarte hätten die Arbeitnehmer zahlreiche Verhaltensregeln zu beachten. So würden beispielsweise durch die Signaturtechnik personenbezogene Daten (wie Signaturzeit) gespeichert. Eine Rechtssprechung dazu existiert noch nicht.
Wann sollte ein CIO den Betriebsrat über geplante Systeme informieren? "So früh wie möglich", rät Lothar Bräutigam von Sovt. Viele zeitproblematische Projekte verzögerten sich weiter, wenn der IT-Chef den Betriebsrat erst in einem fortgeschrittenen Stadium - und damit praktisch zu spät - informiere. Schließlich müssten sich die Arbeitnehmervertreter, die häufig nicht aus dem IT-Sektor stammen, zunächst in die Materie einarbeiten.
Legt der Betriebsrat dann sein Veto ein, drohen zudem erhöhte Kosten. Denn sobald eine Partei das Scheitern der Verhandlungen erklärt, landet die Auseinandersetzung bei einer Einigungsstelle. Die wird unter Vorsitz eines Arbeitsrichters von beiden Parteien paritätisch besetzt; externe Berater sind zulässig. "Die Kosten dafür liegen leicht bei 25000 Euro - eventuell auch doppelt so hoch", sagt Berater Bechmann. Unabhängig vom Ausgang der Einigung müsse der Arbeitgeber diese Kosten tragen. "Manchmal ein heilsames Lehrmittel", so Bräutigam.
In Panik muss deshalb aber kein IT-Chef verfallen. Auch die Berater des Betriebsrats wissen, dass eine verzögerte Informationspolitik oft durch Unkenntnis oder Zeitdruck entsteht. Und sie sind sich darüber im Klaren, dass eine vollständige, jedes Detail umfassende Lösung nicht immer möglich ist: "Der Versuch, etwa SAP genau zur Produktivsetzung und umfassend zu regeln, ist unbezahlbar und zeitlich nicht zu vertreten", erklärt Knut Hüneke vom Netzwerk innovative Mitbestimmung in München.