Geheimbericht eines Klinik-CIOs

Ärzte schikanieren IT-Chefs

19.12.2006 von Name der Redaktion bekannt 
Fachbereiche reden der IT-Abteilung in ihre Arbeit hinein. Der CIO fühlt sich schikaniert. Besonders drastisch bekommen das IT-Chefs in Kliniken zu spüren, die sich den ganzen Tag um Sonderwünsche kümmern müssen. Ein anonymisierter Bericht eines IT-Mitarbeiters aus einem großen Klinikum.

8 Uhr 30: Arbeitsbeginn. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz hält eine Führungskraft eines internen Kunden den IT-Leiter auf und lobt einen DV-Mitarbeiter explizit, weil dieser als einziger Vertreter aller interner Dienstleister pünktlich und verlässlich sei. Der IT-Leiter gibt seine Freude zu erkennen, verspricht es dem Mitarbeiter zu kommunizieren und versucht schnell weg zu kommen. Bevor die von ihm erwartete Wunschliste auf ihn herab prasselt.

Doch er schafft es nicht.

Man bräuchte in der Abteilung dringend 19-Zoll TFT-Bildschirme, die ja neuer Beschaffungsstandard wären. Die müssten in schwarz sein, dann würden sie besser zum Mobiliar passen als jene, die gerade beschafft werden. Die alten 17-Zoll-Röhrenmonitore wären zum wegwerfen zu schade und das könne man sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht erlauben. In der Abteilung könne man mit denen noch Jahre auskommen. Das Reinigen würde eh von der DV gemacht, damit wären diese ja fast wieder wie neu.
Froh, dass die Wunschliste so kurz war, stammelnd, dass man dies noch überprüfen müsse, entweicht der IT-Leiter seinem internen Kunden.

Kaum im Büro angekommen, klingelt das Telefon. Ein erboster Oberarzt sprudelt einen Beschwerdewortschwall heraus: „Wie es denn sein könne, dass in einem Haus dieser Größenordnung vom Spam-Filter eindeutige als Spam erkennbare Mails in sein Postfach gelangen können?“
Erleichtert, das Gespräch irgendwann beendet zu haben, sieht sich der IT-Leiter (in einigen Kliniken auch als CIO bezeichnet) den Mail-Eingangspostkorb an. Ins Auge fällt die Mail eines Institutsleiters, die mit „dringlich“ gekennzeichnet ist. Der neue Spam-Filter habe, obwohl das klar erkennbar sei, eine Mail in den Ordner Spam-Verdacht abgelegt. Man müsse alle Mails einzeln im Spam-Verdacht überprüfen, um nicht aus Versehen relevante Mails zu löschen. Wie könne man in der DV so leichtfertig mit dem Kommunikationsgut umgehen.

Man wolle dazu schnellstens eine Stellungnahme, wie und wann das Problem gelöst sei. Eine Kopie der Mail ging auch an den stellvertretenden Vorstand, damit dieser der DV Beine machen möge.
Die zweite Mail eines Mitarbeiters: Auf einer Messe hat ein Software-Lieferant ihm gesteckt, dass die Probleme im Klinikum ja hausgemacht wären. Es läge am fehlenden Willen der DV zielgerichtet zu investieren. Mit Hintergrund dieser Informationen enthält die Mail mit Kopie an „Gott und die Welt“ den Hinweis, dass die DV doch nun endlich aktiver werden müsse.

Noch beim lesen der Mails betritt ein Mitarbeiter das Büro und fängt einen ellenlangen Klagemonolog über ein Problem an, das ihn behindere, seine Aufgabe effektiv zu erfüllen. Er habe ein Ticket aus dem Service-Desk erhalten, in dem die Identifikationsdaten der Örtlichkeit eines Items nicht mit denen in seiner Datenbank übereinstimmen würden. So könne man doch nicht arbeiten usw. Auf die Frage des IT-Leiters, ob er denn schon mit den Kollegen gesprochen habe, der diese Daten verantworte, kam ein selbstverständliches „nein“.

Ungläubig und knapp vor einem Wutausbruch brachte der IT-Leiter diesen MA (Vollakademiker) dazu den betreffenden Kollegen (promovierter Vollakademiker) doch mal persönlich zu fragen, ob hier ein Grundsatzproblem vorliege oder nicht. Es war, wie es sich herausstellte kein Grundsatzproblem.

10 Uhr: Meeting mit dem Vorstandsmitglied für IT. Aus der IT kommend, ist er immer geneigt, Detailvorgaben machen zu können. Nach der üblichen Einleitung, dass DV zu teuer wäre, zu wenig „outcome“ bringen würde und erst die Datenqualität ... . Er hätte gerne mal schnell geprüft, so der Vorstand daraufhin, wie groß der Aufwand wäre über Schnittsellen aus dem SAP BW, aus der Operations-SW, aus den Kostenträger-Daten und den Leistungsdaten eine neue zusätzliche Software zu versorgen, mit der man interessante Auswertungen machen könne. Etwas erstaunt, weil man ja schon mehrere System für das Erzeugen von Entscheidungsdaten habe, nahm der IT-Leiter dies zur Kenntnis und versprach dem nachzugehen.

11 Uhr: Erst jetzt merkt er, dass seine Sekretärin erkrankt war und ihm deshalb keine Wiedervorlage vorgelegt wurde, in der er hätte erkennen können, dass er eigentlich schon vor einer halben Stunde einen Termin bei seinem Chef gehabt hätte.

11:30 Uhr: Das Telefon klingelt und eine Chefarztsekretärin beschwerte sich lautstark: „Ich habe nun zig-mal vergeblich versucht Ihrem Mitarbeiter im Service zu uns zu bewegen. Wir haben einen neuen Schreibtisch bekommen und nun müssten doch die Anschlusskabel des PC´s wieder neu im Leitungsschacht des neuen Tisches verlegt werden. Man sei ja Sekretärin und nicht DV-Spezialist. Wie der Kollege der DV im Service die Frechheit besitzen könne, überhaupt die Frage zu stellen, ob es nicht schneller und kostengünstiger für das Unternehmen wäre, wenn Sie das schnell selbst machen könne.

11:36 Uhr: Der IT-Leiter wollte sich gerade mit Kollegen auf den Weg zur Kantine machen, da klingelt das Telefon nochmals. Ein Assistenzarzt war am Telefon. Sein Klinikchef habe mit der Abteilung für Einkauf eine Lösung für ein zentrales digitales Diktatmanagement gekauft. Die Firma sei nun hier und brauche einen DV-ler für die Installation. An dieser Stelle war es für den IT-Leiter zu viel. Der Assistenzarzt ließ das Gebrüll des IT-Leiters stoisch über sich ergehen; man habe ja als Klinik nicht gewusst, dass man dazu die DV Abteilung brauche würden. Außerdem wäre die Installation ja nur eine Kleinigkeit, so die Firma.

Man bräuchte doch nur Platz auf einen Server und einige Rechte in der Policy müssten angepasst werden. Außerdem solle sich der IT-Leiter nicht so aufregen, es hätten doch dies die Verwaltungskollegen vom Einkauf wissen müssen. Zudem müsse die Installation nun erfolgen, es gäbe ja schließlich einen rechtsgültigen Vertrag und der Chefarzt habe ausrichten lassen, wenn dies nicht erledigt werde, könne er sein Patientenvolumen nicht mehr bewältigen.

An dieser Stelle hört die Aufzählung des leidgeprüften IT-Leiters auf. Der Kollege ist immer noch IT-Leiter. Seine sarkastischer Kommentare mehren sich. Aber wie sonst soll man es verkraften, wenn tausende Hobby-DV-ler nicht merken, dass Sie doch nur Hobby-DV-ler sind?