Yahoo-Chefin Marissa Mayer hat im Februar eine Diskussion ausgelöst, als sie ein Machtwort sprach und die Belegschaft wieder zur Anwesenheit im Büro verdonnerte. Unterstützung erhält sie nun indirekt von David Taber, CEO der Salesforce-Tochter Sales Logistix. Taber geht es aber nicht um Arbeitszeit- oder Präsenzregelungen, sondern um Methoden des agilen Projektmanagements. Seine These: Zeitliche und räumliche Distanz erschweren agiles Projektmanagement am stärksten. Das führt er auf unserer US-Schwesterpublikation cio.com aus.
Salopp gesagt, sollten nach Tabers Erfahrung alle Projekt-Beteiligten möglichst eng aufeinander hocken. "Die Nähe von Entwicklern und Anwendern macht agile Projekte so effizient und reaktionsfähig", erklärt Taber. Im Idealfall trifft sich das Team täglich, die Meetings müssen ja gar nicht lang sein. Es geht um ständigen Austausch.
Tabers Empfehlung geht weit: Die Mitglieder des Kernteams sollten in Rufweite sitzen. Die künftigen Adressaten des Projektes müssen wissen, wo dieses Team seine Büros hat, und dort jederzeit Feedback geben können.
Das gegenteilige Szenario wäre agiles Projektmanagement mit einem Team, das über weite Distanzen und verschiedene Zeitzonen verteilt ist. Das wird nicht funktionieren, sagt Taber. Zum Einen birgt physische Distanz immer die Gefahr von Missverständnissen. Zum anderen verzögert sich die gesamte Kommunikation. In einem solchen Team müsste vieles mehrfach kommuniziert werden, und bei jeder Wiederholung können sich Fehler einschleichen.
Taber bringt es so auf den Punkt: Die Magie agiler Methoden bleibt über Distanzen auf der Strecke. Das schnelle Reagieren auf Veränderungen und die Zusammenarbeit mit dem Kunden, die beim agilen Projektmanagement hohe Priorität genießen, erfordern Nähe.
Die Stärken der Körpersprache
Implizit spricht sich der Manager auch gegen multinationale Teams aus. Seine Erfahrung: eine der Stärken räumlich enger Teams liegt im "Lesen zwischen den Zeilen", das heißt, Unerfreuliches wird oft verklausuliert verpackt, aber eben in Klauseln, die das Gegenüber versteht. Hier geht es auch um Körpersprache, Tonfall etc. Dies zu verstehen, wird über räumliche, zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg immer schwerer.
Taber illustriert das Ganze mit einem bildhaften Vergleich: agiles Projektmanagement (wenn es nach Tabers Vorstellungen umgesetzt wird) ist wie frisches Obst und Gemüse. Alles andere kommt aus der Konserve.
Der Sales Logistix-CEO belässt es in seinem Beitrag bei diesem Thema. Sieht man seine Thesen in einem größeren Zusammenhang, zeigen sich einige Diskussionspunkte auf.
Nach Angaben der Standish Group (Chaos Report 2012) gelangen Projekte, die nach agilen Methoden erstellt werden, deutlich öfter zum erfolgreichen Abschluss als solche, die auf der herkömmlichen Wasserfall-Methode basieren. Dazu ein paar Zahlen: 42 Prozent der agilen Projekte gelten als erfolgreich. 49 Prozent gelten als problematisch und neun Prozent scheitern. Nach der Wasserfall-Methode dagegen führen 14 Prozent zum Erfolg, 57 Prozent gelten als problematisch und 29 Prozent scheitern.
Die junge Generation widerspricht
Belege für die Vorteile agiler Methoden. Gleichzeitig gehen die Vorstellungen insbesondere junger Arbeitnehmer in eine ganz andere Richtung als die, die Taber fordert. So schreibt beispielsweise der erst 19 Jahre alte Philipp Riederle in seinem Buch "Wer wir sind und was wir wollen", feste Arbeitszeiten seien ihm ein Graus. Er wolle Arbeitszeit und -ort frei wählen.
Riederle geht davon aus, dass er für seine ganze Generation spricht und sagt offen: "Da die Unternehmen derzeit aber händeringend nach Nachwuchstalenten suchen, gibt es wohl keine andere Möglichkeit, als auf die Bedürfnisse meiner Generation einzugehen." Die übrigen Vorstellungen des jungen Mannes - ein Chef, der sich als Trainer oder Mentor versteht, Kollegen, die sich als Team empfinden - passen wiederum gut zu den Prinzipien agiler Methoden.
Bei den Nutzern von cio.com jedenfalls rennt David Taber durchaus offene Türen ein, einige Online-Leserkommentare geben ihm recht. Ein Nutzer namens Objectmethodology möchte jedoch nicht, dass das Aufeinanderhocken zum Selbstzweck gerät. Die Vorstellung, dass Entwickler dreimal pro Woche in Flipflops über den Flur latschen, behagt ihm nicht.